Ukrainische Wirtschaft „Wir versuchen, einen kühlen Kopf zu bewahren“

Blick auf die Altstadt Lembergs am 23. Februar
Blick auf die Altstadt Lembergs am 23. Februar
© IMAGO / ZUMA Wire
Auf einmal herrscht Krieg – und das Geschäft soll weitergehen: Die ukrainische Entwicklerfirma Lemberg Solutions hat viele deutsche Kunden und muss nun in den Notfallmodus schalten. Olga Lysak berichtet aus dem Innenleben eines Unternehmens in der Krise

Die Entwicklerfirma Lemberg Solutions mit Hauptsitz im gleichnamigen Ort im Westen der Ukraine hat sich auf Künstliche Intelligenz, das Internet of Things und Mobile-Entwicklung spezialisiert. Zu den Kunden gehören deutsche Start-ups und Mittelständler. Das Unternehmen beschäftigt 160 Mitarbeiter an drei Standorten.

Olga Lysak baut von Hamburg aus das Deutschlandgeschäft auf. Das Interview führt sie über ihr Handy, während sie gerade auf dem Weg zu einer Demonstration vor dem russischen Konsulat ist.

Olga Lysak vertritt Lemberg Solutions in Deutschland
Olga Lysak vertritt Lemberg Solutions in Deutschland
© PR

CAPITAL: Frau Lysak, wie geht es Ihren Kolleginnen und Kollegen in der Ukraine? Hat das Unternehmen zu allen Kontakt?

OLGA LYSAK: Ja, und zum Glück wissen wir, dass es – soweit man das im Moment sagen kann – allen gut geht. Auch den beiden Mitarbeitern, die in der Nähe von Militärstützpunkten leben. Wir haben jetzt komplett auf Homeoffice umgestellt, niemand soll mehr ins Büro kommen. Viele Straßen sind verstopft und es ist einfach sicherer, zu Hause zu bleiben. Und niemand weiß ja, was noch kommt. Für diejenigen, die ihre Wohnungen verlassen wollen, hat Lemberg Solutions außerdem Unterkünfte im Westen der Ukraine angemietet. Das ist Teil des Notfallplans, den wir schon vor Wochen erarbeitet haben.

Allerdings gibt es nun, anders als erwartet, auch in der westlichen Ukraine Angriffe.

Das hat uns sehr überrascht, niemand hatte damit gerechnet. Wir gehen trotzdem davon aus, dass die westlichen Gebiete immer noch die sichersten im Land sind, weil sie nah an der NATO-Grenze liegen, und hoffen, dass unsere Mitarbeiter von dort aus sicher arbeiten können.

Ist denn in der Ukraine im Moment überhaupt an Arbeit zu denken?

Familie und Sicherheit gehen vor, das hat gerade absolute Priorität. Alle, die sich darum kümmern müssen, sollen das natürlich erst einmal tun. Grundsätzlich versuchen wir aber, einen kühlen Kopf zu bewahren und so normal wie möglich weiterzumachen. Wir hatten heute Morgen zum Beispiel wie immer unsere Online-Meetings. Auch wenn nicht alle dabei waren. Fällt jemand aus, springen Kollegen ein. Die Kunden sollen so wenig wie möglich spüren. Unsere Aufträge laufen weiter.

Warum ist das in dieser Situation so wichtig für das Unternehmen?

Das Schlimmste wäre, wenn jetzt auch wirtschaftlich alles zusammenbricht. Es ist für uns und für die ganze Ukraine sehr wichtig, dass unsere Geschäftspartner zu uns halten. Deswegen haben wir heute Morgen eine Nachricht an unsere Kunden geschickt und sie darüber informiert, dass das Team und die Familien in Sicherheit sind, dass das Internet und die Stromversorgung stabil sind. Unsere Entwickler müssen schließlich weiter Geld verdienen und ihre Familien ernähren.

Sie kommen selbst aus der Ukraine, ihre Eltern leben in Lemberg. Welche Nachrichten bekommen Sie von Ihrer Familie?

Sie waren sehr überrascht von den Angriffen, natürlich sind sie aufgewühlt und verwirrt. Aber sie sagen, dass sie durchhalten werden.

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