Die Rüstungsindustrie sieht in Strategieüberlegungen der Bundesregierung zur Zukunft ihrer Branche hauptsächlich Trickserei. „Die machen schöne Schlagzeilen, aber mogeln sich um das, worauf es eigentlich ankommt herum“, schimpfte Hans Christoph Atzpodien vom Branchenverband BDSV gegenüber Capital. Das eigentliche Problem aus seiner Sicht: Dass die Regierung nicht genug Geld im Haushalt und ihrer mittelfristigen Finanzplanung vorsehe, um die Bundeswehr so auszurüsten, wie es die berühmte Zeitenwende nötig mache. „So kommt die Bundeswehr nicht aus der Mangelverwaltung heraus“, klagte Atzpodien. Nach Berechnungen des Lobbyverbands fehlen bis 2028 weitere 100 Mrd. Euro im Etat, um die Armee angemessen auszustatten.
Zuvor hatte das „Handelsblatt“ über ein Strategiepapier von Verteidigungsminister Boris Pistorius und Wirtschaftsminister Robert Habeck berichtet, das zur Vorbereitung eines entsprechenden Gesetzes dienen könnte. Demnach plant die Regierung vor allem zwei Maßnahmen: Rüstungsprojekte sollen bei der Genehmigung erstens gewisse Vorteile bekommen, die sie schneller machen können. Dabei geht es um die Klassifizierung von Rüstungsvorhaben als Maßnahmen von „überragendem öffentlichen Interesse“. Eine solche Einstufung würde die Verfahren zu ihrer Genehmigung beschleunigen.
Ähnlich war die Regierung bereits bei der Ansiedlung von LNG-Terminals vorgegangen. Dabei ging es um den Import von Flüssiggas nach der Gaskrise infolge des russischen Angriffs auf die Ukraine. Die LNG-Terminals waren tatsächlich in Rekordzeit fertiggestellt worden. Diese Beschleunigungsmaßnahme würde die Rüstungsindustrie auch begrüßen. „Das ist ein wichtiges Element“, sagte Branchenvertreter Atzpodien. „Wenn das kommt, sind wir froh“.
„Das Hauptproblem wird nicht gelöst“
Bei der zweiten Maßnahme in dem Papier geht es laut „Handelsblatt“ darum, dass der Staat leichter als bisher mit einem Minderheitsanteil bei strategisch wichtigen Rüstungsunternehmen einsteigen kann. Damit sollen die Unternehmen abgesichert werden und etwa ein Ausverkauf wichtiger Technologie erschwert werden. Bei Sensorlieferant Hensoldt beispielsweise ist der Einstieg auch schon ohne neues Gesetz gelungen. Die Technik des Unternehmens steckt etwa in Kriegsschiffen und Kampfjets der Bundeswehr. Im Jahr 2020 hatte die damalige Große Koalition einen Einstieg mit 25,1 Prozent beschlossen.
Ein möglicher neuer Fall könnte der U-Boot-Lieferant Thyssenkrupp Marine Systems sein. Der Stahlkonzern Thyssenkrupp will die Mehrheit an den US-Finanzinvestor Carlyle abgeben. Es kursieren Pläne, nach denen der Bund im Zuge dessen einen Minderheitsanteil erwirbt.
Es gehe dabei um die eher symbolische Absicherung von Schlüsseltechnologien, heißt es in der Branche. Auch diese Maßnahme wird dort begrüßt. Aber all das könne nicht über die Kernsorge hinwegtäuschen, so Atzpodien. „Das Hauptproblem wird nicht gelöst“, sagt er. Und das sei die karge Ausstattung des Bundeshaushalts.