Die EU-Kommission sagt chinesischen Billighändlern wie Temu und Shein den Kampf an: Auf jedes importierte Paket sollen künftig 2 Euro Bearbeitungsgebühr aufgeschlagen werden. Das kündigte EU-Handelskommissar Maroš Šefčovič am Dienstag an. Es gehe darum, die Arbeit der Zollbeamten zu kompensieren, sagte Šefčovič im EU-Parlament. Zuerst hatte die „Financial Times“ darüber berichtet.
Dort rennt der Kommissar mit seinem Vorschlag offene Türen ein. „Wir sind mit einer Flut von einzelnen Paketen konfrontiert, die Zoll und Marktüberwachung längst nicht mehr unter Kontrolle haben“, sagte Anna Cavazzini (Grüne), Vorsitzende des Binnenmarktausschusses, zu Capital. „Das Phänomen der Einzelpakete mit niedrigstem Wert ist jung und wächst durch Billigst-Marktplätze wie Shein und Temu unaufhörlich. Unser europäisches System aus Zoll und Marktüberwachung war nie darauf ausgelegt.“
Kommission richtet sich gegen das Geschäftsmodell von Temu und Co.
Konkret geht es um kleine Pakete bis zu einem Warenwert von 150 Euro, die direkt zum Konsumenten geliefert werden. Laut EU wurden davon im vergangenen Jahr rund 4,6 Milliarden Stück nach Europa importiert – dreimal so viel wie noch im Jahr 2022. 90 Prozent kommen laut „Financial Times“ aus China. Auf solche Pakete sollen die 2 Euro Bearbeitungsgebühr fällig werden. Wird ein Paket in ein Warenhaus geliefert, sind es nur noch 0,5 Euro pro Paket. Den Aufschlag bezahlen sollen die E-Commerce-Firmen laut dem Portal „Politico“ selbst.
Damit richtet sich die Kommission direkt gegen das Geschäftsmodell von Temu, Shein und Co. Diese bringen direkt chinesische Produzenten mit europäischen Kunden zusammen und verzichten auf Zwischenhändler und Lagerhallen. So werden die Produkte – laut Temu – deutlich billiger, als wenn sie über europäische Unternehmen eingekauft werden. Temu wirbt zum Beispiel damit, „wie ein Milliardär“ shoppen zu können.
Unter diesem Slogan hat das Unternehmen einen rasanten Aufstieg hinter sich. Seit dem Start im September 2022 breitete sich Temu in mehr als 80 Länder aus, im November vergangenen Jares hatte die Plattform laut Goldman Sachs weltweit 210 Millionen monatliche Nutzer. Die über Temu verkauften Produkte haben allerdings oft schlechte Qualität, hinzu kommen die fragwürdige und umweltschädliche Versandpraktiken. Temu verschickt seine Lieferungen nicht gesammelt in Containern, sondern in Millionen Einzelpaketen per Flugzeug. Damit umgehen sie häufig den Einfuhrzoll, der in der EU erst ab einem Warenwert 150 Euro fällig wird.
Reform soll neue Behörde schaffen
Dieses System will die EU nun kippen und so die Masse der Pakete zu drücken. „Es ist für den Zoll genauso aufwändig, ein einzelnes Paket mit einem online gekauften Spielzeug zu kontrollieren, wie einen Karton mit 1000 Stück desselben Spielzeugs“, sagte EU-Abgeordnete Anna Cavazzini. „Es ist daher logisch, die gleiche Gebühr zu erheben. Hiervon werden Verbraucherinnen und Verbraucher und auch die Umwelt profitieren.“
Der Vorschlag ist Teil einer neuen Binnenmarktstrategie, die die EU-Kommission am Mittwoch vorgestellt hat. Neben dem Abbau von „zehn schrecklichen Handelsbarrieren“ skizziert die Kommission darin bereits die Eckpunkte einer Reform des Zollmarktes. Darin soll unter anderem die 150-Euro-Ausnahme abgeschafft werden – eine Maßnahme, für die sich auch der ehemalige deutsche Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) starkgemacht hatte. Außerdem solle eine einheitliche Zollbehörde entstehen und eine Datenplattform geschaffen werden, die sowohl Unternehmen als auch nationale Behörden unterstütze. Auch eine EU-weite Marktüberwachungsbehörde könne helfen, wenn die Mitgliedsstaaten überfordert seien. Die genaue Ausarbeitung der Reform steht aber noch aus.