Seit Anfang des Jahres hat eine neue Welle des Zweifels die Märkte der Schwellenländer erfasst und ihre Vermögenspreise nach unten gedrückt. Die erste Welle schlug im Frühling 2013 zu, nach der Ankündigung der Federal Reserve, ihre monatlichen Käufe langfristiger Wertpapiere, besser bekannt unter dem Stichwort quantitative Lockerung, auslaufen zu lassen. Jetzt, wo es tatsächlich so weit ist, treten in den Schwellenländern wieder die Bärenmärkte in den Vordergrund.
Der Druck war bei den so genannten „Fragile Five“ am größten: Brasilien, Indien, Indonesien, Südafrika und der Türkei (wenn man Argentinien auslässt, wo die Minikrise vom Januar angefangen hat). Doch werden nun auch andere Schwellenländer mit Sorge betrachtet. Wird die allmähliche Verringerung der quantitativen Lockerung den Schwellenländern dieses Jahr mehr Probleme bringen? Bis zu welchem Grad sind die heutigen Bedingungen mit denen vergleichbar, die die Asienkrise von 1997 oder andere jähe Umkehrungen des Kapitalflusses in den letzten Jahrzehnten ausgelöst haben?
Die Bullenmärkte der Schwellenländer weisen darauf hin, dass die meisten großen Länder mit mittleren Einkommen ihre Schuldenquote (im Verhältnis zum BIP) erheblich gesenkt haben, wodurch sie Haushaltsspielräume haben, die Ihnen in der Vergangenheit fehlten. Doch wurden weder die mexikanische „Tequila-Krise“ von 1994 noch die Asienkrise von 1997 durch hohe staatliche Defizite verursacht. In beiden Fällen war das Bemühen, einen festen Wechselkurs gegenüber der Umkehrdes Kapitalflusses zu verteidigen, ein wichtiger Faktor. Gleiches gilt für die Türkei im Jahr vor dem Zusammenbruch ihrer Währung im Februar 2001.
Hoher Grad an Fremdfinanzierung im Privatsektor
Heute haben die meisten Schwellenländer nicht nur niedrige Staatsschulden, sie scheinen sich auch flexiblen Wechselkursen verschrieben zu haben und über Banken mit guter Kapitalausstattung zu verfügen, während das Fremdwährungsrisiko durch Regulierung begrenzt ist. Warum waren sie dann so anfällig?
Die Schwellenländer, die am schlechtesten dastehen, haben große Leistungsbilanzdefizite und geringe Nettoreserven bei der Zentralbank, wenn kurzfristige Schulden von den Bruttodevisenreserven abgezogen werden. Doch könnte man argumentieren, dass der Wechselkurs bei einer Umkehr der Kapitalflüsse abgewertet würde, wodurch die Exporte von Waren und Dienstleistungen steigen und Importe zurückgingen. Die daraus resultierende Korrektur der Leistungsbilanz würde Kapitalzuflüsse schnell überflüssig machen. Vorausgesetzt, dass Haushaltsspielräume und solide Banken vorhanden sind, könnte sich schnell ein neues Gleichgewicht einstellen.
Leider ist die tatsächliche Anfälligkeit einiger Länder durch die Bilanzen im privaten Sektor bedingt, wo sowohl in Privathaushalten als auch bei Nichtfinanzunternehmen ein hoher Grad an Fremdfinanzierung vorherrscht. Nachdem sich der Unternehmenssektor daran gewöhnt hatte, mit günstigem Kapital aus dem Ausland Aktivitäten im Inland zu finanzieren, ist er nun einem erheblichen Fremdwährungsrisiko ausgesetzt.
Wo das der Fall ist, würde eine jähe Abwertung der Währung ernsthafte Bilanzprobleme mit sich bringen. Wenn diese groß genug sind, würden sie den Bankensektor trotz starker Kapitalpolster unterminieren. Probleme im Bankensektor würden wiederum eine staatliche Intervention erforderlich machen, wodurch der öffentliche Schuldenstand anstiege. Im Extremfall könnte sich ein „spanisches“ Szenario entwickeln (allerdings ohne die Hemmnisse eines festen Wechselkurses wie in der Eurozone).
Wechselkurs-Kontrollen sind notwendig
Genau diese Gefahr setzt den flexiblen Wechselkursen eine praktische wie politische Grenze. Eine gewisse Abwertung kann von den meisten Defizitländern verkraftet werden; doch wenn die einheimische Währung zu schnell zu viel an Wert verliert, könnte ein Teufelskreis entstehen. Die Bilanzprobleme des privaten Sektors würden den Finanzsektor schwächen, und der daraus resultierende Druck auf die öffentlichen Finanzen würde die Länder zu einer Sparpolitik zwingen und somit die Nachfrage der Verbraucher einschränken – was den Bilanzen der Unternehmen weiteren Schaden zufügen würde.
Um eine solche Krise zu verhindern, muss der Wechselkurs daher kontrolliert werden – auf welche Weise, hängt von den spezifischen Umständen eines Landes ab. Große Nettoreserven der Zentralbanken können dazu beitragen, den Prozess zu erleichtern. Andernfalls müssen die Zinssätze erheblich angehoben werden, um kurzfristiges Kapital zu halten und eine allmählichere Anpassung des realen Sektors zu ermöglichen. Höhere Zinssätze werden selbstverständlich zu einem langsameren Wachstum und einer niedrigeren Beschäftigungsrate führen, doch sind diese Kosten wahrscheinlich geringer als die einer ausgewachsenen Krise.
Die Herausforderung ist schwieriger für Länder mit sehr hohen Leistungsbilanzdefiziten. Und es wird noch schwerer, wenn politische Turbulenzen oder Spannungen hinzukommen, wie es zuletzt in überraschend vielen Ländern der Fall war.
Wachstumsaussichten immer noch günstig
Jedoch ist trotz ernsthafter Gefahren für einige Länder eine allgemeine Krise der aufstrebenden Märkte 2014 unwahrscheinlich. Tatsächlich haben sich die Kapitalflüsse nur sehr begrenzt umgekehrt, und kein Industrieland wird die Zinssätze abrupt anheben; und da das Leistungsbilanzdefizit der Vereinigten Staaten sinkt, sind die Nettozuflüsse aus den Vereinigten Staaten in den letzten zwölf Monaten gestiegen.
Zudem weisen die meisten Schwellenländer eine solide Finanzlage auf und können sich ausreichend flexible Wechselkurse leisten, um eine reibungslose Anpassung an etwas höhere globale Zinssätze zu bewältigen. Ein Großteil der jüngsten Turbulenzen ist auf die wachsende Erkenntnis zurückzuführen, dass die Preise für finanzielle Vermögenswerte weltweit durch außergewöhnlich expansive währungspolitische Maßnahmen aufgebläht wurden. Infolgedessen wurden viele finanzielle Vermögenswerte selbst für unbedeutende Änderungen des Marktklimas anfällig, und dies wird so weitergehen, bis sich die realen Zinssätze „normaleren“ langfristigen Niveaus annähern.
Mittelfristig jedoch weisen die meisten Schwellenländer nach wie vor ein großes Wachstumspotenzial im Technologiesektor und eine langfristige Annäherung auf. Das Tempo, in dem ein Land aufholt, wird noch mehr als früher von der Qualität seiner Regierung und Verwaltung und von der Geschwindigkeit seiner Strukturreform abhängen.
Aus dem Englischen von Anke Püttmann
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