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Energiewende Uniper sattelt um: So will der Gasriese grün werden

Unipers Steinkohlekraftwerk Datteln 4
Steinkohlekraftwerk Datteln 4, Unipers größter und leistungsstärkster Meiler, wird verkauft
© imago
Vergangenes Jahr stand der Energiekonzern Uniper vor der Pleite, jetzt schreibt er wieder satte Gewinne – und will sich zum klimafreundlichen Energieerzeuger wandeln. Hinter dem Strategiewechsel steckt auch die Bundesregierung

Wer das Düsseldorfer Unternehmen Uniper schon länger kennt, reibt sich in diesen Tagen verblüfft die Augen: Der bislang führende Protagonist einer rückgewandten Energieversorgung will auf einmal dunkelgrün werden. Bislang war der Konzern, 2016 vom Energieriesen Eon abgespalten, vor allem als Fossil-Liebhaber bekannt. Die Manager kauften Gas vor allem in Russland ein und betrieben Kohle-, Gas-, und Ölkraftwerke. Das ermöglichte ihnen bis 2021 ein Leben in Saus und Braus. Mehr noch: Uniper wurde durch die Gasgeschäfte systemrelevant für Deutschland.

Nun plant das Management eine kleine Revolution: Bis 2030 will es 8 Mrd. Euro in die Hand nehmen und das Geschäft auf Erneuerbare Energien umstellen. Das Tempo des Umbaus, das der neue CEO Michael „Mike“ Lewis, ein Brite, vorgibt, überrascht selbst Marktkenner. Schließlich lag Uniper noch vor wenigen Monaten – bildlich gesprochen - auf der Intensivstation.

Um die Pleite zu verhindern, kaufe der Staat fast das ganze Unternehmen

Etwa 19 Mrd. Euro Verlust waren 2022 aufgelaufen. Der Grund: Die Firma hatte Verträge mit rund 1.000 Stadtwerken und Industriebetrieben geschlossen, um sie langfristig mit preiswertem Gas beliefern zu können. Als Russlands Staatschef Wladimir Putin nach dem Angriff auf die Ukraine den Gashahn zudrehte, explodierten die Weltmarktpreise für den Brennstoff teils auf das Zehnfache. Uniper musste plötzlich irgendwo zu teils irrwitzigen Kosten das Gas beschaffen, um seinen vertraglichen Verpflichtungen nachzukommen. Das kostete den Konzern fast den Kopf. Um eine Pleite zu verhindern, übernahm der Staat fast 100 Prozent der Uniper-Anteile; etwa 13,5 Mrd. Euro Rettungssteuergeld flossen seitdem an den Rhein. 

Michael Lewis, Vorstandsvorsitzender von Uniper, bei seiner Rede auf der Halbjahrespressekonferenz der Uniper SE in Düsseldorf.
Michael Lewis, Vorstandsvorsitzender von Uniper, bei seiner Rede auf der Halbjahrespressekonferenz der Uniper SE in Düsseldorf.
© IMAGO / Sven Simon

Vergangene Woche überraschte Lewis mit einer weiteren Botschaft: Uniper schreibt wieder satte Gewinne. Rund 3,7 Mrd. Euro seien im ersten Halbjahr dieses Jahres herausgesprungen. Das dicke Plus ist entstanden, weil der Importpreis für Gas am Weltmarkt viel schneller als erwartet wieder eingebrochen ist. 2022 zahlte Uniper teils über 30 Cent pro Kilowattstunde, inzwischen liegen die Kosten bei rund 2,9 Cent.

Verbraucher profitieren von dem Preisverfall dagegen noch kaum. Sie müssen, zur Freude der Finanzabteilung aller Energieversorger, weiter vergleichsweise sehr hohe Kilowattpreise zahlen; im laufenden Jahr sind es im Durchschnitt 18 Cent. Zudem hat Uniper unter dem Eindruck der Marktentspannung inzwischen erhebliche Rückstellungen aufgelöst, die nach dem Ausfall der russische Gaslieferungen gebildet worden waren.

Im Stromgeschäft verdient Uniper ebenfalls offenbar höchst auskömmlich Geld. Auch hier sind nach einem drastischen Preisanstieg die Beschaffungskosten wieder eingebrochen. Aber auch hier bleibt die Belastung der Verbraucher hoch. Die Stromanbieter verlangen von ihnen im Durchschnitt weiterhin saftige Tarife. Dass die Bundesregierung die Stromkosten durch die Strompreisbremse dämpft, ist unterm Strich kaum mehr als eine Scheinentlastung, denn schließlich fließt auch hier volkseigenes Steuergeld in die Kassen der Konzerne, darunter Uniper.

Unipers Wandel vom Umwelt-Saulus zum Umwelt-Paulus soll umfänglich sein, glaubt man Lewis. Mehr als 80 Prozent der Kraftwerke sollen 2030 CO2-frei produzieren. Schritt für Schritt werden rund sechs Gigawatt Kohlekraftwerke vom Netz gehen, 2029 soll komplett Schluss sein mit der Kohleverstromung. Das große Steinkohlekraftwerk Datteln 4 wird aufgrund von EU-Auflagen verkauft. Und die Gaskraftwerke sollen so umgebaut werden, dass sie nach und nach mit grünem Gas, vor allem mit klimafreundlichem Wasserstoff, laufen könnten.

Zehn Jahre früher will Uniper klimaneutral sein

2040 will Uniper laut dem Chef komplett klimaneutral sein – bislang war das Jahr 2050 angepeilt. Lewis will daher massiv in Solar- und Windkraft investieren. Und in den Gasspeichern des Konzerns soll zunehmend Wasserstoff lagern. Die Aussichten stehen offenbar gut: Für dieses Jahr rechnet Uniper mit einem bereinigten Nettogewinn „in der Größenordnung eines mittleren einstelligen Milliardenbetrags“.

Auffallend oft nutzt Lewis bei seinen in Englisch gehaltenen Vorträgen neuerdings das deutsche Wort „Energiewende“. Das dürfte kein Zufall sein. Ohne Zweifel trägt seine Unternehmensstrategie auch die Handschrift der Bundesregierung, vor allem die des Bundeswirtschaftsministers Robert Habeck.

Ob Uniper den grünen Weg so konsequent gehen würde, wenn der 99-Prozent-Aktionär nicht UBG Uniper Beteiligungsholding GmbH hieße – der Name der Beteiligungsgesellschaft des Bundes –, bezweifeln Börsen- wie Umweltexperten. Andererseits haben auch die anderen Energieriesen, etwa RWE, den ökologischen Umbau angekündigt und eingeleitet. Ohne eine solche Umweltschutz-Story sind international kaum mehr Investoren zu gewinnen oder Börsenerfolge zu erzielen. Der im Frühjahr 2022 dramatisch abgestürzte Uniper-Aktienkurs konnte sich inzwischen wieder ein Stück weit erholen.

Jetzt prüft die Düsseldorfer Unternehmensleitung, ob sie aus dem überraschendem Gewinn bereits einen Teil der Staatshilfen zurückzahlen kann. Vielen Experten geht das nicht weit genug. Wieso prüfen? Sie seien dazu verpflichtet, die Steuerzahler hätten ein Recht darauf! Die Bundesregierung ist auf jeden Fall erleichtert, dass sich ein Ausweg aus einem Dilemma anbahnt. Denn sie muss Uniper wieder loswerden. Laut EU-Vorgabe darf der Staat 2028 nur noch maximal 25 Prozent plus eine Aktie an dem Konzern halten.

Der Beitrag ist zuerst bei stern.de erschienen

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