Obwohl diese Option in den letzten Wochen von den beteiligten Akteuren etwas heruntergespielt wurde, zielt die Europäische Zentralbank (EZB) mit ihren Überlegungen zu zusätzlichen Anleihekäufen wohl auf eine nachhaltige Abwertung des Euros ab. Denn alle anderen geldpolitischen Übertragungsmechanismen in der Eurozone wie der Kreditkanal sind zurzeit immer noch mehr oder minder gestört. Wie vom EZB-Präsidenten Mario Draghi anlässlich der EZB-Ratssitzung im Juni 2014 angedeutet, besteht ein noch verbliebenes Mittel zur Euroabwertung in der Anwendung der Quantitativen Lockerung („Quantitative Easing, QE“).
QE wird eingesetzt, wenn der offizielle Zinssatz der Zentralbank bereits gegen Null geht und weiterhin expansive Impulse der Geldpolitik erzeugt werden sollen. In diesem Fall kauft die Zentralbank Anleihen, private oder Staatsanleihen, um die Volkswirtschaft weiterhin mit mehr Geld auszustatten. Schon in Japan war diese Politik notorisch erfolglos, die erwartete Inflation nennenswert zu erhöhen. QE hat aber offensichtlich den Vorteil geringerer politischer Kosten als explizite Devisenmarktinterventionen der EZB. Aus diesem Grund haben direkte Interventionen der EZB bisher nur sehr selten stattgefunden, so zum Beispiel zu Beginn des letzten Jahrzehnts.
Quantitative Easing wäre der nächste Schritt in einem Währungskrieg
Standard-Textbücher würden sicherlich argumentieren, dass QE in der Eurozone, verstanden als weitere Senkung heimischer Zinssätze, zu einer Senkung des Außenwerts des Euro führen würde. Die jüngsten Erfahrungen mit QE, durchgeführt von der Fed, der Bank of England und der Bank of Japan enthüllen aber, dass die Wechselkurseffekte dieser Politiken im Allgemeinen nicht eindeutig sind. Im Hinblick auf den Stimulierungs-Erfolg eines QE in der Eurozone äußerte sich der Nobelpreisträger Joe Stiglitz vor Kurzem im Rahmen des World Economic Forum in Jordanien sehr skeptisch. Es habe allenfalls ein wenig zu Vermögenspreisblasen in den USA und zu einer Schwächung des Dollars beigetragen, mehr nicht.
Schon früher, im Jahr 2010, hatte Stiglitz das QE der Fed als eine “beggar-thy-neighbour”-Strategie der Währungsabwertung strikt abgelehnt. Aus seiner Perspektive stellt ein QE-Programm für die Eurozone nicht weniger als den nächsten Schritt in einem “Währungskrieg” dar, dessen Auswirkungen für das globale und insbesondere das Eurozonen-Wachstum nicht gerade positiv ausfallen. Dies wiederum schwächt im Umkehrschluss den gewünschten inflationssteigernden Effekt des QE deutlich ab. Dieser Effekt wird, nichtoffiziellen Quellen zufolge, von der EZB für ein QE-Programm in Höhe von einer Billion EUR pro Jahr auf plus 0,2 bis 0,8 Prozent HVPI Inflation (dies entspricht ungefähr 80 Milliarden EUR pro Monat) geschätzt. Vernünftig wäre es, wenn QE in der Eurozone nicht zur Anwendung kommt, bevor durch den Banken-Stresstest und den „Asset Quality Review“ die Bankbilanzen der Eurozone bereinigt wurden. Denn QE ändert den Wert der Assets und erschwert die genaue Bestimmung des Kapitalbedarfs der Banken.
Wäre das QE erfolgreich, würde Kapital aus den Schwellenländern nach Europa strömen
Was sind kurz- bis mittelfristig die Auswirkungen eines QE auf den Außenwert des Euros? Unmittelbar plausibel ist das folgende Szenario: falls das QE der EZB erfolgreich den Wert der Staatsanleihen (oder anderer Wertpapiere) der Euro-Südländer erhöht, führt dies mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einem zusätzlichen Zufluss von Auslandskapital, vor allem aus den Emerging Markets, und somit zu aufwärts statt abwärts gerichtetem Druck auf den Außenwert des Euros.
Unter anderem deshalb EZB sollte der Versuchung widerstehen, die Deflationsgefahr in der Eurozone durch unkonventionelle Geldpolitik (z.B. "Quantitative Easing") zu bekämpfen. Was in den USA oder in Großbritannien geklappt haben mag, wird in der Eurozone wohl nicht funktionieren. Es besteht gar die Gefahr einer Deflationsspirale. Denn niedrige langfristige Zinsen könnten im Kernland der EWU, Deutschland, bei einem gegebenen Sparziel für die Alterssicherung zu mehr statt zu weniger Sparen führen. Weniger deutscher Konsum liefe den Zielen der EZB aber krass zuwider. Dieser wird, anders als in den USA, wegen der viel geringeren Eigentümerquote in Deutschland auch nicht dadurch erhöht, dass die Immobilienpreise steigen und wegen des gefühlt höheren Vermögens mehr konsumiert wird. Vielmehr dürften die steigenden Mietpreise das verfügbare Einkommen und damit den Konsum schmälern. Zudem stimulieren niedrigere Zinsen die Investitionsnachfrage nur sehr bedingt. In Europa finanzieren sich Unternehmen eher durch Bankkredite, die typischerweise kurz- bis mittelfristig sind. Niedrigere langfristige Zinsen bringen also für Unternehmen wenig.
Die EZB sollte nichts gegen die Disinflation unternehmen
Die Diskussion um die Herausforderungen eines starken Euro für die Geldpolitik der EZB wird gegenwärtig in einem makroökonomischen Umfeld gut erklärbarer Niedriginflation – die Südländer der Eurozone gewinnen Wettbewerbsfähigkeit zurück und notwendige „Deleveraging“-Prozesse finden in nahezu der gesamten Eurozone statt - und leicht verbesserter Wachstumsprojektionen für den Euroraum geführt. Dies wird aktuell durch eine länger anhaltende Disinflation gespiegelt: die laufende und auch die antizipierte Inflationsrate liegen deutlich unter dem Zielwert der EZB von annähernd 2 Prozent Inflation – gemessen am Harmonisierten Verbraucherpreisindex (HVPI). Die EZB sollte nicht gegen diese wohlerklärte Disinflation vorgehen. Denn das immer noch negative Kreditwachstum in Italien, Spanien oder Portugal ist vor allem auf viele faule Kredite auf den Bankbilanzen und die Zurückhaltung bei der Kreditvergabe vor dem aktuellen Bankenstresstest zurückzuführen.
Falls der starke Euro ein klarer Ausdruck eines gestiegenen Vertrauens der Märkte in die Euro-Politiken und somit verbesserter “business sentiments” ist: warum sollte die EZB dann überhaupt gegen einen “zu starken Euro“ vorgehen? Der Euro wird in jedem Fall die “safe haven”-Währung im Hinblick auf die Ukraine-Krise bleiben.