Wie viel Vermögen Amerikas Milliardäre besitzen, ist kein Geheimnis. Milliardärsrankings wie das des Wirtschaftsmagazins „Forbes“ geben den Reichtum tagesaktuell wieder. Wie viel Steuern die Superreichen zahlen ist dagegen geheim – eigentlich zumindest.
Umso mehr Aufsehen erregt deshalb der Bericht des Rechercheportals „Pro Publica“, das einen Datensatz der US-Steuerbehörde (IRS) mit Dokumenten der reichsten Amerikaner ausgewertet hat. Darunter Microsoft-Gründer Bill Gates, Facebook-Chef Mark Zuckerberg oder Medien-Tycoon Rupert Murdoch. „Pro Publica“ zufolge enthält der Datensatz Steuerunterlagen und Auskünfte über Investments, Aktienkäufe, Spielgewinne und steuerliche Prüfverfahren.
Die 25 reichsten Amerikaner hat sich das Rechercheportal dabei noch einmal genau angeschaut. Die Bilanz: Von 2014 bis 2018 zahlten sie Steuern in Höhe von 3,4 Prozent ihres Vermögenszuwachses. „Pro Publica“ spricht bei diesem Wert von der „wahren Steuerquote“. „Die IRS-Daten zeigen, dass die Superreichen – völlig legal – Einkommenssteuersätze zahlen können, die nur einen winzigen Teil von den Hunderten Millionen, wenn nicht Milliarden, ausmachen, um die ihr Vermögen jedes Jahr wächst“, schreibt „ProPublica“.
IRS will den Fall prüfen
Im Durschnitt entspricht der Steuersatz in den USA etwa 14 Prozent des Einkommens, der Höchstsatz liegt bei 37 Prozent und greift bei Einkommen ab 628,300 US-Dollar. Keiner der 25 reichsten US-Milliardäre hat diesen Steuersatz zwischen 2014 und 2018 gezahlt, bilanziert „Pro Publica“.
Der Grund für diese Diskrepanz: Zum einen stammt das Einkommen vieler Superreicher häufig aus Aktien, Immobilien und anderen Assets, die von der klassischen Einkommenssteuer ausgenommen bleiben. Außerdem machen viele Superreiche bei der Einkommenssteuerklärungen hohe Summen von Investitionsausgaben geltend, teilweise so viele, dass sie das zu versteuernde Einkommen übersteigen.
Wie „Pro Publica“ an die vertraulichen Steuerdaten gekommen ist, enthüllte die Plattform nicht. Den Angaben zufolge basieren die Recherchen auf anonym zugespielten IRS-Daten. Die US-Steuerbehörde hat bereits Ermittlungen angekündigt. Die unautorisierte Weitergabe vertraulicher Regierungsinformationen sei illegal, erklärte eine Sprecherin des US-Finanzministeriums. Einige besonders prominente Fälle und ihre verschwindend geringen Summen an gezahlten Einkommenssteuern erregen dagegen Aufsehen. Capital hat sechs von ihnen in einer Bilderstrecke zusammengestellt.
So wenig Steuern zahlen Amerikas Superreiche
So wenig Steuern zahlen die reichsten US-Milliardäre
Besonders deutlich werde die Diskrepanz zwischen Vermögen und gezahlten Einkommenssteuern laut „Pro Publica“ bei Amazon-Gründer Jeff Bezos. Zwischen 2006 und 2018 stieg Bezos’ Vermögen laut dem US-Wirtschaftsmagazin Forbes um 127 Mrd. US-Dollar. In seinen Einkommensteuern meldete er lediglich 6,5 Mrd. US-Dollar an, für die er letztlich 1,4 Mrd. US-Dollar an Steuern zahlte. Das entspricht einem Anteil von 1,1 Prozent. 2007 und 2011 zahlte Bezos sogar keinerlei Einkommenssteuer, weil die Investitionsverluste, die er in der Steuererklärung angab, sein Einkommen ausglichen – oder sogar überstiegen. Weil er laut Steuergesetzgebung so wenig verdiente, beantragte und erhielt er in 2011 sogar noch eine Gutschrift von 4000 Dollar für seine Kinder. Seine Sprecher teilten „Pro Publica“ mit, dass Bezos eine Zusendung von detaillierten Fragen zwecks Stellungsnahme ablehne.
Medienmogul Michael Bloomberg steht aktuell auf Rang 13 der reichsten Amerikaner. Aktuelles Nettovermögen: 59 Mrd. US-Dollar. Auch sein Einkommen liegt gerne mal im Milliardenbereich, weil die Gewinne seiner Unternehmen an ihn fließen. In 2018 hatte Bloomberg deshalb ein Einkommen von 1,9 Mrd. US-Dollar. Durch Abschreibungen über Spenden und Gutschriften für im Ausland gezahlte Steuern zahlte Bloomberg letztlich 70,7 Mio. US-Dollar an Steuern – auch weil er dabei von den Steuersenkungen der Trump-Regierung profitierte. Das entspricht etwa 3,7 Prozent seines Vermögens. Zwischen 2014 und 2018 lag die gezahlte Steuersumme laut „Pro Publica“ sogar noch niedriger bei 1,3 Prozent seines Vermögens. Ein Sprecher reagierte auf die Veröffentlichung und erklärte, Bloomberg zahle den maximalen Steuersatz wie vom Gesetz vorgeschrieben.
Vergleicht man die Steuererklärungen von Elon Musk für die letzten Jahre mit seinem Vermögen, stehen beide Angaben in keinem Verhältnis bilanziert „Pro Publica“. Zwischen 2014 und 2018 soll der Tesla-Chef eine Anteil von 3,27 Prozent seines Vermögens gezahlt haben, in 2018 fiel sogar keinerlei Einkommenssteuer an. Auf die Bitte um Stellungnahme von „Pro Publica“ reagierte Musk lediglich mit einem Fragezeichen.
Auch Carl Icahn taucht in dem Enthüllungsbericht auf. Aktuell liegt der US-Investor mit einem Vermögen von 15,1 Mrd. US-Dollar auf Platz 40 der reichsten Amerikaner. Einkommenssteuern fielen für ihn in 2016 und 2017 trotzdem keine an, wie „Pro Publica“ berichtet. Allerdings gab der Investor 544 Mio. US-Dollar in bereinigtem Bruttoeinkommen in seinen Steuererklärungen an. Dieses bereinigten Bruttoeinkommen definiert die Bundessteuerbehörde IRS als Einkommen abzüglich von Zinserträgen, Unterhaltszahlungen oder Studentendarlehen. Laut „Pro Publica“ hatte der Investor gleichzeitig ein ausstehendes Darlehen von 1,2 Mrd. US-Dollar bei der Bank of America. In einer schriftlichen Stellungnahme erklärte Icahn, bei den Abzügen handle es sich um Zinsen für Kredite, „die ich für Investitionen und zur Förderung meiner Unternehmen verwende“ – und nicht um einen extravaganten Lebensstil zu finanzieren. In 2016 und 2017 hätten daher die Zinsaufwendungen und Investitionskosten seine Erträge überstiegen.
Die wenigsten Einkommensteuern hat den Berechnungen von „Pro Publica“ zufolge Warren Buffett gezahlt: Von 2014 bis 2018 wuchs das Vermögen des Berkshire-Hathaway-Chefs um 24,3 Mrd. US-Dollar – darauf zahlte er umgerechnet jedoch nur einen Anteil von 0,1 Prozent an Steuern. Allein 2015 hätten rund 14.000 US-Steuerzahler mehr Geld an den Fiskus gezahlt als der Investor, schreibt „Pro Publica“ zu dieser Rechnung. Gründe für die niedrigen Steuersummen seien die großen Anteile, die Buffet an Berkshire Hathaway halte und die Tatsache, dass das Unternehmen an die Aktionäre keine Dividende ausschütte. In einem Schreiben an Pro Publica verteidigte Buffett diesen Umstand. „Ich bin nach wie vor der Meinung, dass das Steuerrecht grundlegend geändert werden sollte“, ergänzte er und schrieb weiter, er sei Meinung, dass „riesiger dynastischer Reichtum für unsere Gesellschaft nicht wünschenswert ist.“
Investor George Soros soll „Pro Publica“ zufolge drei Jahre lang keine Einkommensteuer gezahlt haben. „Zwischen 2016 und 2018 hat George Soros mit seinen Investitionen Geld verloren. Daher hat er in diesen Jahren keine Einkommenssteuer gezahlt. Herr Soros ist ein langjähriger Unterstützer für eine höhere Besteuerung von wohlhabenden Amerikanern“, erklärte ein Sprecher gegenüber dem Rechercheportal. Während Soros Forbes zufolge im Oktober 2016 noch ein Nettovermögen von 24,3 Mrd. US-Dollar hatte, sank es in 2018 auf 8 Mrd. US-Dollar. Der Grund: Soros hatte 18 Mrd. Dollar von seinem Family Office in seine Stiftung „Open Society Foundations“ umgeschichtet. Aktuell liegt er mit einem Vermögen von 8,6 Mrd. US-Dollar auf Rang 288 der reichsten Menschen weltweit.