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Ökonom Jens Südekum „Die Gasumlage macht aus meiner Sicht keinen Sinn mehr“

Die Fassade der Uniper-Zentrale in Düsseldorf. 
Die Fassade der Uniper-Zentrale in Düsseldorf. 
© IMAGO / wolterfoto
Deutschlands größter Gasimporteur Uniper wird verstaatlicht. Für den Düsseldorfer Wettbewerbsökonom Jens Südekum entfällt damit aber auch der Sinn für eine Gasumlage 

Die Bürger werden jetzt zweimal zur Kasse gebeten: einmal als Gaskunde, einmal als Steuerzahler. Wie beurteilen Sie die Entscheidung zur Verstaatlichung von Uniper und das Festhalten an der Gasumlage?

JENS SÜDEKUM: Durch die hundertprozentige Staatsbeteiligung an Uniper ist erst mal Ruhe eingekehrt am Gasmarkt. Von daher ist es richtig, dass die Bundesregierung Uniper stabilisiert. Die Gasumlage ist eine andere Geschichte. Ich gehe ehrlich gesagt davon aus, dass die Umlage verschwindet. 

Warum?

Die Gasumlage macht aus meiner Sicht keinen Sinn mehr. Zweidrittel der Mittel aus der Umlage würde Uniper bekommen. Beim restlichen Drittel ist mit der Gazprom Germania, heute SEFE, ein weiteres Unternehmen dabei, bei dem der Staat schon die treuhänderische Verwaltung hat. Und dann sind noch die Trittbrettfahrer dabei, die das Geld gar nicht bekommen sollten. Wenn die Umlage Bestand haben soll, muss sie stark reduziert werden. Es wäre besser, die Verluste von Uniper aus dem Bundeshaushalt zu decken.

Was wäre anstelle der Gasumlage sinnvoll? 

Denkbar wäre ein Preisdeckel für den Grundverbrauch, der sich über den Bundeshaushalt finanziert, entweder über Kredite oder Steuererhöhungen. Diese wären denkbar in Form von einem Solidaritätsbeitrag, einer reformierten Erbschaftssteuer oder einer Übergewinnsteuer bei den Unternehmen. So würden alle Steuerzahler in die Pflicht genommen und nicht nur die Gaskunden. 

Warum befindet sich Uniper überhaupt in einer so schwierigen Lage? Die Regierung hat erst vor zwei Monaten ein Rettungspaket für das Unternehmen geschnürt. 

Seit dem ersten Rettungspaket im Juli hat sich die Situation dramatisch verändert: Putin hat die Lieferungen durch Nord Stream 1 eingestellt. Nun steht das Unternehmen komplett auf der Kippe. Es fließt gar kein Gas mehr durch Nord Stream 1. Uniper muss nun den gesamten Gasbedarf auf dem teuren Spotmarkt einkaufen, kann die Preise aber nicht unmittelbar weitergeben, weil es vertraglich an günstige Verkaufspreise gebunden ist. Damit ist klar, dass das Geschäftsmodell nicht funktioniert. 

Gab es eine realistische Alternative zur Verstaatlichung?

Es hätte prinzipiell noch die Möglichkeit gegeben, dass Uniper die höheren Preise bei den Stadtwerken und bei den Privathaushalten durchreicht. Damit hätte man aber großes Chaos am Gasmarkt erzeugt, denn die Konsequenz wären schockartig gestiegene Preise und Zahlungsprobleme.

Das Problem der hohen Gaspreise auf dem Spotmarkt wird aber erst mal durch die Verstaatlichung nicht verschwinden.

Das stimmt. Die hohen Gaspreise werden jetzt aber vom Bund getragen. Die Frage ist, wie der Bund mit den auflaufenden Schulden umgeht. Aber zumindest ist damit der akute Schock kurzfristig abgefedert. 

Der Düsseldorfer Ökonom Jens Südekum meint, dass die Gasumlage unter den neuen Umständen – Uniper wird verstaatlicht – keinen Sinn mehr macht
Der Düsseldorfer Ökonom Jens Südekum meint, dass die Gasumlage unter den neuen Umständen – Uniper wird verstaatlicht – keinen Sinn mehr macht
© IMAGO/IPON

Fortum, der finnische Mutterkonzern von Uniper, beziffert die Verluste seit Beginn des Krieges auf 8,5 Mrd. Euro. Welche Risiken geht die deutsche Regierung mit der Verstaatlichung ein? 

Die Bundesregierung hat das Risiko von Uniper komplett auf den eigenen Büchern. Das Geschäftsmodell ist in einer Schieflage. Es wird sich etwas entspannen im Laufe der Zeit, weil Uniper irgendwann die Verträge anpassen kann. Dadurch steigen wieder die Einnahmen. Aber es wird trotzdem ein defizitäres Geschäft bleiben. Uniper war es lange gewohnt, sehr billig Gas aus Russland einzukaufen und billig zu verkaufen. Das wird in dieser Form nie wieder so funktionieren. 

Wie soll der Staat perspektivisch wieder aussteigen, wenn das Geschäftsmodell ohne staatliche Beteiligung nicht mehr funktioniert? 

Uniper hat einen großen Teil seines Geschäftsmodells auf den Import von Gas aus Russland ausgerichtet. Aber es gibt auch andere Geschäftsbereiche. Sie sind an den neuen LNG-Terminals beteiligt, sie haben Wasserkraftwerke, sie haben jetzt auch Kernkraftwerke. Die Frage ist also, ob Uniper wieder ein attraktives Geschäftsmodell entwickeln kann, um jenseits des russischen Gases wieder Gewinne zu machen. Das ist die Hoffnung, die die Bundesregierung im Moment hat: In dieser Krisensituation billig hineinzugehen, um das Unternehmen am Ende wieder verkaufen zu können. Dann hoffentlich sogar mit Gewinn.

… wie es vor Kurzem bei der Lufthansa der Fall war. Sind die beiden Fälle vergleichbar?

Lufthansa war ein Unternehmen mit einem sehr gut funktionierenden Geschäftsmodell. Dann kam die Pandemie, plötzlich durfte man nicht mehr fliegen. Das Geschäftsmodell war sofort am Boden und der Staat ist eingesprungen. In der jetzigen Lage der Pandemie hat sich das Geschäftsmodell erholt und funktioniert wieder. Bei Uniper ist es anders, denn ein bisheriger Kernbereich, Gas aus Russland zu importieren, den wird es nicht mehr geben. Die Frage ist jetzt, ob Uniper sich umbauen und perspektivisch allein mit anderen Geschäftsfelder wie LNG, Wasserkraft, erneuerbare Energien oder sogar Atomkraft überleben kann. Das wird bestimmen, ob und wie schnell Uniper wieder aus der Krise kommt. Ob es dem Bund irgendwann gelingt, die Beteiligungen wieder mit Gewinn zu verkaufen, ist heute überhaupt nicht absehbar.

Uniper ist nicht der einzige Gaskonzern, der in Schwierigkeiten steckt. Jetzt meldet auch VNG Probleme. Kann es sich die Bundesregierung leisten, noch einen weiteren Konzern zu verstaatlichen?

Die Frage ist, wie viel sie sich leisten muss. Natürlich kostet es etwas, zu handeln. Aber wenn man nicht handelt und der Gasmarkt zusammenbricht, würde es viel mehr kosten. Die Verstaatlichung von Uniper beruhigt die Lage erst einmal. Aber VNG spielt natürlich auch eine wichtige Rolle. Ich will also nicht ausschließen, dass sich der Staat dort auch stärker engagiert. 

Ist es in diesem Fall überhaupt realistisch, dass die FDP an der Schuldenbremse festhalten möchte? 

Ich weiß nicht, wie das funktionieren soll. Wir stehen an der Schwelle zu einer schlimmen Rezession, weil Leute wegen der hohen Gas- und Energiepreise ihren sonstigen Konsum runterfahren. Die kleinen und mittelständischen Unternehmen wissen auch nicht, wie sie ihre Rechnungen bezahlen sollen. Hier müssen auch Hilfspakete geschnürt werden. Das Ganze summiert sich auf hohe zweistellige Milliardenbeträge, wenn nicht dreistellig - das Paket für Uniper ist nur ein Puzzlestein davon. Da fehlt mir also die Fantasie, wie diese akute Wirtschaftskrise mit der Schuldenbremse bewältigt werden soll.

Wird aus der Energiekrise jetzt eine Wirtschaftskrise?

Die Rezession ist nicht mehr aufzuhalten, das ist einfach die Realität. Ich glaube, diese Erkenntnis ist noch nicht bei allen angekommen. Die nächsten sechs Monate werden wirklich schlimm. Man muss sich jetzt kraftvoll gegen diese Rezession stemmen. Deshalb ist die Verstaatlichung von Uniper schon mal ein richtiger Schritt - und zeigt, dass der Staat in der Lage und willens ist, kraftvoll zu handeln. 

Dieser Beitrag is zuerst auf ntv.de erschienen. 

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