Wenn es im Geschenk rappelt und klappert, dann weiß jedes Kind: Es zieht jemand Neues in die Playmobilstadt ein. Vielleicht Piraten, vielleicht Feen oder doch die Müllabfuhr? Seit fast 50 Jahren entwickelt und produziert der Spielzeughersteller Playmobil die beliebten Figuren aus Kunststoff. Sie gehen in die Schule, sitzen im Café und machen sogar Urlaub auf dem Kreuzfahrtschiff. Weltweit hat sich der Mittelständler aus der Nähe von Nürnberg damit einen Namen gemacht, eine starke Marke aufgebaut und eine unternehmerische Erfolgsgeschichte geschrieben.
Doch die Geschichte scheint inzwischen auserzählt, seit einigen Jahren hat das Unternehmen mit wachsenden wirtschaftlichen Schwierigkeiten zu kämpfen. Dabei erlebt die Spielwarenbranche seit der Coronapandemie eigentliche beste Zeiten. Doch Playmobil kann von dem Boom nicht profitieren. Die wirtschaftliche Schieflage hat nun Konsequenzen für die Beschäftigten.
Im März holte die Führung des fränkischen Spielzeugherstellers die Beratung McKinsey ins Haus, nach einer monatelangen Analyse aller Geschäftsbereiche wurde entschieden: Bis 2025 sollen 17 Prozent der 4100-köpfigen Gesamtbelegschaft von Playmobil entlassen werden, was fast 700 Stellen weltweit entspricht. In Deutschland sollen rund 370 Stellen wegfallen beziehungsweise 16 Prozent der deutschen Gesamtbelegschaft.
Die Probleme sitzen tiefer
Ein Sprecher des Unternehmens betont, dabei seien auch die „Geschäftsentwicklung und aktuellen wirtschaftlichen Herausforderungen“ berücksichtigt worden. Das Unternehmen, zu dem neben Playmobil noch die Pflanzentopfmarke Lechuza gehört, spüre weiterhin die Auswirkungen der Coronapandemie, das habe in den beiden vergangenen Geschäftsjahren zu Umsatz- und Gewinneinbußen geführt.
Doch die Probleme bei Playmobil dürften tiefer sitzen. Seit dem Tod des Playmobil-Patriarchen Horst Brandstätter 2015 wird der Unternehmensführung vorgeworfen, die Firma strategisch nicht weiterentwickelt zu haben – und das Betriebsklima gilt bestenfalls als schwierig.
Beim Bewertungsportal Kununu würden gerade einmal 20 Prozent der Nutzer Playmobil als Arbeitgeber weiterempfehlen. In Kommentaren heißt es, dass „Führungskräfte undankbar“ seien und „Mobbing an der Tagesordnung“ stehe. „Außen hui – innen pfui!“, schreibt ein Nutzer. Auch der Betriebsrat hat sich in der Vergangenheit bereits über mangelnde Wertschätzung und sogar Demütigungen der Beschäftigten beklagt – das Unternehmen widerspricht den Vorwürfen.
Sicher ist: Schon Patriarch Brandstätter führte das Unternehmen mit strenger Hand, Sparsamkeit und eigenwilliger Personalpolitik nach oben. Im Unternehmen prägte der Führungsstil aber offensichtlich eine Kultur der Angst.
„Wir müssen weg von der Angst“, sagte der bis Juli amtierende Playmobil-CEO Steffen Höpfner 2019 zu Capital. Er hatte nach Brandstätters Tod 2015 dessen Chefsessel übernommen und die herrschende Hierarchie durch moderne Managementmethoden ersetzen wollen. Er bildete ein Strategieteam, engagierte Change-Manager und Coaches, setzte auf wohlklingende Werte wie Teamgeist, Vertrauen und Eigenverantwortung. Doch Höpfner blieb glücklos. Sein Abgang dürfte auch damit zu tun haben, dass die eigentliche Macht im Unternehmen nach Ansicht von Beobachtern immer noch jemand bei jemand anderem liegt: bei Brandstätters früherer Chefsekretärin Marianne Albert.
Eine Alleinherrscherin im Hintergrund
Sie kontrolliert heute als Vorsitzende den Beirat der Stiftung, in der der Konzern organisiert ist. „Marianne Albert war mir immer ein treuer Helfer“, schrieb Brandstätter in seinem Testament. „Sie kennt meine Einstellung zur Firma.“ Ihr wurde daher unter anderem die Leitung des Personalwesens zugesprochen. Doch bei den Mitarbeitenden wuchs der Eindruck, Albert habe zwar die Macht einer Alleinherrscherin, ihr fehle aber die unternehmerische Kompetenz.
Unter CEO Höpfner wurden viele Ideen ausprobiert, insbesondere neue Kooperationen, und nach Übernahmemöglichkeiten gesucht. Im Gegensatz zu Lego, das ebenfalls ein Familienunternehmen ist und vor Jahren noch in Sichtweite war, wuchs Playmobil aber kaum über die letzten Jahre, im Gegenteil: Im Geschäftsjahr 2021/22, das am 31. März endete, sank der Umsatz um vier Prozent von 758 Mio. Euro im Vorjahr auf nun rund 692 Mio. Euro. Das operative Ergebnis brach sogar um 46 Prozent auf 50,5 Mio. Euro ein. Laut internen Mitteilungen, die dem „Manager Magazin“ vorliegen, verlief das Jahr 2022/23 ebenfalls enttäuschend.
Auch wenn die Rendite bei Playmobil lange bei sehr guten 20 Prozent lag, ist das Unternehmen beim Gewinn ein gutes Jahrzehnt lang nicht vorangekommen. Zum einen gelang es nicht, die Expansion über die Kernmärkte in Europa hinaus voranzutreiben, in den USA oder Asien spielt die Marke kaum eine Rolle. Zum anderen lehnte Playmobil lange das Lizenzgeschäft kategorisch ab, das Lego zu großem Erfolg verholfen hat.
Ex-Chef Höpfner änderte das, trotz Widerständen. Doch seine Projekte hatten keinen Erfolg. Teure Kooperationen mit Ferrari oder zur Fußball-WM 2018 sollen nicht funktioniert haben, der mit viel Geld produzierte Kinofilm „Playmobil – The Movie“ wurde zum Flop, auch scheiterte der Versuch, Eigenmarken wie Novelmore zu prägen. Im August ist nun eine neue Partnerschaft gestartet mit Disneys Micky Maus und Winnie Pooh.
Lego ist längst enteilt
Nach Jahren, in denen bei Playmobil strategisch kaum etwas passiert ist, ist Lego inzwischen außer Reichweite. Noch verfügt Playmobil aber über einen Trumpf, ein komfortables Eigenkapital von hunderten Millionen Euro, das Brandstätter seinem Unternehmen einst hinterließ. Einen großen Zukauf könnte sich das Unternehmen mit den Kunststofffiguren also durchaus leisten – und sollte das nach Ansicht von Experten auch tun. Denn um gegenüber dem Handel mehr Macht zu haben, muss Playmobil wachsen, auch wenn es aktuell noch immer einer der größten europäischen Spielzeughersteller ist.
Offensichtlich ist, dass es für den Erfolg dieser Ansätze einen Neustart der Unternehmenskultur braucht. Und, ganz unmittelbar, einen Nachfolger für den CEO-Posten. Aktuell führt Finanzvorstand René Feser die operativen Geschäfte, einen neuen Chef will Playmobil bis auf Weiteres angeblich gar nicht einstellen. Die Personalberatung Heidrick & Struggles sucht aber ein neues Vorstandsmitglied.
Mit dem „notwendigen Personalabbau“ will die Gruppe nun zudem Arbeitsplätze in Deutschland und Europa sichern. In einer internen Mitteilung heißt es, „die erforderlichen Maßnahmen sollen sozialverträglich und nach Möglichkeit einvernehmlich erfolgen“. Laut „Manager Magazin“ informierte Playmobil die Belegschaft zudem über die Auslagerung des Formenbaus. „In Zukunft werden Formen in deutlich geringerem Umfang benötigt, sodass eine verbesserte Kostenstruktur, aber auch mehr Flexibilität bei der Entwicklung dringend notwendig werden“, heißt es. Einige Monate zuvor wurde bereits die Dekoabteilung ausgelagert, wobei rund 50 Arbeitsplätze wegfielen.