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Voice of America Warum in den USA die Provinz abgehängt wird

Die Stahlindustrie hat die Stadt Gary im US-Bundesstaat Indiana geprägt
Die Stahlindustrie hat die Stadt Gary im US-Bundesstaat Indiana geprägt
© Getty Images
Nicht nur zwischen Reichen und Armen wächst in Amerika die Ungleichheit. Auch geografisch spaltet sich das Land zunehmend. Ines Zöttl über Gewinner und Verlierer wie die Stahlstadt Gary

Gary hat den Trostpreis gewonnen. Die Stadt im Bundesstaat Indiana gewann 500 Jobs, weil Amazon dort Ende letzten Jahres ein Auslieferungslager eröffnete. Geträumt hatte Bürgermeisterin Karen Freeman-Wilson aber von etwas anderem, viel Größerem: Sie wollte die neue, milliardenteure Zentrale des E-Commerce-Giganten nach Gary holen.

Der einstigen Stahlstadt im industriellen Rostgürtel hätte Amazons „HQ2“ neues Leben eingehaucht. Denn mit dem Niedergang der Stahlindustrie setzte dort ein Sterben auf Raten ein. Die Einwohnerzahl der einst blühenden „Magic City“ sank von 180.000 auf 76.000, die Kriminalität steigt, Häuser verfallen, ein Drittel der Bevölkerung lebt unter der Armutsgrenze. Trotzdem sei Gary ein Top-Standort, beteuerte Freeman-Wilson in einem Brief an Amazon-Chef Jeff Bezos: „Die Menschen hier sind widerstandsfähig und begierig darauf zu arbeiten.“

Die neue Capital
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© Capital

Natürlich blieb ihre Bewerbung erfolglos. Gary schaffte es nicht einmal in die engere Wahl. Der Zuschlag für das HQ2, in dem bis zu 50.000 Jobs mit einem Durchschnittsverdienst von 100.000 Dollar entstehen sollen, ging an die üblichen Verdächtigen: Washington und New York, Metropolen, die jeder Techinvestor auf dem Schirm hat (dass sich der New-York-Deal kurz darauf wieder zerschlug, steht auf einem anderen Blatt). Das Geld und das Talent lassen sich dort nieder, wo das Geld und das Talent schon sind. Die Ungleichheit in Amerika wächst nicht nur zwischen Reichen und Armen – sondern auch geografisch.

Amerikas größte Städte haben nach einer Studie der Brookings Institution seit 2017 allein 75 Prozent zum Beschäftigungswachstum in den USA beigetragen. Die Bezirke, in denen Donald Trump 2016 gewann, steuern dagegen kaum mehr als ein Drittel zum BIP bei. Fast eine Dekade nach der Rezession ist die Beschäftigung in vielen kleinen Städten und ländlichen Gegenden immer noch nicht auf dem Vorkrisenniveau.

Die Republikaner haben mit ihrer Steuerreform deshalb Vergünstigungen für sogenannte Investitionszonen geschaffen. Doch es scheint, als profitierten davon nur die armen Bezirke reicher Städte, nicht die Provinz. Die Investoren, Banken und Arbeitskräfte wollen von den Nachzüglern nichts wissen.

Den ewigen Verlierern bleibt nur der Kampf um die Krümel. So lieferten sich die Bundesstaaten Kansas und Missouri jahrelang einen Abwerbungswettlauf, der sie geschätzt 217 Mio. Dollar an Steuern kostete. Brookings zufolge gewann jedoch die Kansas City Metropolitan Area am Ende keinen einzigen zusätzlichen Job.

Auch Gary hat versucht, sich Bezos’ Wohlwollen zu erkaufen: Knapp 800 Mio. Dollar Subventionen soll die Stadt geboten haben. Geld, das sie eigentlich gar nicht hat. Verloren hätte Gary also so oder so.

Unsere Kollegin Ines Zöttl lebt und arbeitet in Washington. Hier schreibt sie jeden Monat über Politik und Wirtschaft in den USA.

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