Bernd Ziesemer ist Capital-Kolumnist. Der Wirtschaftsjournalist war von 2002 bis 2010 Chefredakteur des Handelsblattes. Anschließend war er bis 2014 Geschäftsführer der Corporate-Publishing-Sparte des Verlags Hoffmann und Campe. Ziesemers Kolumne erscheint jeden Montag auf Capital.de. Hier können Sie ihm auf Twitter folgen.
Für viele deutsche Konzerne waren die letzten fünf Jahre eine einzige Freude. Getrieben von billigem Geld, einem niedrigen Euro und einer beispiellosen Nachfrage aus China entwickelten sich die Geschäfte prächtig und fast von allein. Die jetzigen Vorstandschefs der meisten Dax-30-Konzerne übernahmen nach der Finanzkrise von ihren Vorgängern ranke und schlanke Organisationen. Die Gewinne sprudelten wie von selbst, sobald die Umsätze kräftig anzogen. Wer keine schweren Fehler machte, der sah stetig steigende Aktienkurse und damit auch prächtige Erfolgsprämien für sich selbst. Echte Bewährungsproben gab es für die Schönwettermanager in der Autoindustrie, im Maschinenbau oder in der Pharma- und Chemiebranche kaum.
Doch diese Zeiten gehen zu Ende, wenn die Zeichen aus China nicht trügen: Die sinkende Nachfrage aus dem Reich der Mitte könnte in den nächsten 24 Monaten zu heftigen Verwerfungen in der ganzen Weltwirtschaft führen. Für die deutschen Unternehmen bedeutet das: Im obersten Management könnten schon bald wieder harte Hunde gefragt sein.
Natürlich profitierten in den letzten fünf Jahren nicht alle Branchen von der beispiellosen Sonnenscheinperiode. Die deutschen Banken kämpften (und kämpfen noch immer) mit den Folgen der großen Finanzkrise. Einige ihrer Chefs scheiterten auf der ganzen Linie an den großen Herausforderungen – allen voran Anshu Jain und Jürgen Fitschen bei der Deutschen Bank. Auch gab es in einzelnen Konzernen hausgemachte Probleme, die aus Fehlentscheidungen früherer Vorstände resultierten. Das gilt beispielsweise für den Baukonzern Bilfinger oder den Chemiekonzern Lanxess. Doch für die Masse der großen Unternehmen in Deutschland galt in den letzten Jahre die Devise: mit kräftigem Rückenwind lässt es sich sehr viel leichter segeln.
Bayer profitierte von idealen Rahmenbedingungen
Das gilt beispielsweise für Bayer, nach der Börsenbewertung mittlerweile der größte deutsche Konzern, der in den letzten Jahren Erfolg über Erfolg meldete. Viele feiern den jetzigen Vorstandschef Marijn Dekkers deshalb als besten Manager unter allen Dax-30-Granden. Wahr ist: Die Entscheidungen des Niederländers waren so gut wie alle richtig. Wahr ist aber auch: Seit dem 1. Oktober 2010, als Dekkers in Leverkusen übernahm, profitierte der Bayer-Chef von geradezu idealen Rahmenbedingungen. Seine Pharmapipeline war gut gefüllt, schwere Belastungen blieben ihm erspart. Sein Vorgänger Werner Wenning schlug sich dagegen mit dem Pharmaskandal um das Bayer-Medikament Lipobay herum, das Milliardenlücken in die Bilanz des Konzerns riss.
Ob Dekkers auch in schweren Zeiten ein so guter Mann gewesen wäre wie als Schönwettermanager werden wir wohl niemals erfahren. Im nächsten Jahr geht der Bayer-Chef vorzeitig in Pension – auf dem Höhepunkt seiner Erfolge. Schon jetzt kann man bei Bayer, aber auch bei vielen anderen Dax-Konzernen die Prognose wagen: Die Nachfolger der jetzigen Vorstandschefs dürften es erheblich schwerer haben in den nächsten Jahren, Erfolge zu liefern.
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