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Kolumne Thyssenkrupp und die unheimliche Macht an der Ruhr

Capital-Kolumnist Bernd Ziesemer
Capital-Kolumnist Bernd Ziesemer
© Martin Kress
Vom Verkauf der Aufzugssparte von Thyssenkrupp profitiert vor allem einer: die RAG-Stiftung. Es ist Zeit für eine Debatte über ihre merkwürdige Rolle in Nordrhein-Westfalen

Die neuen Eigentümer der Aufzugssparte von Thyssenkrupp sind nicht gekommen um zu bleiben. Jedenfalls nicht die beiden größten Geldgeber des 17,5-Milliarden-Deals : die Finanzinvestoren Advent und Cinven. Ihr Geschäftsmodell lautet seit jeher: Firmen kaufen, durchschütteln, ihren Wert steigern und sie nach drei bis fünf Jahren mit hohem Gewinn wieder zu verkaufen.

Ganz anders ihr wichtigster Partner, die RAG-Stiftung in Essen: Sie sieht das Aufzugsgeschäft mit seinen stabilen Serviceerträgen als geradezu ideale Ergänzung ihres Portfolios. Und weil das so ist, kann man schon jetzt die Prognose wagen: In einigen Jahren, wenn sich die Finanzinvestoren zurückziehen, dürfte die Stiftung einen noch größeren Anteil an Thyssenkrupp Elevators halten als jetzt schon.

Die RAG-Stiftung ist aber schon jetzt ein wichtiger Faktor in der Wirtschaft. Sie hält immerhin 58,9 Prozent an Evonik, dem viertgrößten deutschen Chemiekonzern. Ihr gehören 30 Prozent an der Vivawest GmbH, die mit 120.000 Wohnungen zu den größten Immobilienunternehmen in Deutschland gehört. Außerdem ist sie Alleineigentümer der RAG, die zwar ihren Steinkohlebergbau eingestellt hat, aber nach wie vor zahlreiche unternehmerische Interessen verfolgt – zum Beispiel als Projektentwickler bei der Umwandlung von alten Zechenflächen in Industriegebiete. Hinzu kommen Beteiligungen an vielen kleineren Unternehmen, die mindestens mehrere Hundert Millionen Euro wert sind, wenn nicht mehr.

„Die unkontrollierte Macht an der Ruhr“

Was sich Stiftung nennt, ist wirtschaftlich gesehen die Holding eines Mischkonzerns von beachtlicher Größe. Und seine Bedeutung erhöht sich mit der Aufzugssparte von Thyssenkrupp in den nächsten Jahren wahrscheinlich erheblich. Manche sprechen schon jetzt zu Recht von der „unheimlichen Macht an der Ruhr“.

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Besser noch wäre vielleicht der Begriff „die unkontrollierte Macht an der Ruhr“. Denn die Corporate Governace in der Stiftung entspricht nicht mehr ihrer wirtschaftlichen Bedeutung. Den Vorstand bilden zwei Männer und eine Frau im Rentenalter, die nicht gerade als ausgewiesene Profi-Investoren gelten können – genau das ist aber ihre Rolle. Einen richtigen Aufsichtsrat gibt es nicht. Stattdessen wirkt ein Kuratorium mit zwölf Mitgliedern, in dem aktive und ehemalige Politiker aus den Reihen der CDU und der SPD sowie mit ihnen eng verbundene Gewerkschafter über eine Zwei-Drittel-Mehrheit verfügen. Offiziell soll dieses Gremium die „politische und gesellschaftliche Einbindung der RAG-Stiftung sicherstellen“. Kontrolle steht mit anderen Worten, anders als in einem normalen Aufsichtsrat, nicht an erster Stelle.

Zum Großinvestor mutiert

Als die RAG-Stiftung im Juni 2007 das Licht der Welt erblickte, gingen die Gründer von einer sehr beschränkten Veranstaltung aus. Sie sollte lediglich dafür sorgen, die Gewinne aus der Mehrheitsbeteiligung an der früheren Tochter Evonik umzuschichten, um damit dann die sogenannten Ewigkeitskosten im Bergbau zu begleichen. Man ging damals davon aus, dass gerade genug Geld hereinkommen würde, um die anfallenden Kosten in den stillgelegten Zechen zu bezahlen.

Niemand rechnete ernsthaft damit, dass die Stiftung schon bald über Hunderte von Millionen Euro an überschüssigem Kapital verfügen würde – und so zum Großinvestor mutieren könnte. Genau das ist aber in den letzten Jahren geschehen – vor allem durch die äußerst erfolgreiche Arbeit des jüngst verstorbenen Architekten der ganzen Konstruktion: Werner Müller. Eine Anpassung der ganzen Organisation an die neue Rolle der RAG-Stiftung ist aber spätestens seit seinem Tod überfällig.

Bernd Ziesemer ist Capital-Kolumnist. Der Wirtschaftsjournalist war von 2002 bis 2010 Chefredakteur des Handelsblattes. Anschließend war er bis 2014 Geschäftsführer der Corporate-Publishing-Sparte des Verlags Hoffmann und Campe. Ziesemers Kolumne erscheint jeden Montag auf Capital.de . Hier können Sie ihm auf Twitter folgen .

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