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Interview Warum Superreiche auch in Deutschland so wenig Steuern zahlen

In den USA fordert die Kampagne „Tax the Rich“ eine höhere Besteuerung von Superreichen wie Tesla-Chef Elon Musk
In den USA fordert die Kampagne „Tax the Rich“ eine höhere Besteuerung von Superreichen wie Tesla-Chef Elon Musk
© IMAGO / UPI Photo
Die USA diskutieren über die verschwindend geringe Steuerlast ihrer reichsten Bürger. Zu recht? Steuerforscher Stefan Bach erklärt, warum es gute Gründe für den Status Quo gibt, warum Reiche auch in Deutschland wenig Steuern zahlen, und wie sich das System verbessern ließe

Was die Investigativjournalisten von ProPublica am Mittwoch enthüllten , sorgte weltweit für Aufregung: Aus Unterlagen der amerikanischen Steuerbehörde IRS geht hervor, dass die reichsten US-Bürger wie Star-Investor Warren Buffett und Amazon-Gründer Jeff Bezos kaum Einkommenssteuern zahlen . Was sie an den Fiskus entrichten, entspricht oft nur einem Bruchteil der Millionen und Milliarden, um die ihr Vermögen jedes Jahr wächst. Dabei ist das völlig legal.

Der Steuerexperte Stefan Bach vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung spricht im Interview über die Situation in Deutschland. Er nennt gute Gründe für geringe Steuern für Superreiche – und er erklärt, warum die Situation dennoch unfair ist.

Capital: Herr Bach, verstehen Sie die Aufregung, dass Superreiche in den USA so wenig Steuern zahlen?

STEFAN BACH: Naja, im Prinzip ist das kalter Kaffee, auch wenn jetzt die genauen Steuerdaten vorliegen. Warren Buffett scherzte ja schon früher gerne, dass seine Sekretärin einen höheren Steuersatz hat als er.

Warum ist das so?

Es liegt daran, dass die Einkommen vieler Superreicher kaum in die Privatsphäre ausgeschüttet werden und daher nicht der progressiven Einkommensteuer unterliegen. Die horten ihre Monster-Einkommen in ihren Unternehmen oder Holding-Strukturen. Erst wenn sie die Gewinne realisieren und ausschütten, wird mit Abgeltungsteuer oder in anderen Ländern mit ähnlichen Steuern nachbelastet. Aber die Gewinne werden nicht ausgeschüttet, sondern weiter investiert.

Stefan Bach ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) und Dozent an der Universität Potsdam. Der Steuerexperte erstellt regelmäßig Gutachten zur Wirkung von Steuern und Abgaben für Ministerien und Parteien, Foto: DIW
Stefan Bach ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) und Dozent an der Universität Potsdam. Der Steuerexperte erstellt regelmäßig Gutachten zur Wirkung von Steuern und Abgaben für Ministerien und Parteien, Foto: DIW
© DIW

Arbeitseinkommen werden also sowohl in Deutschland wie in den USA höher besteuert als Kapitaleinkünfte. Das dürfte die Unruhe erzeugen.

Ja, aber es ist auch so, dass Einkünfte nicht doppelt besteuert werden sollen. Auf Unternehmensgewinne zahlen deutsche Unternehmen bereits Steuern von bis zu 30 Prozent. Wenn sich die Inhaber dann ihre Gewinne auszahlen lassen, zahlen sie auf die verbliebenen 70 Prozent noch einmal 25 Prozent Abgeltungssteuer plus Soli.

Der Anreiz ist also, dass die Gewinne im Unternehmen bleiben.

Genau. Damit fördern wir die reale Investition, zum Beispiel bei deutschen Mittelständlern. Aber wir fördern damit eben auch die Vermögensakkumulation von Superreichen – unabhängig davon, ob sie im In- oder Ausland investieren. Da darf man sich nicht wundern, wenn die Milliardäre auch bei uns immer mehr werden. Sie können ihre Gewinne immer wieder reinvestieren, zahlen nur Unternehmenssteuern, aber eben keine Abgeltungssteuer und keine progressive Einkommensteuer.

Fördert die geringere Steuer für Beteiligungen denn immer auch Investitionen?

Der Unterschied zwischen Bezos oder Musk und unseren guten deutschen Mittelständlern ist, dass bei Investments in mittelständischen Unternehmen eine Unternehmenssteuerbelastung von bis zu 30 Prozent entsteht. Elon Musk oder Jeff Bezos zahlen offenbar auch auf ihre Gewinne nur wenig. Die USA haben zwar die inländischen Unternehmensgewinne eher hoch besteuert. Doch was Musk oder Bezos in Europa und Asien versteuern müssen, das lenken sie über Irland, Luxemburg und andere Länder auf Steueroasen um, die Unternehmensgewinne eben kaum besteuern. Siehe buecher.de und Amazon. Die einen mussten ihre Gewinne versteuern, die anderen nicht. Das ist natürlich ein unfairer Wettbewerbsvorteil. Deshalb ist es sinnvoll, dass wir eine internationale Mindeststeuer für Unternehmen bekommen.

Es ist also ein Dilemma. Zum einen wachsen die Vermögen der Reichen immer weiter, weil sie ihre Gewinne zu niedrigen Steuersätzen reinvestieren können, andererseits will man Investitionen steuerlich begünstigen. Wie lässt sich das ändern?

Man kann die Rieseneinkommen der Investoren wieder stärker in die Einkommensteuer holen. Aber das ist schwierig. Oder man kann die Vermögen besteuern, Stichwort Vermögensteuer, aber das hat auch seine Probleme. Letztlich geht es immer um die Abwägung: Fairness oder Effizienz? Das gleiche gilt auch für die Erbschaftssteuer. Kleinere Erbschaften sind steuerfrei. Wohlhabende mit normalen Vermögen müssen schnell zehn Prozent bezahlen. Die Superreichen mit den großen Unternehmen und Beteiligungen sind größtenteils freigestellt. Aber wenn man sich der Sache pragmatisch nähert, geht da einiges. Viele Superreiche sehen ja auch den Zusammenhang und sind bereit, wieder mehr Steuern für die Allgemeinheit zu zahlen. Man darf eben nicht übertreiben und muss da besteuern, wo es weniger wirtschaftlich schädlich ist. Etwa auch bei Immobilien, da ist Deutschland eine Steueroase.

Welche Steuererhöhungen sind denn realistisch möglich, ohne die Wirtschaft zu belasten?

Durch einen ausgewogenen Mix aus Vermögens- und Erbschaftsteuer und höheren Kapitalertrags- und Immobiliensteuern könnten durchaus 20 bis 30 Milliarden Euro Einnahmen im Jahr erzielt werden, ohne dass Investitionen, Arbeitsplätze und Wachstum darunter leiden. Das Geld sollte man dann zur Entlastung der gebeutelten Mittelschichten einsetzen, die mit Sozialbeiträgen und Einkommensteuer stark belastet werden.

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