Das abgelaufene Geschäftsjahr lief bei Thyssenkrupp alles andere als gut. Unterm Strich steht ein Verlust in Milliardenhöhe. Der neue Thyssenkrupp-Chef Miguel Lopez wirbt deshalb für ein Joint Venture der Stahlsparte mit der Holding EPH des tschechischen Milliardärs Daniel Kretinsky. Thyssenkrupp benötige für die geplante Umstellung auf eine klimaneutrale Produktion große Mengen an erneuerbaren Energien, sagte Lopez auf der Bilanzpressekonferenz in Essen. „Deshalb führen wir konstruktive und ergebnisoffene Gespräche mit dem Energieunternehmen EPH.“
Die Stahlsparte bekäme im Fall einer Partnerschaft Planungssicherheit und langfristig Zugang zu erheblichen Mengen an Ökostrom und Wasserstoff. „Die konkrete Ausgestaltung eines solchen Joint Ventures ist Gegenstand der aktuellen Verhandlungen.“
Milliarden-Verluste
Milliardenschwere Abschreibungen auf das Stahlgeschäft drückten den Industriekonzern im vergangenen Geschäftsjahr tief in die roten Zahlen. Unter dem Strich schlug 2022/23 (30. September) ein Nettoverlust von rund 2 Mrd. Euro zu Buche. Die Wertberichtigungen auf das Anlagevermögen der Tochter Steel Europe bezifferte Thyssenkrupp auf 2,1 Mrd. Euro. Die Abschreibungen seien wegen des konjunkturbedingt eingetrübten Umfelds sowie wegen höherer Kapitalkosten nötig geworden, hieß es.
Thyssenkrupp hatte ursprünglich einen „mindestens“ ausgeglichenen Jahresüberschuss in Aussicht gestellt, nach einem Gewinn von 1,2 Mrd. Euro im Vorjahreszeitraum. Aktionäre sollen dank eines deutlich verbesserten Mittelzuflusses dennoch eine unveränderte Dividende in Höhe von 15 Cent je Aktie erhalten.
Das Problem für Thyssenkrupp sind vor allem sinkende Stahlpreise und gleichzeitig gestiegene Rohstoff- und Energiekosten. Sie belasten das um Sondereffekte bereinigte Ergebnis vor Zinsen und Steuern (Ebit), das von knapp 2,1 Mrd. auf 703 Mio. Euro sank. Der Umsatz ging um neun Prozent auf 37,5 Mrd. Euro zurück.
Standorte und Stellen sollen erhalten bleiben
Personalvorstand Oliver Burkhard hob die Vorteile eines solchen Bündnisses mit EPH hervor. „Die Auswirkungen für die Beschäftigten wären überschaubar.“ Steel Europe würde neben Thyssenkrupp einen weiteren Gesellschafter bekommen. Alle bestehenden Tarifverträge, alle Vereinbarungen zur Beschäftigungs- und Standortsicherung sowie alle sonstigen Vereinbarungen im Bereich der betrieblichen Mitbestimmung blieben unberührt. EPH-Chef Kretinsky unterstütze dies und sei darüber mit den Arbeitnehmervertretern direkt im Austausch.
Vorstandschef Lopez wollte sich nicht zu einem Zeitrahmen der Verhandlungen mit EPH äußern. Diese würden aber noch einige Zeit dauern. Für das mögliche Joint Venture gelte weiter das Modell einer Eigentümerschaft von 50:50. Sollten die Gespräche scheitern, habe Thyssenkrupp einen Plan B. Wie der aussehe, wolle er nicht sagen. Insidern zufolge gehören die hohen Pensionsverpflichtungen zu den schwierigsten Fragen. Diese betragen im Stahlbereich dem Konzern zufolge 2,6 Mrd.Euro.
Hoffen auf bessere Aussichten
Im neuen Geschäftsjahr will Thyssenkrupp wieder in die Gewinnzone zurückkehren. So erwartet das Unternehmen einen Jahresüberschuss im niedrigen bis mittleren dreistelligen Millionen-Euro-Bereich. Dabei geht das Management um Konzernchef Miguel López von einem anhaltend schwierigen konjunkturellem Umfeld aus. Das bereinigte Ebit soll auf einen hohen dreistelligen Millionen-Euro-Betrag steigen, den Umsatz sieht Thyssenkrupp leicht wachsen.
Den am Markt viel beachteten Free Cashflow Before M&A verbesserte der Konzern auf 363 Mio. Euro nach einem Minus von 476 Mio. Euro. Händlern zufolge ist das ein Grund für das Plus der Aktie von rund sieben Prozent am Mittwoch. „Die Zahlen zeigen, dass wir bei der Transformation von Thyssenkrupp trotz des schwierigen Umfelds vorangekommen sind, aber weiter hart an der Verbesserung der Performance unserer Geschäfte arbeiten müssen“, betonte Lopez. Er setzt dabei unter anderem auf sein Programm APEX, mit dem er die Performance des Unternehmens verbessern will.
Die konjunkturanfällige Stahlsparte steht seit Jahren immer wieder zur Disposition. Im vergangenen Geschäftsjahr ging der um Sondereffekte bereinigte Gewinn vor Zinsen und Steuern (Ebit) des Bereichs unter anderem wegen niedrigerer Preise für den Werkstoff bei gleichzeitig hohen Energiekosten auf 320 Mio. Euro zurück von 1,2 Mrd. vor Jahresfrist.