Für Unternehmen reicht es heute nicht mehr aus, nur Profit zu machen. Längst geben sich viele Unternehmen auch einen Purpose , einen Existenzgrund, einen Sinn, der zeigt, wo das Unternehmen einen positiven Einfluss ausübt. Das kann geschehen durch innovative Produkte, Nachhaltigkeitsziele, soziale Bemühungen. Ein klares Purpose-Statement, das diesen Existenzgrund knapp zusammenfasst, hilft Unternehmen dabei, ihn nach innen und außen zu kommunizieren.
Das Thema Purpose habe für Unternehmen in den vergangenen Jahren deutlich an Bedeutung gewonnen , sagt Simon Aschermann, Manager bei der Managementberatung Globeone, die regelmäßig Studien zu der Thematik veröffentlicht. „Viele Unternehmen haben sich im Zuge der Nachhaltigkeitsdebatte ein Statement zugelegt“, sagt er. 22 der 30 Dax-Unternehmen hatten zum Zeitpunkt der Studie ein Statement formuliert. „Das Purpose-Statement ist das Vehikel Nummer eins, um den Purpose des Unternehmens in die Öffentlichkeit zu bringen“, sagt Aschermann.
Globeone hat die Statements der 30 Dax-Unternehmen untersucht und mehr als 3000 deutsche Konsumentinnen und Konsumenten befragt, wie überzeugend sie die Statements finden. „Alle wollen, zugespitzt gesagt, die Welt retten. Aber die Frage ist: Wie glaubwürdig ist das?“, fasst Aschermann die grundlegende Frage der Studie zusammen, die Capital vorab exklusiv vorlag. Das Ergebnis: Es gibt klare Gewinner – und klare Verlierer.
Covestro ist besonders glaubhaft
Auf Platz eins landet der Chemiekonzern Covestro mit seinem Statement „Wir wollen die Welt lebenswerter machen“ – drei Viertel der Befragten finden das Statement überzeugend. „Dass Covestro als innovativer Werkstoffhersteller auf Platz eins landet, ist ein starkes Zeichen. Das Statement kommt gut an und reflektiert, dass Covestro mit seinen Lösungen die Kreislaufwirtschaft voranbringt“, sagt Aschermann.

Direkt dahinter liegt der Dialysespezialist Fresenius Medical Care – 70 Prozent finden das Statement „Zukunft lebenswert gestalten. Für Patienten. Jeden Tag“ überzeugend. Auf Platz drei landet der Sportartikelhersteller Adidas mit 66 Prozent Zustimmung („Durch Sport können wir Leben verändern“), sowie der Chemie- und Pharmakonzern Merck mit 63 Prozent Zustimmung („Fortschritt lebt von neugierigen Köpfen“) und der Chemiekonzern Bayer mit ebenfalls 63 Prozent Zustimmung („Science for a better life“).
Die Statements, die besonders gut bewertet wurden, haben laut Aschermann zwei Dinge gemeinsam: Sie seien kurz und kompakt und stellten einen Bezug zur Branche des Unternehmens her – bei Fresenius Medical Care zur Medizin, bei Adidas zum Sport, bei Bayer zur Wissenschaft.
Essenziell für den Erfolg eines Purpose-Statements seien fünf Kriterien, so Aschermann. Erstens: Erklärt das Unternehmen seinen Existenzgrund? Zweitens: Ist das Statement klar formuliert? Drittens: Ist das Statement einprägsam? Viertens: Ist es glaubwürdig? Und fünftens: Wie relevant ist das Statement für den einzelnen Konsumenten? Nicht jedem Unternehmen ist das gleich gut gelungen.
RWE überzeugt nur wenig
Auf die Sieger des Rankings folgt ein breites Mittelfeld, bestehend aus neun Unternehmen, deren Purpose-Statements immerhin jeweils zwischen 55 und 42 Prozent Zustimmung finden. Schlusslicht des Rankings bilden acht Unternehmen, deren Statements allesamt weniger als 40 Prozent Zustimmung finden. Besonders schlecht schneiden die Deutsche Börse mit 33 Prozent Zustimmung („Bei der Deutschen Börse schaffen wir Vertrauen in die Märkte von heute und morgen“), die Deutsche Bank mit 32 Prozent („Wir sind dazu da, um Wirtschaftswachstum und gesellschaftlichen Fortschritt zu ermöglichen“) und Siemens mit nur 29 Prozent („Wir dienen der Gesellschaft. Wir schaffen Wert für alle Stakeholder. Wir verwirklichen, worauf es ankommt“) ab.
Siemens, so erklärt Aschermann, habe sein Statement sehr sachlich formuliert. „Eigentlich hat Siemens eine hohe Glaubwürdigkeit, dass es hier so schlecht abschneidet, liegt also am Statement selbst.“

Auf dem letzten Platz rangiert der Energiekonzern RWE mit dem Statement „Our energy for a sustainable life“ und nur 25 Prozent Zustimmung. Dabei hat RWE eigentlich einiges richtig gemacht: Das Statement ist kurz und knapp und stellt, wie die Statements, die gut abschnitten, einen Bezug zur Branche des Unternehmens her. Aber der Fall von RWE zeigt auch, dass ein gutes Statement eben noch nicht alles ist. Das Problem: Glaubwürdigkeit. „RWE wird mit fossiler Energie in Verbindung gebracht, mit dem Hambacher Forst“, sagt Aschermann. Ein Nachhaltigkeitsstatement scheint die Befragten da wenig zu überzeugen.
Mit dem Purpose-Statement allein ist es nämlich noch nicht getan: „Das Statement muss mit Leben gefüllt werden“, erklärt Aschermann. „Es ist ein hehrer Anspruch, sich ein Ziel auf die Fahne zu schreiben. Wenn das Statement in der Kommunikation und in der Umsetzung aber nicht aktiviert wird, dann ist die Fallhöhe sehr hoch.“
Ein Purpose-Statement reicht noch nicht
Für Unternehmen ist ein Purpose-Statement also immer auch eine Gratwanderung: Sie müssen einen klaren Existenzgrund formulieren, dürfen aber eben auch nicht übers Ziel hinausschießen. „Wenn Sie mit ihrem Statement zu viel versprechen, stehen NGOs und Aktivisten vor der Tür und verlangen die entsprechenden Zahlen und im Zweifel werden Sie verklagt“, sagt Aschermann.
Schafft es ein Unternehmen aber, ein gutes Purpose-Statement zu formulieren und das auch umzusetzen, dann kann das nicht nur bei der Kommunikation eine wichtige Rolle einnehmen. „Im Schnitt bestimmen die Purpose-bezogenen Attribute mittlerweile rund die Hälfte der positiven Reputation eines Unternehmens“, schreiben die Studienautoren.
Doch das Statement wirkt nicht nur nach außen, sondern auch nach innen. „Es kann für Mitarbeiter sinnstiftend sein“, erklärt Aschermann. „Die großen Unternehmen binden die Leute nicht mehr nur durch ihren Namen an sich. Sie müssen sich anstrengen und zeigen, dass sie auch einen positiven Einfluss haben.“
Damit ein Purpose-Statement aber seine volle Wirkung entfalten kann, darf nach der Formulierung des Statements nicht Schluss sein. „Eigentlich beginnt dann erst die richtige Arbeit“, sagt Aschermann. In vielen Fällen, stellen die Studienautoren fest, ist das Statement noch nicht systematisch in die Unternehmenskommunikation eingebunden, sondern wird eher unverbindlich als Slogan genutzt. Das volle Potenzial, so stellen sie fest, wird nur selten ausgeschöpft.
„Es muss dafür gesorgt werden, dass der Purpose ankommt und verstanden wird und dass das Management den Purpose im Tagesgeschäft herunterbrechen kann“, sagt Aschermann. Das Statement müsse im Unternehmen verankert werden, in der Unternehmensstrategie und den Unternehmenszielen. „Erst dann hat das Statement wirklich einen Einfluss.“

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