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Silicon Valley Warum die Valley-Größe Andreessen Horowitz auf Adam Neumann setzt

Die Tech-Investoren Andreessen und Horowitz, die eine tiefe Männerfreundschaft verbindet, gründeten 2009 die Wagniskapitalfirma Andreessen Horowitz, kurz: „a16z“.
Die Tech-Investoren Andreessen und Horowitz, die eine tiefe Männerfreundschaft verbindet, gründeten 2009 die Wagniskapitalfirma Andreessen Horowitz, kurz: „a16z“.
© IMAGO / Zuma Wire
Der Risikokapitalgeber wettet auf das junge Wohnungs- und Kryptounternehmen des WeWork-Gründers – und zeigt, wie wenig Silicon Valley aus dem Tech-Boom gelernt hat.

Im April 2020 machte Marc Andreessen, Hightech-Milliardär im Silicon Valley, eine Ankündigung, die wie eine dramatische Wende für sein Wagniskapitalunternehmen Andreessen Horowitz klang. „Es ist Zeit, zu bauen“, erklärte er. Investoren und Unternehmer sollten sich stärker um Verbesserungen in der physischen Welt kümmern: mehr Investitionen, unter anderem in Wohnungen, die wegen des knappen Angebots unbezahlbar würden.

Es klang beeindruckend, gar inspirierend. Seit Jahren wurden Silicon Valley-Geldgeber dafür kritisiert, die klügsten Talente der IT-Branche darauf einzuschwören, Start-ups zu bauen, die sich auf Online-Werbung und das Abschöpfen privater Daten konzentrierten, und eher regulatorische Arbitrage betrieben, als wahre Innovationen zu generieren – natürlich während sie im Trend einer Gruppe toxischer Gründer mit einem offensichtlichen Hang zum Schwindeln folgten. Andreessen erklärte den Beginn einer neuen Ära sinnstiftender Ernsthaftigkeit. Der Techlash war Geschichte, die Zeit des Bauens war angebrochen.

Wie sich herausstellt, gleicht dieses neue Zeitalter vom Silicon Valley dem alten aufs Haar – bis hin zu den sozial gut platzierten Taschenspielertricks. Am 15. August veröffentlichte Andreessen einen weiteren Essay, in dem es um eine umfängliche Investition in ein Wohnungsbau-Startup geht. Folgt er nun etwa mit seinem Geld der früheren Inspiration und schafft einen futuristischen Weg, preiswerten, hochwertigen Wohnraum zu schaffen? Hatte er herausgefunden, wie er den „Kumpelkapitalismus, die regulatorische Vereinnahmung [und] die verknöcherten Oligopole“ besiegen konnte, die er in seinem Essay während der Coronapandemie aufs Korn genommen hatte?

Nein, nicht wirklich. Er hat 350 Mio. Dollar in ein Start-up namens Flow gesteckt – den größten Scheck an Risikokapital, den Andreessen Horowitz je ausgestellt hat. Flow soll mit mehr als 1 Mrd. Dollar bewertet sein, obwohl nicht klar ist, was das Unternehmen überhaupt macht. Anscheinend ist seine Mission, Mietwohnungen anzubieten und zugleich – in Andreessens Worten – „die gesamte Wertschöpfungskette anders aufzusetzen, von der Natur von Kauf und Eigentum von Gebäuden über die Art und Weise, wie Bewohner mit ihren Gebäuden umgehen, bis hin zur Frage, wie Wert zwischen Beteiligten verteilt wird.“

In Anbetracht dieses Wortsalats erscheint es wenig überraschend, dass der Gründer von Flow kein Geringerer ist als Adam Neumann – bestens bekannt als Erfinder von WeWork, dem episch überbewerteten Start-up für Büroräume, das dem Geschäft mit Gewerbeimmobilien die Ökonomie einer Tech-Firma beibringen wollte – nicht ohne das „globale Bewusstsein“ zu steigern. Neumann verlor seinen Job unter Anschuldigungen, gelegentlich Gras geschmuggelt, mit Tequila-Flaschen um sich geworfen, und selbst gehandelt zu haben (was er bestritt). Und so weiter.

Ein WeWork-Gebäude in New York 2017, dem Jahr, als SoftBank mit Milliarden in die Gründung von Andreas Neumann einstieg
Ein WeWork-Gebäude in New York 2017, dem Jahr, als SoftBank mit Milliarden in die Gründung von Andreas Neumann einstieg

© IMAGO / Levine-Roberts

Für seinen nächsten Akt, so berichtet die New York Times, hat Neumann Tausende Wohnungen in Florida, Georgia und Tennessee gekauft, die Flow verwalten wird. Andreessens Blogbeitrag blieb unklar darüber, wie sich Flow von anderen großen Wohnungsvermietern unterscheiden würde. Es würde „gemeinschaftsfördernde, erlebnisorientierte Dienstleistungen“ anbieten – vielleicht in der Art von WeLive, Neumanns unglücklicher WeWork-Markenerweiterung – und Mieter sollen Vermögen aufbauen können. Da Andreessen auch in Neumanns Krypto-Startup-Gründung Flowcarbon investiert hat, und in Anbetracht seiner Begeisterung für den vielfältigen Einsatz von Krypto-Token, scheint es naheliegend, dass Mieter ihr erworbenes Vermögen ebenfalls in Token umwandeln werden. Man stelle sich das Game Axie Infinity vor, aber für die eigene Wohnung.

Dass der eigentliche Bau von Wohnungen die Situation für Mieter verbessern könnte, ließ Andreessen in seinem Blog unerwähnt. Warum sollte er auch? Hat er sich doch vor kurzem noch gegen ein Bauprojekt in der Nähe seines Eigenheims gewehrt. Auch sein Versuch, die Schwachstellen des aktuellen Mietwohnungsmarktes aufzuzeigen, wirkte mehr als nur ein wenig realitätsfern. Eben eher von Jemandem, der kürzlich 177 Mio. Dollar für ein Haus hingelegt hat, als von einem, der überhaupt Mieter in seiner Bekanntschaft hat. So jammerte die Valley-Legende, dass Mieter anders als Hausbesitzer „keine Bindung zwischen Mensch und Ort, und ohne Gemeinschaft keine Bindungen zwischen Menschen schaffen“.

Das alles zeigt, wie wenig Silicon Valley aus all den Jahren der Kritik gelernt hat. Andreessen scheint es nichts auszumachen, dass Flow wie WeWork 2.0 daherkommt –  von der seltsamen Eigentumsverflechtung hin zur Verherrlichung von trendiger Technologie, mit der einem ansonsten konventionellen Immobiliengeschäft Glanz verpasst werden soll. Er scheint sogar davon angetan zu sein. „Wir sehen, wie schwierig es ist, so etwas aufzubauen und wir schätzen es, wenn Seriengründer auf vergangene Erfolge aufbauen und aus ihrem Erfahrungsschatz wachsen“, schrieb er. „Für Adam gab es zahlreiche Erfolge und Lektionen.“

Gegen diese Absurdität würde die Investition in Flow wie ein weiterer Fall von konzeptionellem Shitposting durch einen Meister seines Fachs aussehen, außer dass die Unterstützung von in Ungnade gefallenen Gründern gerade unter Top-VCs im Valley eher angesagt scheint. Eben hat Travis Kalanick, der Uber-Mitbegründer, der ein von ihm gebautes Unternehmen verlassen musste, das für Regelbruch und Sexismus stand, CloudKitchen gestartet – mit einer Bro-zentrierten Betriebskultur, einem Uber-ähnlichen Geschäftsmodell und mehr als 1 Mrd. Dollar Finanzierung.

Jahre des Aufstiegs vor dem Fall. Der ehemalige Uber-CEO Travis Kalanick spricht auf einer Konferenz in Peking 2016
Jahre des Aufstiegs vor dem Fall. Der ehemalige Uber-CEO Travis Kalanick spricht auf einer Konferenz in Peking 2016
© GO / China Foto Press

Hunderte Millionen Dollar hat Michael Cagney für sein neues Unternehmen eingesammelt. Er verließ SoFi wegen des Vorwurfs von unangemessenem Verhalten gegenüber Mitarbeiterinnen (was er bestritt). Dann ist da Parker Conrad, der sein Unternehmen Zenefits verließ, weil es angeblich Versicherungen ohne Lizenz verkaufte und er einer freizügigen Kultur vorstand, zu der auch Sex im Treppenhaus gehörte. Seine neue Firma ist mehr oder weniger in der gleichen Branche tätig wie das alte. Er sagt, er werde das Thema Compliance ernster nehmen. Wobei anzunehmen ist, dass die Pandemie den Sex im Treppenhaus sowieso vermindert hat.

Nichts von alledem ist natürlich wirklich überraschend. Trotz des ganzen Geredes über das Ende einer Ära im Silicon Valley haben VCs wie Andreessen über die letzten Jahre enorme Geldsummen eingesammelt und werden entsprechend große Schecks ausstellen müssen, oder sie stehen vor der unvorstellbaren Alternative, Investorengelder zurückzugeben und auf die saftigen Managementgebühren zu verzichten, die es ihnen erlauben, für ihre zahlreichen Villen in Malibu zu bezahlen.

Obwohl WeWork und Uber die Grenzlinien in einer Weise verschoben haben, die zivilisierten Menschen wohl moralisch fragwürdig erscheinen, ist es unklar, ob die Wortführer des Disruptionskults das jemals so gesehen haben. Für Andreessen und Co gibt die Entgrenzung vielleicht sogar den Ausschlag dafür, dass jemand wie Neumann nicht an normale Geschäftsregeln gebunden ist. Grenzverschiebungen sind jedoch nicht das, was man sich im Allgemeinen von seinem Vermieter wünscht. Man will billigere Mieten – und diesem Ziel scheint Silicon Valley nicht näher zu sein als noch vor zwei Jahren.

© 2022 Bloomberg L.P.

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