Der Handelsstreit zwischen USA und China nimmt immer schärfere Züge an. Nun blockiert Peking die Ausfuhr der Halbleiter-Rohstoffe Gallium und Germanium. Die Chinesen dominieren den wichtigen Markt, weshalb auch die Produktion in Deutschland und Europa davon abhängt. Die Geologin Maren Liedtke befasst sich für die Deutsche Rohstoffagentur in der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe mit den Materialien. Sie erklärt, welche Rolle sie spielen – und wie Europa unabhängiger werden könnte.
Capital: Frau Liedtke, in welchen Einsatzgebieten werden Gallium und Germanium gebraucht?
MAREN LIEDTKE: Gallium ist ein klassisches Halbleitermaterial, das in der Chipindustrie eingesetzt wird. Es ist unerlässlich für den Aufbau von 5G-Netzwerken, beim Internet der Dinge, aber auch in der Optoelektronik. Germanium, das auch betroffen ist, spielt vor allem als Halbleiter bei der Herstellung von Elektronikbausteinen, für Glasfaser und im Bereich der Infrarottechnik eine Rolle und ist daher zum Beispiel auch für militärische Anwendungen sehr wichtig.
Wie werden denn diese Materialien gewonnen?
Gallium und Germanium sind klassische Beiprodukte, die bei der Aufbereitung anderer Rohstoffe mitgewonnen werden. Zum Beispiel in der Aluminiumproduktion. Potenziale dafür gibt es reichlich, de facto wird das derzeit aber nur in sehr wenigen Ländern gemacht.
Der Löwenanteil der Produktion entfällt auf China, die Abhängigkeit ist groß. Ließen sich die Materialien nicht auch beispielsweise in Deutschland produzieren?
Prinzipiell ist das bei Gallium und Germanium absolut möglich. Es gab bis 2016 auch eine kleine Gallium-Produktion in Deutschland. Allerdings wurde das Werk geschlossen, weil es schlicht nicht mehr wirtschaftlich war. In anderen Ländern Europas ist es ähnlich. Daher rührt die Abhängigkeit von China.
Wie ließe sich diese Abhängigkeit denn verringern?
Um da rauszukommen, müsste eine eigene Produktion aufgebaut werden. Dies muss nicht zwangsläufig in Deutschland sein. Der Fokus sollte auf einer europäischen Wertschöpfungskette liegen – von der Gewinnung bis zu Recycling. Dafür bräuchte es eine Anschubfinanzierung und gegebenenfalls eine strategische Unterstützung bei wieder fallenden Rohstoffpreisen. Erste Ansätze dafür gibt es ja, zum Beispiel mit dem Deutschen Rohstofffonds.
Das heißt, es ist im Kern ein Problem der Geldgeber?
Eines ist ganz klar: Die Entwicklung neuer Produktionskapazitäten ist kostenintensiv, und zum Schluss muss das Vorhaben im globalen Wettbewerb bestehen. Bei den günstigen Produktionskosten, vor allem in China ist das eine echte Herausforderung. Nur wenige sind bisher bereit eine Prämie zu zahlen, um die Resilienz zu stärken. Vor dem Hintergrund der geopolitischen Spannungen ist das leider eine sehr kritische Entwicklung.
Ersetzen lassen sich die Materialien nicht?
Man könnte Gallium sicherlich zum Teil substituieren. Aber es gibt ja gute Gründe dafür, dass gerade mit diesen Materialien gearbeitet wird. Da geht es letztlich um die Performance des Endprodukts.
Gibt es die Möglichkeit, Gallium oder Germanium zu recyceln?
Ja, und das passiert auch. Was allerdings recycelt wird, ist der Prozess-Schrott, also der Abfall, der bei der Produktion anfällt. Das Gallium im Endprodukt zu recyceln, lohnt sich nicht, weil da viel zu geringe Mengen anfallen. In einem Chip zum Beispiel landen am Ende nur wenige Prozent des ursprünglich in der Herstellung eingesetzten Galliums.
Heißt das, die Unternehmen könnten ihren eigenen Rohstoff aus dem Recycling gewinnen?
Das sind zumindest keine unerheblichen Mengen. Deutsche Unternehmen wie Freiberger Compound Materials sind da auch sehr aktiv und setzten zu einem Großteil recyceltes Material in ihrem Prozess ein. Den Bedarf deckt das aber nur zum Teil, da es natürlich zu Materialverlusten kommt. Die Abhängigkeit von China bleibt.