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Kolumne Vabanquespiel der Versorger

Die Aktien von RWE und Eon fallen und fallen nicht ohne Grund. Es geht um das Überleben der Energiekonzerne
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Bernd Ziesemer ist Capital-Kolumnist. Der Wirtschaftsjournalist war von 2002 bis 2010 Chefredakteur des Handelsblattes. Anschließend war er bis 2014 Geschäftsführer der Corporate-Publishing-Sparte des Verlags Hoffmann und Campe. Ziesemers Kolumne erscheint jeden Montag auf Capital.de. Hier können Sie ihm auf Twitter folgen.

Vor 20 Jahren galten die Aktien der Versorger als mündelsichere Papiere. Man legte sie für Kinder und Enkel ins Depot – im Gottvertrauen auf eine absolut sichere Anlage. Inzwischen sind die Anteilscheine von RWE und Eon die vielleicht riskantesten Wertpapiere aller Dax-30-Konzerne. Sie fallen und fallen und fallen. Der Kurs der RWE-Aktie hat sich in einem Jahr halbiert, der Kurs der Eon-Aktie ist im gleichen Zeitraum um ein gutes Viertel gefallen. Auf Sicht von drei oder fünf Jahren sieht alles noch viel schlimmer aus. Das Signal vieler Anleger fällt eindeutig aus: Man glaubt nicht mehr an die Möglichkeit, die Konzerne könnten sich wieder berappeln.

Inzwischen notieren die Eon-Aktien knapp unter ihrem anteiligen Buchwert, die RWE-Aktien sogar kräftig darunter. Dafür gibt es nach den gängigen Theorien nur zwei mögliche Erklärungen: Entweder wir befinden uns in einer irrationalen Übertreibungsphase – oder die Märkte glauben nicht mehr an die nachhaltige Werthaltigkeit und die Gewinnträchtigkeit der jeweiligen Konzernaktiva. Unter Analysten finden sich wie immer Anhänger der einen wie der anderen Theorie. Vieles aber spricht dafür, dass sich die Risiken der beiden Konzerne trotz aller Abschreibungen und Wertanpassungen in den letzten Jahren immer noch nicht vollständig in ihren Bilanzen widerspiegeln. Jedes Investment in Eon und RWE gleicht deshalb einem Vabanquespiel.

RWE St Aktie

RWE St Aktie Chart
Kursanbieter: L&S RT

Zweifel an neuem Geschäftsmodell

Im Wesentlichen lasten drei große Risikoblöcke auf den Versorgern. Erstens politische Unwägbarkeiten: Eon und RWE bewegen sich in hochregulierten Märkten, in denen Entscheidungen der Gesetzgeber unmittelbar auf das Geschäft durchschlagen. So wissen die Investoren beispielsweise noch nicht, ob die Bundesregierung die beschlossene Aufspaltung von Eon in der jetzigen Form akzeptiert. Der Konzern möchte die Haftung für den Rückbau seiner Atomkraftwerke in die neue Gesellschaft Uniper abschieben und trifft dabei auf wachsenden Widerstand in Berlin.

Zweitens selbstverschuldete Belastungen: Eine teilweise verfehlte, teilweise schlecht umgesetzten Auslandsexpansion beschwert den Konzernen immer neue Verluste. So bekommt RWE beispielsweise die Probleme der britischen Tochter nicht in den Griff, Eon verhedderte sich vollkommen in Brasilien. Das dritte und größte Risiko der beiden Versorger lauert jedoch mitten in ihrem neuen Geschäftsmodell: Noch ist nicht ausgemacht, ob sich mit erneuerbaren Energien und dezentralen Versorgungslösungen für Endkunden wirklich nachhaltig Geld verdienen lassen wird.

Vieles deutet darauf hin, dass Eon und RWE die Wende zu einem neuen Geschäftsmodell nicht hinbekommen. Immer mehr Experten zweifeln an der Fähigkeit des Managements, sich in der neuen Welt der Energie zurechtzufinden. Wenn die Kursentwicklung der beiden Aktien so weiter geht wie in den letzten zwölf Monaten, dürfte der Druck auf die Chefs wachsen. Johannes Teyssen und Peter Terium haben praktisch ihre gesamte Berufslaufbahn in der Welt der Großkraftwerke zugebracht. Kein Headhunter wäre heute mit ihrem Profil unterwegs, wenn er neue Vorstände für RWE und Eon sucht. Vielleicht braucht man neue Männer (oder vielleicht sogar Frauen) für die neue Zeit.

Weitere Kolumnen von Bernd Ziesemer: Abschied der Schönwettermanager, Wilde Kinderschar der Konzerne, Die neue BASF und Die Wegseher der Deutschen Bank

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