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Finanzevolution Plattformoffensive bei der Unternehmensfinanzierung

Bei der Unternehmensfinanzierung bekommen die Banken von Plattformen Konkurrenz
Bei der Unternehmensfinanzierung bekommen die Banken von Plattformen Konkurrenz
© dpa
Der klassische Bankkredit verliert bei der Unternehmensfinanzierung immer mehr an Bedeutung. Dirk Elsner über Plattformen, die für großvolumige Finanzierungen eine stärkere Rolle spielen

Nach eine Studie der Unternehmensberatung Accenture konzentrieren sich Unternehmen beim Innovationsmanagement eher darauf, bestehende Produkte und Services effizienter zu gestalten, als neue Geschäftsfelder zu erschließen. Sie würden damit zwar auf kurzfristige Kunden- und Markterwartungen reagieren, jedoch den langfristigen Erfolg aus dem Blick verlieren. Das klingt wie eine Ausprägung des „Innovator’s Dilemma“. Dahinter steckt die These des US-amerikanischen Wirtschaftswissenschaftlers Clay Christensen, wonach etablierte und erfolgreiche Firmen oft disruptive Technologien unterschätzen und dadurch mittelfristig Wettbewerbsnachteile erleiden (siehe dazu auch Banken im „Innovator’s Dilemma“ ).

Ein Geschäftsfeld, das die Bankenindustrie mit Sicherheit nicht gern preisgeben wird ist das Finanzierungsgeschäft. Nach aktuellen Daten zur Kreditnachfrage brauchen sich Banken zumindest vordergründig keine Sorgen machen. Laut Kreditnehmerstatistik der Bundesbank stieg das Gesamtvolumen der Kredite an Unternehmen im ersten Quartal 2019 erneut an. Schaut man aber wie deutsche Unternehmen mittlerweile insgesamt ihr Kapital beschaffen, dann nimmt die Bedeutung der Bankenfinanzierungen weiter ab. Das lässt sich ablesen an der jährlichen Berichterstattung der Bundesbank über die Finanzierungsverhältnisse deutscher Unternehmen. Danach ist das Volumen der Fremdfinanzierung zwar gewachsen (um 51 Prozent), jedoch unterdurchschnittlich im Vergleich zum Kapitalwachstum (+91 Prozent). Im gleichen Zeitraum haben die Unternehmen deutlich stärker ihr Eigenkapital erhöht (+127 Prozent). Ende der 90er Jahre des letzten Jahrhunderts betrug der Anteil der kurz- und langfristigen Bankenfinanzierung laut einer Studie des Instituts der Deutschen Wirtschaft über 20 Prozent des Kapitals. Bereits 2007 , also noch vor der heißen Phase der Finanzkrise, war der Anteil auf 13,45 Prozent zurückgegangen. Bis 2017 reduzierte sich der Anteil auf 10,7 Prozent.

Am stärksten finanzieren sich Firmen übrigens über verbundene Unternehmen. Diese Verflechtungsverbindlichkeiten sind seit 2007 um 134 Prozent gestiegen. Nach Bewertung der Bundesbank stehe diese dies im Zusammenhang „mit realwirtschaftlichen Trendfaktoren, wie dem Aufbau arbeitsteiliger Wertschöpfungsprozesse und der zunehmenden Internationalisierung der deutschen Wirtschaft), sowie der Einschaltung von konzerneigenen Finanzierungsgesellschaften für Mittelaufnahmen an den internationalen Finanzmärkten“.

Der klassische Bankkredit ist nicht mehr so gefragt

Die Erkenntnis, dass für Unternehmen der Bankkredit eine immer geringere Rolle spielt, ist nicht neu. Die Konkurrenz für den Bankkredit wird nicht nur im Privatkundenbereich deutlich, sondern mittlerweile auch im höhervolumigen Firmenkundengeschäft. Bereits im vergangenen Jahr mahnte die Unternehmensberatung PWC an , Banken müssten einen Gang hochschalten, wenn sie den Wettbewerb im Firmenkundengeschäft meistern wollen. Schleppende Kreditvergaben und müder Service lassen viele Mittelständler nach Alternativen suchen, schrieb die Wirtschaftswoche schon 2017. Friedrich Hubel, Geschäftsführer Deutschland der Finanzierungsplattform Lendico, stellt im Fachblog Payment and Banking fest , dass die Digitalisierung mittlerweile auch zu einer veränderten Erwartungshaltung der Firmenkunden führe.

Während moderne Instrumente wie die blockchainbasierten Security Token Offerings noch Zeit bis zur Massentauglichkeit benötigen, verändert sich sichtbar das Angebot für traditionelle Finanzierungsmittel. So sind in den letzten Jahren eine Reihe von Spezialdienstleistern in den Markt getreten, die entweder gemeinsam mit Banken oder am Bankensektor vorbei das klassische Geschäft für hochvolumige Finanzierungen modernisieren. Der Schwerpunkt der Aktivitäten liegt hier in Plattformen für die digitalisierte Geschäftsanbahnung und Begebung und Abwicklung von Anleihen, Schuldscheinen und Krediten, also sehr traditionellen Finanzierungsinstrumenten.

Unter Plattformen wird eine technische Infrastruktur verstanden, auf der Angebot und Nachfrage durch eine dreiseitige Plattformstruktur abgelöst werden. Die Plattformbetreiber vermitteln dabei nicht nur als zentrale Instanz zwischen den Marktteilnehmern, sondern greifen auch direkt in deren Interaktion ein. Ein beliebtes Beispiel aus der digitalen Welt ist der Vermittler für privaten Wohnraum Airbnb . Aus der klassischen Welt ist dies aber auch ein Wochenmarkt oder eine organisierte Wertpapierbörse. Auch hier werden unter Vorgabe bestimmter Rahmenbedingungen Anbieter und Nachfrager durch einen Marktorganisator zusammengeführt. Die modernen Plattformanbieter entwickeln also nicht unbedingt neue Produkte, sondern organisieren Transaktionen über Produkte und Dienstleistungen zwischen verschiedenen Partnern (siehe vertiefend, Capital Baukasten-Banken: von Ökosystemen und Plattformen ) und realisieren dies mit Hilfe moderner Digitaltechnologie.

So können etwa auf der Plattform des Berliner Start-ups Crosslend Banken Kredite verbriefen und diese als Wertpapiere an Investoren veräußern. Diese Möglichkeit nutzt z.B. das börsennotierte Finanzierungs-Fintech Creditshelf für Mittelstandskredite. Crosslend kauft dazu über die Creditshelf-Plattform Kreditforderungen an, verbrieft diese und bietet dann die verbrieften Kreditforderungen qualifizierten Anlegern über ihre eigenen Kanäle als ein neues Produkt an.

Immer mehr Plattformen

Den Weg der Verbriefung geht auch Acatus. Durch den Verbriefungsprozess soll die paneuropäische „Debt Capital Markets-Plattform“ prinzipiell jede Art von Vermögenswert auf Einzelbasis schnell und kostengünstig in ein depotfähiges Wertpapier mit einer Wertpapierkennnummer (ISIN) umwandeln und dem Kapitalmarkt als Investmentmöglichkeit zur Verfügung stellen können. Die Bandbreite soll von Unternehmens-, Immobilien- oder Konsumentenkrediten über Versicherungspolicen bis zu Realvermögenswerten reichen.

Die Lufthansa hat über die Plattform VC Trade Mitte April 800 Mio. Euro für einen digitalisierten Schuldschein eingesammelt. VC Trade setzt dabei auf die Zusammenarbeit mit Banken , die häufig die Schuldscheinfinanzierungen für ihre Kunden arrangieren und professionellen Investoren und unterstützt nach eigenen Angaben von der Geschäftsanbahnung bis hin zur Geschäftsabwicklung den gesamte Zyklus solcher Geschäfte.

Auch die Luxemburger Plattform EPPF, mit der auch mein Arbeitgeber die DZ BANK zusammenarbeitet, unterstützt den gesamten Finanzierungsprozess, diesmal allerdings für die Emission von Anleihen. EPPF steht für European Private Placement Facility und standardisiert Schritte wie Dokumentation und Abwicklung auch für kleinere Emissionen. So sollen auch Transaktionen ab einem Volumen von 10 Mio. Euro rentabel werden.

Die Kölner Plattform Credx ist sogar noch breiter aufgestellt und will Emittenten und Investoren für Schuldscheine, Kredit und Anleihen ab einem Volumen von 10 Mio. Euro zusammenbringen. Dabei werden Transaktionen angebahnt, abgeschlossen und abgewickelt.

Nicht alle werden sich durchsetzen

Diese und weitere Beispiele wie Debtvision, Firstwire, Origin oder Synd-X unterstreichen, dass Plattformen für großvolumige Finanzierungen eine stärkere Rolle spielen und diese eng mit der klassischen Finanzbranche zusammenarbeiten. Wirklich valide Daten liegen zu den einzelnen Plattformen zwar nicht vor, gleichwohl zeigt die Gründung zahlreichen Finanzierungsplattformen eine beachtliche Dynamik. Interessant ist hier, dass das hiesige Geschäft dominiert wird von deutschen oder zumindest europäischen Plattformen. Paypal, Amazon und die meisten P2P-Plattformen finanzieren zwar längst auch, adressieren aber bisher eher kleinvolumige Transaktionen.

Banken scheinen sich vor allem deswegen zu engagieren, weil sie mit den Wünschen ihre Großkunden gehen und diese nicht verlieren wollen. Das zeigt insbesondere das Beispiel VC Trade. Mit den prominenten Emissionen Lufthansa und Fraport hat VC Trade hier Erfolge erzielt, die auch im Bankensektor für Anerkennung sorgen.

Werden sich alle Plattformen durchsetzen? Das dürfte unwahrscheinlich sein, denn für diese Plattformen sind Netzwerkeffekte von besonderer Bedeutung. Das bedeutet, sie müssen zügig eine ausgewogene Mischung und eine hinreichende Anzahl von Anbietern und Nutzern bieten, damit neue Anbieter und Nutzer Vertrauen schöpfen und wegen der größeren Zahl die Plattformen vorziehen. Die Frage ist auch, ob es für unterschiedliche Finanzierungsinstrumente jeweils eigene Plattformen bedarf oder ob nicht eines Tags auf Basis neuer Ideen ganz neue Finanzierungsinstrumente entstehen, die Anleihen, Schuldscheine, Commercial Paper oder klassische Kreditverträge einfach ersetzen.

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© Sebastian Berger, Stuttgart

Dirk Elsner ist bei der DZ Bank Senior Manager Innovation und Digitalisierung. In dieser Kolumne äußert er seine private Meinung. 2008 hat er das private Wirtschaftsblog BlickLog gegründet, das mehrfach ausgezeichnet wurde.

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