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Auch Lauren Powell-Jobs investiert So will die Silicon-Valley-Prominenz eine Mega-City erschaffen

Laurene Powell Jobs
Laurene Powell Jobs gehört zu den Investorinnen für das neue Mega-Projekt in Nord-Kalifornien.
© Chris Kleponis / IMAGO
Bauland ist im Silicon Valley ein knappes Gut. Nördlich von San Francisco sieht das ganz anders aus: Hier reihen sich weitläufige Farmen aneinander, an Platz mangelt es nicht. Investoren aus dem vollgepackten Süden wittern eine Chance.

Ein Blick auf die Weltkarte zeigt: Zwischen Sacramento, Stockton und der vergleichsweise kleinen Stadt Fairfield in Kalifornien herrscht gähnende Leere. Bis auf die Travis Air Force Base gibt es in diesem Landstrich nicht sehr viel zu sehen. Farm reiht sich an Farm, im Süden der Gegend grenzen Nationalparks an. Und dennoch: Wer von Fairfield in die Weltstadt San Francisco will, braucht nur 45 Minuten mit dem Auto. Es ist also eine Besonderheit, dass es dort überhaupt noch Natur und schier endlose Weiten gibt – denn der Süden, wo in den vergangenen Jahrzehnten das weltberühmte Silicon Valley entstanden ist, platzt aus allen Nähten.

Gut möglich, dass es im Solano County, so heißt der Landkreis im kargen Norden, bald mit der Ruhe vorbei ist. Denn wie die „New York Times“ berichtet, hat eine Firma namens Flannery in den letzten fünf Jahren still und leise enorme Ländereien im Gesamtwert von rund 800 Mio. US-Dollar erworben. Seit 2018, heißt es, habe Flannery die meisten Landbesitzer in der Gegend kontaktiert, und ihnen ein Vielfaches des üblichen Marktpreises für ihren Besitz geboten – offenbar griffen nicht wenige zu.

Deals im stillen Kämmerlein

Schon seit Jahren sprach man in der Gegend über Flannery – doch das Unternehmen hielt sich bedeckt und verhandelte hinter verschlossenen Türen. Bis zum Frühjahr 2023 war nicht klar, wer eigentlich dahintersteckt und woher das Geld stammt. Gerüchte machten die Runde, dass der Disney-Konzern in der Gegend vielleicht einen neuen Park plane. Auch chinesische Investoren kamen zur Sprache – was besonders die angrenzende Basis der US-amerikanischen Luftwaffe aufhorchen ließ.

Nun ist klar: weder noch. Hinter Flannery steckt der „New York Times“ zufolge ein Mann namens Jan Sramek, ein ehemaliger Banker von Goldman Sachs. 2017 ging er zusammen mit Risikokapitalgeber Michael Moritz und einer besonderen Idee auf die Finanzgrößen im nahegelegenen Silicon Valley zu. Denn das Platzproblem rund um die Hauptsitze von Apple, Facebook, Google und nahezu allen amerikanischen Techunternehmen bereitet ihnen seit Jahren Kopfschmerzen.

Seine Vision: Man könne nördlich von San Francisco eine vollkommen neue Stadt bauen. Ein Mekka für neue Ansätze, moderne Lösungen für urbanes Leben und nachhaltigen Städtebau. „Tausende Jobs“, versprach Flannery potentiellen Investoren von Beginn an – und hohe Rendite.

Dass es sich bei den Grundstückskäufen um eine koordinierte Aktion handelt, fand man aber erst vergleichsweise spät raus. Im Frühjahr dieses Jahres ging Flannery vor Gericht, da man den Grundbesitzern Preisabsprachen unterstellte. Gezwungenermaßen gab man sich also zu erkennen, obwohl der Fall letztlich anscheinend doch außergerichtlich geklärt werden konnte.

Bekannte Größen aus dem Valley sind an Bord

Insgesamt stießen die Pläne offenbar auf viel Gegenliebe. Gleich drei Personen, die mit den Menschen im Hintergrund vertraut sind, zählten die aktuellen Geldgeber gegenüber der „New York Times“ auf. Darunter sind unter anderem Linkedin-Mitgründer Reid Hoffmann, Netscape-Mitgründer Marc Andreessen, die Stripe-Gründer Patrick und John Collison, Github-CEO Nat Friedman und Unternehmerin Laurene Powell Jobs, die Witwe des Apple-Gründers Steve Jobs. 

Den Geldgebern verspricht Flannery ein „spektakuläres Investment“. Offiziell rechnet man eine Vervielfachung des investierten Geldes vor – vor allem dann, wenn dort wirklich irgendwann eine neue Stadt entsteht und man den Grundstückswert massiv erhöht hat.

Aber es gibt da ein sehr großes und bislang ungeklärtes Problem – weiß auch Flannery. Das gesamte Land, welches das Unternehmen in den vergangenen Jahren erwerben konnte, ist derzeit nicht für die kommerzielle Nutzung und den Wohnungsbau freigegeben. Über diese Freigabe will man schon im kommenden Jahr vor Ort abstimmen lassen – denn sonst kann es nicht weitergehen.

Aus diesem Grund gibt sich sich Flannery auch außerhalb von Gerichten langsam zu erkennen. Erst kürzlich bat das Unternehmen Politiker der Gegend um Treffen, in denen man die Pläne erklären könne. Gegenüber den Investoren gibt man sich siegessicher und verspricht, dass man dadurch auch die vielen Probleme und Nöte des Südens, sprich steigende Immobilienpreise, Obdachlosigkeit, Verkehrsstaus, zumindest bremsen könne.

Zerquetscht an der Wahlurne

Duane Kromm, der von 1999 bis 2007 Mitglied des Aufsichtsgremiums von Solano County war, bewertet den Nutzen der neuen Mega-City anders. Gegenüber „SF Chronicle“ erklärt er, dass ähnliche Unternehmen, die in der Vergangenheit vergleichbare Ziele verfolgten, „an der Wahlurne zerquetscht“ worden seien. „Ackerland zuzupflastern ist keine gute Sache“, erklärte er.

Der demokratische Abgeordnete Mike Thompson, der das Gebiet, in dem das Land erworben wurde, unter anderem vertritt, stimmt dem im „SF Chronicle“ zu. „Die Menschen vor Ort verdienen ihren Lebensunterhalt damit, amerikanische Haushalte zu ernähren. Es ist völlig unangemessen zu glauben, dass sie (Flannery) einfach kommen und sie aus dem Geschäft drängen können“, sagte Thompson.

Abgesehen von einem Wassermangel in der Gegend, der den Bau einer Stadt erschweren dürfte, stört sich Kromm derweil noch an etwas vollkommen anderem. „Leute mit Geld haben ihre eigenen Ziele, aber was viele von uns hier beunruhigt, ist die Art und Weise, wie sie wie ein Elefant im Porzellanladen hereinkamen“, sagte er der Zeitung. „Es ist deutlich geworden, dass sie keine Sensibilität für die lokale Gemeinschaft haben. Der Schaden, den sie den Familienbetrieben und den Menschen, die sich seit Generationen kennen, zufügen, ist unfassbar. Das reißt einen großen Teil unserer Gemeinschaft auseinander.“

Luftschlösser aus dem Valley

In Matt Regan, dem leitenden Vizepräsidenten für öffentliche Ordnung beim Bay Area Council, findet Flannery hingegen einen Fürsprecher. Im „SF Chronicle“ bedauert er zwar, dass es Menschen aus der Wirtschaft sind, die den Ausbau der Infrastruktur vorantreiben wollen, und nicht der Staat, räumte dem Projekte aber realistische Chancen ein. „Wir haben es mit einer Reihe von sehr, sehr cleveren Investoren zu tun“, sagte er. „Wenn sie es ernst meinen mit diesem Unternehmen, würde ich nicht dagegen wetten.“

Es ist bei weitem nicht das erste Projekt von Silicon-Valley-Milliardären, die sich eine neue Heimat für ihre Projekte wünschen. Peter Thiel finanziert ein Projekt für stadtähnliche Gemeinden auf dem Ozean, die frei von Gesetzen und Regierungen hätte leben können. Das Gründerzentrum Y Combinator träumte 2016 schon von besseren Städten. Wirklichkeit geworden ist von diesen Ideen bisher nichts.

Der Beitrag ist zuerst bei stern.de erschienen

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