Der nunmehr dritte europäische Banken-Stresstest hat hohe Erwartungen erweckt. Er soll für Ruhe auf den Finanzmärkten sorgen. Er soll Vertrauen in das europäische Bankensystem schaffen, die Sparer über die Sicherheit ihrer Einlagen beruhigen, Banken dazu veranlassen, wieder Kredite zu vergeben und den Steuerzahler zuverlässig vor weiteren Belastungen aus einem Versagen der Bankenmärkte bewahren. Überrascht es, dass diese Erwartungen nur enttäuscht werden können und den tatsächlichen Nutzen des Stresstests überdecken?
Ein Stresstest ist zunächst nur eine Momentaufnahme. Er sagt nichts über die Zukunft einer Bank aus, nichts über die Qualität des Geschäftsmodells und daraus sich ergebende Ertragsrisiken. Im Stresstest werden nur die zu einem bestimmten Stichtag gemessenen Risiken dem Eigenkapital der Bank gegenüber gestellt, mit der Besonderheit, dass diese Risiken unter der Annahme eines besonderen Stressszenarios gemessen werden. Die etwas naive Vorstellung ist, dass damit ein ausreichender Eigenkapitalpuffer vorhanden sein sollte um Verluste abzudecken. Leider können Großbanken über die Kapitalmärkte in Sekundenschnelle Risiken eingehen, die, wenn sie schlagend werden, auch sehr viel größere Eigenkapitalpuffer auffressen würden. Und der Regulator kann dagegen wenig tun, wenn er nicht selbst die Geschäfte der Bank übernehmen möchte.
Kuscheln mit Mario Draghi
Es kommt also darauf an, dass Banken nie in eine Situation geraten, in der sie mit einer exzessiven Risikoübernahme um ihr Überleben kämpfen wollen. Es geht um den Risikoanreiz. Dieser aber ist eine Funktion der Eigenkapitalquote. Wer nichts mehr zu verlieren hat, wer kein Eigenkapital im Feuer hat, setzt alles auf eine Karte. Insofern ist es schon beruhigend, dass die großen Banken Europas auch in einer gedachten Krisensituation über so viel Eigenkapital verfügen, dass sie sich in einer Krise nicht (mehr?) über Nacht in Zockerbuden verwandeln. Das ist keine hundertprozentige Sicherheit. Aber es hilft.
Dass ein Stresstest nur eine Momentaufnahme ist, verdeutlicht die Wichtigkeit einer intensiven und kompetenten kontinuierlichen Beaufsichtigung der systemischen Institute. Daneben haben eine ganze Reihe von Banken den Stresstest nicht bestanden und auch in den mehr als neun Monaten seit dem Stichtag die Probleme nicht abgestellt. Diese Institute haben mehr oder weniger sehenden Auges zugelassen, dass sie zu Parias des europäischen Bankensystems gestempelt werden. Die EZB muss in naher Zukunft erheblichen Druck entwickeln, damit diese Institute die Aufsicht nun endlich ernst nehmen. Und sie muss die Konsequenz, den Mut und die Handlungsfähigkeit entwickeln, Institute, die das nicht wollen oder nicht können, auch wirklich abzuwickeln.
Einige Kommentatoren deuten an, dass vor allem die italienischen Institute eine derart konsequente Aufsicht einfach nicht gewöhnt seien und deshalb das Durchfallen riskiert hätten. Offenbar war es mit ihrem Regulator der Vergangenheit, der Banca d’Italia immer sehr kuschelig, und die neue Härte kommt für sie überraschend. Diese Überraschung mag auch etwas mit den handelnden Personen zu tun haben. Von 2005 bis 2011 durften sie mit dem damaligen Gouverneur der Banca d’Italia, einem gewissen Mario Draghi, kuscheln. Hoffentlich ist das kein schlechtes Omen für die Zukunft der europäischen Bankenaufsicht.