Die jüngsten spektakulären Spielerwechsel in Europas Ligen demonstrieren, dass der europäische Fußball zu einem großen Geschäft geworden ist. Die kolportierte Ablösesumme von etwa 222 Mio. Euro für den Transfer des Brasilianers Neymar Junior vom FC Barcelona zu Paris Saint-Germain ist der vermeintlich teuerste Spielertransfer aller Zeiten. Er zog weitere Spielerwechsel wie den von Ousmane Dembélé von Borussia Dortmund zum FC Barcelona für 105 Mio. Euro sowie zahlreiche andere nach sich. Laut transfermarkt.de wechselten alleine in der 1. Bundesliga im Sommer-Transferfenster Spieler mit einem Gesamtausgabenvolumen von etwa 640 Mio. Euro den Verein.
Gleichzeitig steigen die Einnahmen der europäischen Clubs mit zweistelligen Wachstumsraten. So haben die 18 deutschen Erstligaclubs in der Saison 2015/16 erstmalig die Umsatzschwelle von 3 Mrd. Euro übersprungen. Ein Ende des Wachstums ist derzeit nicht in Sicht. Spätestens jetzt wird jedem deutlich, dass Fußball zu einem bedeutenden Wirtschaftsfaktor geworden ist. Ausgelöst werden die immer neuen Transferrekorde durch stark steigende Einnahmen der Clubs insbesondere durch die Fernsehvermarktung sowie in geringerem Umfang durch Werbung und die Einnahmen aus dem Spielbetrieb. In einzelnen Fällen sind auch finanzielle Zuwendungen von Unternehmen oder Staatsfonds für erhebliche Mittelzuwächse verantwortlich - wie beispielsweise Qatar Sports Investments bei Paris Saint-Germain.
Ohne Finanzierung und Eigenkapital kein Wachstum
Wie in jeder anderen Branche steigt mit dem Wachstum auch der Bedarf an Finanzierungen und intelligenten Lösungen für Finanzierungsprobleme. Spielertransfers müssen finanziert werden, zugleich gibt es hohen Investitionsbedarf in Infrastruktur wie Stadien, Trainingszentren und Digitalisierung. Banken und Kapitalmärkte behandeln den Wirtschaftssektor Fußball aber immer noch mit Zurückhaltung. Traditionell finanzieren sich Clubs über die großen Sportvermarktungsagenturen mit ihren Kombinationsangeboten aus Vermarktung und Vorfinanzierung. Kreditlinien von überwiegend regionalen Banken und Sparkassen spielen im Liquiditätsmanagement ebenfalls eine Rolle.
Fananleihen oder Forderungsvorfinanzierungen, etwa in Form von Transferfinanzierungen, sind auf der Fremdkapitalseite deutscher Clubs dagegen eher von untergeordneter Bedeutung. Auf der Eigenkapitalseite sind die Möglichkeiten deutscher Clubs ebenfalls begrenzt: Hier wird insbesondere die sogenannte „50+1“-Regel als Hindernis gesehen. Die Regel sieht vor, dass Vereine an ihren ausgelagerten Gesellschaften für den Betrieb des Profifußballs die Mehrheit der Stimmrechte innehaben müssen. Allerdings kann die Deutsche Fußball Liga (DFL) in bestimmten Fällen Ausnahmen zulassen, wenn ein Kapitalgeber einen Club einen Zeitraum von mindestens 20 Jahren ununterbrochen und erheblich unterstützt hat. Ausnahmen zu „50+1“ bestehen traditionell für die Werksclubs in Leverkusen und Wolfsburg, seit einiger Zeit für Hoffenheim und durch eine „innovative“ Konstruktion neuerdings auch für den Leipziger Verein.
Die aktuelle Diskussion über die Zulassung einer solchen Ausnahme in Hannover und das Engagement einer Investorengruppe belegt, wie schwierig und emotionsbeladen dieses Thema ist. Folglich müssen Eigenkapitalinvestoren sich mit Minderheitsbeteiligungen begnügen. Erfolgreiche Beispiele hierfür sind Bayern München (Allianz, Audi, Adidas), Hertha BSC Berlin (KKR) und jüngst der VfB Stuttgart (Daimler) . Lediglich Borussia Dortmund hat bisher den Sprung an die Börse gewagt und seine Aktie handelbar gemacht.
Die Rolle der Vermarktungsverträge
Hybride Eigenkapitalinstrumente wie Nachrangdarlehen oder partiarische Darlehen werden vorwiegend durch einzelnen Clubs nahestehende Sponsoren und Gönner genutzt - zum Beispiel beim Hamburger SV durch Klaus-Michael Kühne. Auch hier bestehen mit dem FIFA-Verbot der Teilhabe Dritter an Transferrechten von Clubs - sogenannte Third Party Ownership – oder den Regeln der UEFA zum Financial Fairplay regulatorische Hürden für den Einstieg institutioneller Investoren in diesen eher „grauen“ Kapitalmarkt. Woran liegt es, dass die Wirtschaftsbranche Fußball durch die Finanzmärkte bislang vernachlässigt wird und dass innovative Finanzierungsstrukturen wie zum Beispiel Verbriefungen, Projektfinanzierungen oder das sogenannte Crowdfunding sich nicht etablieren?
Smarte Fremdkapitalfinanzierungen erfordern entweder vorhandene freie Einnahmen oder die Erschließung neuer Einnahmen durch Clubs, also Investitionen. Das Problem zahlreicher Clubs ist jedoch, dass nur vergleichsweise wenig freier Cash-Flow für neue Finanzierungen zur Verfügung steht. Verantwortlich hierfür sind sehr häufig Vermarktungsverträge mit Agenturen, die Werbeeinnahmen, Einnahmen aus dem Spielbetrieb und aus Merchandising für die Sicherung von mit dem Abschluss solcher Verträge gewährten Vorfinanzierungen nutzen. Allerdings laufen eine Reihe von Vermarktungsverträgen in den nächsten Jahren aus. Clubs sind gut beraten, genau zu prüfen, ob Vermarktungsdienstleistungen mit Finanzierungsfunktionen verbunden werden sollen oder ob ein getrennter Einkauf von Vermarktung und Finanzierung vorteilhafter und vor allem flexibler sein könnte.
Aber auch die Steigerung der Umsätze aufgrund neuer TV-Vermarktungsverträge oder durch Einnahmen digitalisierter Direktvermarktungsangebote oder durch Jugendtrainingszentren schaffen Cash-Flow, der sich innovativ nutzen lässt. So könnten Stadien oder Trainingszentren in Form von Projektfinanzierungen finanziert werden, wo nach Vorbildern aus den USA durch die geschickte Verbringung von Stadien mit Verkehrsknotenpunkten und Einkaufsmöglichkeiten erhebliche Zusatzeinnahmen generiert werden. Solche Einnahmezuwächse lassen sich beispielsweise durch Verbriefungen wiederum als zusätzliche Mittel für den Spielbetrieb oder Infrastrukturinvestitionen nutzen.
Ziel von Finanzierungen muss es sein, ein langfristiges Wachstum von Einnahmen zu generieren und die Schuldendienstfähigkeit von Clubs vom - zumindest kurzfristigen - sportlichen Erfolg ein gewisses Stück zu entkoppeln. Nur wenn das gelingt, können der Fußball - und in seinem Schatten auch andere Sportarten - zu einer „normalen“ Wirtschaftsbranche werden, die für Fremdkapitalgeber, aber auch für innovative Finanzierungsformen wie das Crowdfunding attraktiv ist.
Die derzeitige Diskussion über die Schaffung wirtschaftlich tragfähiger Strukturen konzentriert sich derzeit aber vor allem auf den Einstieg von Kapitalgebern auf der Eigentümerseite von Clubs beziehungsweise in den von ihnen ausgelagerten Lizenzspielgesellschaften. Selbstverständlich ist eine angemessene Ausstattung der Clubs und ihrer Lizenzspielgesellschaften mit Eigenkapital Voraussetzung für wirtschaftliche Stabilität und auch die Erlangung von Fremdfinanzierungsmitteln. Zusätzliches Eigenkapital alleine ist aber noch keine Garantie für wirtschaftlichen und sportlichen Erfolg. Entscheidend ist, wie die Mittel eingesetzt werden, insbesondere, ob sie der Schaffung nachhaltiger Strukturen oder der Stopfung von Finanzlöchern dienen.
Gute Regulierung trägt zur Stabilität bei
Die Beispiele Bayern München, Hertha BSC und VfB Stuttgart zeigen, dass mit der Gewinnung von Eigenkapitalinvestoren keineswegs eine Diskussion über die Mehrheitsverhältnisse im Club einhergehen muss. Fraglich ist, ob man Entscheidungen über die Eigentümerstruktur alleine den Clubs überlassen kann oder ob hierfür ein Eingreifen der Verbände in Form von Regulierung notwendig ist, um den Fußball vor einer Übernahme durch Investoren zu schützen und damit dem Emotionalitätsempfinden vieler, vielleicht sogar der großen Mehrheit der Fans gerecht zu werden. Auch der Verweis auf andere Länder ist dabei nur wenig hilfreich, weil die Fußballkultur stark national geprägt ist und das Empfinden der Fans und damit der Kunden von Land zu Land unterschiedlich sein kann.
Gerade das Beispiel der Finanzindustrie selbst zeigt, dass gute Regulierung durchaus zur Stabilität eines Systems beitragen kann. Regulierung muss nur sinnvoll sein und an den richtigen Stellschrauben ansetzen. Ob „50+1“ alleine geeignet ist, die Übernahme des Fußballs durch Investoren zu verhindern und solide Eigentumsstrukturen zu schaffen, ist gerade vor dem Hintergrund der vorher erwähnten zahlreichen Ausnahmen fraglich. Clubs ohne eine solche Ausnahme sind gegenüber diesen Clubs sowie Clubs aus dem Ausland vermeintlich im Nachteil. Das zurzeit wenig erfolgreiche Abschneiden deutscher Vereine im europäischen Wettbewerb wird bereits als Beleg für einen solchen Wettbewerbsnachteil angesehen.
Auf der anderen Seite kennt die Rechtsordnung zahlreiche Beispiele für Eingriffe in die Wirtschafts- und Eigentumsfreiheiten. Die Rechtsprechung, insbesondere das Bundesverfassungsgericht, hat hier bedeutende Eingriffe zugelassen. Beispiele hierfür sind nicht nur die Regulierung der Finanzmärkte, sondern auch das deutsche Mitbestimmungsrecht, das mittlerweile als stabilisierendes und für einen Interessenausgleich verschiedener Stakeholder sorgendes Element der deutschen Wirtschaft anerkannt ist. Im Sport, insbesondere im Fußball, besteht nun allerdings keine Kompetenz des Gesetzgebers. Vielmehr wird der Sport weitgehend durch Verbandsrecht geregelt, und hier überlagern sich die Kompetenzen der nationalen Verbände (DFB und DFL in Deutschland) mit den internationalen Verbänden FIFA und UEFA. Ob einzelne Verbandsregeln wie etwa „50+1“ mit nationalem und europäischem Recht vereinbar sind, sind schwierige und umstrittene Fragen.
Fremdfinanzierung weniger emotional aufgeladen
Fremdfinanzierungen haben im Vergleich zu vielen Formen der Eigenkapitalfinanzierung den Vorteil, dass sie zeitlich begrenzt sind und nicht oder nur in Ausnahmefällen auf die Erzielung von Spekulationsgewinnen ausgelegt sind. Einzelne Instrumente wie das Crowdfunding oder auch Fan-Anleihen können sogar „demokratisch“ gestaltet werden und sind damit weniger emotional aufgeladen als Eigenkapitalfinanzierungen, die auf eine Mehrheit der Stimmrechte ausgelegt sind. Der zum Teil berechtigte, zumindest aber verständliche Protest gegen den „Ausverkauf“ des Fußballs kann daher mit Fremdkapital viel leichter als mit Eigenkapitalbeteiligungen beherrscht werden. Dies ist ein überaus wichtiger Aspekt - schließlich ist die Emotionalität des Fußballs auch das Rückgrat für die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Branche Fußball.
Professionelle sportliche Strukturen erfordern langfristig auch professionelle wirtschaftliche Strukturen. Diese setzen innovative und auf die individuelle Situation der Clubs zugeschnittene Finanzierungslösungen voraus. Nur so wird es deutschen Clubs langfristig gelingen, auch in den internationalen Wettbewerben eine erfolgreiche Rolle zu spielen. Damit wird keineswegs einer Fortsetzung der Spirale von steigenden Ablösesummen oder Gehältern das Wort geredet.