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Finanzevolution Trotzen Challenger-Banken der Krise?

Symbolbild N26
Symbolbild N26
© Getty Images
Challenger-Banken fordern die traditionellen Kreditinstitute heraus. Bis sie sich auf Augenhöhe bewegen, wird es aber noch dauern. Und dann sind da ja auch noch die unkalkulierbaren Folgen der Corona-Krise

Seit meiner letzten Kolumne hat sich die (Finanz-)Welt fundamental verändert. Die Corona-Pandemie bestimmt nicht nur die Schlagzeilen, sondern beeinflusst mittlerweile umfassend unser Arbeits- und Privatleben. Auch wenn manches dafür spricht, dass es nicht so schlimm wird, wie das manche Apokalyptiker ausmalen, kann doch niemand angesichts der komplexen Wechselwirkungen der Pandemie zwischen Erkrankten, der Realwirtschaft und dem Finanzwesen, wirklich vorhersagen, was passiert. Reichen die bisher ergriffenen Maßnahmen aus und wie soll die Ökonomie anschließend wieder anspringen?

Schon fast prophetisch passt zu der aktuellen Lage das Mitte März von US-Ökonom und Nobelpreisträger Robert Shiller in deutscher Übersetzung erschienene Buch „Narrative Wirtschaft“. Darin befasst sich Shiller mit dem Einfluss von Narrativen auf wirtschaftliches Verhalten. Ein ökonomisches Narrativ ist für Shiller „eine ansteckende Story, die das Potenzial hat, den Prozess wirtschaftlicher Entscheidungen von Menschen zu verändern – wie die Entscheidung, einen weiteren Arbeiter einzustellen oder auf bessere Zeiten zu warten, etwas zu riskieren oder im Geschäft vorsichtig zu sein, ein Unternehmen zu gründen oder in eine hochspekulative Anleihe zu investieren.“

So ist für Shiller etwa die Idee, dass Gold das sicherste Investment sei, ein beliebtes Narrativ , das sich mit Geschichten über Krieg und Wirtschaftskrisen verbindet. Ausführlich befasst er sich mit der Bitcoin-Story, die bereits für beträchtliche ökonomische Veränderungen in vielen Teilen der Welt sowie für anhaltend hohe Investitionen sorgt. Shiller sagt übrigens nicht, dass Narrative verrückte Spinnereien ohne Grundlage seien.

Challenger-Banken: modern und kundenorientiert

Narrative Epidemien ahmen im Grunde die Epidemien von Krankheiten nach. Shiller greift für die Erklärung vom Entstehen, Verbreiten und Verschwinden von ökonomischen Narrativen daher auf die Erkenntnisse der Epidemiologie zurück, also der Wissenschaft von der Entstehung, Verbreitung, Bekämpfung und den sozialen Folgen von Epidemien, zeittypischen Massenerkrankungen und Zivilisationsschäden. Er verwendet in seinen Erklärungen viele Begriffe, die uns aus der Corona-Krise mittlerweile geläufig geworden sind wie Ansteckungsrate, Quarantäne, Erholungsrate und viele mehr. Shiller jedenfalls hält es für erforderlich, dass Phänomen der Narrative, das sich nicht aus der ökonomischen Theorie ableiten lässt, für Vorhersagen und die Wirtschaftspraxis zu verwenden.

Zu den Lieblingsnarrativen über den digitalen Wandel der Finanzwirtschaft gehören die sogenannten Neo- oder auch Challenger-Banken. Diese Herausforderer (englisch Challenger) gelten als modern und kundenorientiert und fordern die etablierten Banken durch Angebote heraus, „die hochgradig digital sind, neue Kundenservicekanäle, neue Prozesse und / oder einen hohen Grad an Personalisierung aufweisen, der die Vorteile neuer Technologien nutzt“. ( Payment and Banking .)

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Die jungen Finanzdienstleister verfügen über keine Geschäftsstellen und nutzen vorwiegend digitale Vertriebskanäle, insbesondere das Smartphone, um Bankdienstleistungen, wie z.B. Girokonten, Sparkonten, Kredite, Versicherungen und Kreditkarten anzubieten. Sie zeichnet ebenfalls aus, dass sie nicht alle Dienstleistungen selbst erstellen, sondern neue Produkte über die API-Integrationen (Anbindung über standardisierte Programmierschnittstellen) von anderen Finanztechnologie-Unternehmen (= Fintechs) übernehmen. Der Kunde merkt dabei in der Regel nicht, dass die Leistungen von einem Drittunternehmen stammen. Das Look and Feel bleibt einheitlich. So führt etwa die deutsche Vorzeige-Challenger-Bank N26 Auslandsüberweisungen nicht selbst durch, sondern nutzt unter der eigenen Benutzeroberfläche die Dienste des britischen Fintechs Transferwise .

Revolut - wertvollstes Fintech in Großbritannien

Vor der Corona-Krise hat sich in den letzten Monaten die Dynamik rund um die Finanzierung von Challenger-Banken beschleunigt. So hat die britische Neobank Revolut im Februar 500 Mio. US-Dollar von Investoren eingesammelt , die zu einer Unternehmensbewertung von 5,5 Mrd. US Dollar (etwa 5,1 Mrd. Euro) führen. Das macht das Unternehmen zum wertvollsten Fintech in Großbritannien . Zum Vergleich: Der Marktwert der börsennotierten Commerzbank schwankt derzeit um die 4,5 Mrd. Euro.

Zu den Angeboten von Revolut gehören neben einem per Smartphone App gesteuertem Girokonto eine Geldkarte, Reisegeld, der Handel mit Aktien und Kryptowährungen. Schon etwas länger arbeitet das britische Fintech am Antrag für eine britische Banklizenz , die es dem Unternehmen ermöglichen soll, geschützte Einlagen und Kreditdienstleistungen anzubieten. Bisher hat das Start-up nach Medienberichten eine spezialisierte Banklizenz der litauische Bankenaufsicht nach der es zwar keine eigenen Investmentprodukte anbieten darf, aber Kredite vergeben und Einlagen halten kann.

Monzo, ebenfalls eine neue Bank mit Sitz in Großbritannien, ist hier bereits etwas weiter. Das ebenfalls britische Unternehmen, das Konto- und Finanzierungsleistungen für Privatpersonen und Geschäftskunden anbietet, hat nach eigener Darstellung bereits eine Banklizenz für das Einlagengeschäft.

N26 scheitert auf der Insel

Kaum noch vorstellen muss man wohl die 2013 gegründete und in Berlin beheimatete Smartphonebank N26 , die nach eigenen Angaben die Dienstleistungen bereits in 24 europäischen Ländern anbietet und über fünf Millionen Kunden zählt. Die Nummer eins der deutschen Neobanken hat sich aber ausgerechnet aus Großbritannien wieder zurückgezogen und begründet den Rückzug mit dem Brexit . Der Fachnewsletter Finanz-Szene sieht die Gründe eher darin, dass N26 in England aufgrund der starken Konkurrenz nie richtig Fuß fassen konnte.

Die britische Research Firma FT Partners analysiert in einer aktuellen Studie 42 Challenger-Banken und dokumentiert eine Fülle von Beteiligungstransaktionen in dem Sektor. Eine Erkenntnis aus der Studie ist, dass sich die Institute nicht auf ihr eigenes Herkunftsland beschränken, sondern relativ zügig international expandieren. Eine besondere Herausforderung haben sich die drei oben vorgestellten Institute mit dem US-Markt vorgenommen. Hier glaubt man vor allem punkten zu können, weil insbesondere in den USA für Finanzdienstleistungen immer noch viele versteckte und hohe Gebühren gezahlt werden und viele Kunden durch schlechte Erfahrungen im Bankwesen frustriert seien, wie N26-CEO Valentin Stalf gegenüber dem Fachdienst altfi sagte.

Die Unternehmensberatung Boston Consulting Group hat herausgefunden, dass 2018 33 Prozent aller neuen Konten in Deutschland bei Digital- oder Direktbanken eröffnet wurden (siehe Global Retail Banking Report ). Während die Challenger-Banken sich immer stärker ausbreiten, reagieren traditionelle Finanzinstitute mit unterschiedlichen Strategien. Eine davon ist, mit eigenen Fintech-Marken ebenfalls die internationale Expansion zu suchen. So startete etwa die US-Bank Goldman Sachs Ihren Ableger Marcus mit Online-Krediten und Sparkonten.

Viele Challenger-Banken arbeit nicht profitabel

Die spanische BBVA Bank hat 2016 den finnischen Bankdienstleister Holvi erworben, der das Prinzip der Challenger-Banken auf den Markt für Geschäftskunden überträgt. Die BBVA hatte bereits 2019 angekündigt , dass Holvi nach Irland, Italien, Belgien, Frankreich und die Niederlande expandieren soll. Den deutschen Markt bedient das Unternehmen bereits mit einer Zweigniederlassung in Berlin .

Nach einer Analyse der niederländischen Fintech Consultancy Group von über 150 Challenger-Banken weltweit, verfügen diese zwar mittlerweile über einen Stamm von über 200 Millionen Kunden, arbeiten aber zum größten Teil nicht profitabel . Das liegt u.a. an der aggressiven Preisgestaltung aber auch daran, dass trotz der großen Kundenanzahl darunter ein beträchtlicher Anteil inaktiver Kunden ist, die die Dienste nur als Zweitkonten in Anspruch nehmen. Daneben seien die Angebote der meisten Challenger Banken eingeschränkt und umfassen im Normalfall nur einen Teil der Dienstleistungen etablierter Banken.

Der Fokus der Challenger-Banken liegt freilich derzeit nicht auf Ertragssicherung sondern auf Wachstum. Dazu investieren die Institute kräftig in Marketing und viele, jedoch längst nicht alle, sind gut finanziert . Allerdings kämpfen sie mittlerweile ebenfalls mit branchentypischen Problemen (Stichworte sind etwa Geldwäsche-Kontrolle und Kundenservice ).

Folgen der Corona-Krise sind schwer abschätzbar

Ob die Neobanken den traditionellen Banken trotz oder vielleicht sogar wegen der gegenwärtigen Corona-Krise näher rücken, lässt sich heute schwer einschätzen. Der N26 Finanzchef Maximilian Tayenthal glaubt gar , die Krise könne sich positiv auf das Unternehmen auswirken. Tayenthal geht davon aus, dass mehr Menschen ein Online-Konto eröffnen, weil immer mehr Filialen wegen der Corona-Krise zumachen.

Ein Vorteil der meisten Institute in der aktuellen Krise könnte sein, dass sie ihr Geld vorwiegend im Provisionsgeschäft verdienen und relativ wenig über die Vergabe von Kredite (siehe hier z.B. die Analyse von Finanz-Szene für N26 ). Während also traditionelle Kreditbanken durch den Konjunktureinbruch hohe Abschreibungen auf Kredite erwarten, könnten die Einbußen bei den Neobanken auf vorübergehend verringerte Provisionseinnahmen beschränkt bleiben.

Der eingangs erwähnte Robert Shiller schreibt in seinem Buch, dass ansteckende Narrative oft über Metaphern funktionieren, weil das menschliche Hirn dazu neigt, sich um Metaphern zu organisieren. Der Begriff Challenger ist eine solche Metapher, die unterstellt, dass sich die Challenger-Banken auf Augenhöhe mit den traditionellen Banken befinden. Nimmt man aber bankübliche Maßstäbe wie Bilanzsumme, Erträge oder Mitarbeiterzahlen als Maßstab, dann ist der Weg für einen wirklichen Herausforderer noch weit. Hält allerdings das Wachstum an, verbessert sich die Qualität und können weitere Geschäftsfelder erschlossen werden, dann können so mittel- bis langfristig auch weitere Ertragsmöglichkeiten gehoben werden. Es erscheint nicht unrealistisch, dass zumindest einige der Challenger-Banken traditionelle Häuser verdrängen werden.

Capital-Kolumnist Dirk Elsner
Capital-Kolumnist Dirk Elsner

Dirk Elsner ist bei der DZ Bank Senior Manager Innovation und Digitalisierung. In dieser Kolumne äußert er seine private Meinung. 2008 hat er das private Wirtschaftsblog BlickLog gegründet, das mehrfach ausgezeichnet wurde. Hier finden Sie weitere Kolumnen aus der Reihe Finanzevolution

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