Wenn die Worte nicht stimmen, so erklärte schon Konfuzius, dann stimmen die Werke nicht. Die Erkenntnis des altchinesischen Weisen kann man auch auf die deutsche Politik gegenüber der Volksrepublik China anwenden. In der Regierungskoalition tobt ein immer schärferer Streit um die richtige Überschrift für eine veränderte Strategie gegenüber dem kommunistischen Land. Einige führende Grüne fordern ganz offen die „Entkopplung“, der rechte Flügel der SPD warnt vor einer „Anti-China-Politik“, die FDP sieht das Land als „systemischen Rivalen“. Bundesaußenminister Annalena Baerbock rückte bei ihrer China-Reise in der letzten Woche einen englischen Begriff in den Mittelpunkt, für den es noch gar kein richtiges deutsches Wort gibt: De-risking.
Doch ist der Risikoabbau wirklich das richtige Schlüsselwort, um unsere künftige Haltung zu China zu beschreiben? Klar ist auf jeden Fall: Die deutsche Wirtschaft braucht dringend klare politische Vorgaben für den Umgang mit dem kommunistischen Regime, das zunehmend aggressiver auf der Weltbühne agiert. Natürlich müssen die Unternehmen selbst ihre jeweiligen Risiken im China-Geschäft einschätzen – und Konsequenzen ziehen. Das gehört zu den Grundaufgaben unternehmerischer Tätigkeit. Aber es gilt auch der Primat der Politik: Die Bundesregierung muss einen klaren Rahmen ziehen und darf dabei nicht im Ungefähren steckenbleiben. Das fordern auch viele Konzerne selbst.
Wenn wir schon nicht den einen, alles überwölbenden Begriff finden, dann sollten wir wenigstens einen verbindlichen Satz von sechs Regeln definieren:
- Deutsche Konzerne müssen alles unterlassen, was der chinesischen Aufrüstung und der Vorbereitung eines Angriffskriegs gegen Taiwan dient.
- Chinesische Investitionen in die kritische Infrastruktur sind künftig nicht mehr genehmigungsfähig.
- Bei der Versorgung mit Rohstoffen und kritischen technischen Komponenten müssen die deutschen Unternehmen künftig mehrere Lieferanten aus verschiedenen Ländern beschäftigen, so dass nicht mehr als 30 bis 40 Prozent des Gesamtbedarfs aus China kommen.
- Deutschland schließt sich der amerikanischen Chip-Initiative an und liefert künftig keine Halbleiter der neusten Generation und keine Maschinen zu ihrer Herstellung mehr in die Volksrepublik.
- Die Bundesrepublik öffnet ihren Markt grundsätzlich nur für die chinesischen Produkte, die deutsche Unternehmen umgekehrt auch in China frei vertreiben können.
- Der deutsche Finanzsektor gewährt chinesischen Unternehmen nur die Freiheiten, die umgekehrt auch für deutsche Finanzinstitute in China gelten.
Auf den ersten Blick klingen diese Regeln hart – und die Chinesen dürften Sturm dagegen laufen. Aber ihre Anwendung würde allerhöchstens 15 bis 20 Prozent des deutsch-chinesischen Handels berühren. Der überwiegende Teil unserer Exporte und unserer Importe wäre weiter möglich und beide Seiten könnten weiter vom wirtschaftlichen Austausch profitieren. Will die chinesische Führung mehr, müsste sie ihre Politik nur auf zwei Feldern verändern: Die Unterstützung Russlands im Ukrainekrieg aufgeben und gegenüber Taiwan auf alle Kriegsdrohungen verzichten. Dann würde sich auch die gesamte Diskussion im Westen wieder verändern – und ganz andere Begriffe als jetzt rücken wieder in den Vordergrund.