Kinobetreiber atmen auf. Nach der Corona-Zwangspause öffnen die Lichtspielhäuser allmählich ihre Türen. Filmverleiher zeigen Medienvertretern ihre neuen Produktionen demnächst wieder wie gewohnt auf Leinwänden, statt nur Links zu Streams zu mailen. Allen Beteiligten ist angesichts von Abstandsregeln und verschobenen Filmstarts klar: Erst einmal wird nichts mehr so sein wie vor Ausbruch der Covid-19-Pandemie. Die Corona-Krise könnte das Geschäft aber für immer verändern. Dann nämlich, wenn neue Filme auch weiterhin sofort auf Streamingplattformen veröffentlicht werden.
Die Kinos haben schon vor der Pandemie unter sinkenden Besucherzahlen gelitten. Ihr größtes Kapital war bislang der Alleinanspruch auf Neustarts. Filmverleiher haben ihre Produktionen bislang erst Monate später auf DVD, per Stream oder im Fernsehen zugänglich gemacht. Bei Verstößen gegen gängige Fristen wurde hierzulande schon mal von großen Kinoketten mit Boykott gedroht, so geschehen 2006 beim Streit um Sönke Wortmanns „Deutschland. Ein Sommermärchen“ und kurz darauf erneut beim DVD-Start von „Eragon – Das Vermächtnis der Drachenreiter“.
Neue Filme sofort per Stream
Doch diese althergebrachten Verwertungsmuster geraten zunehmend unter Druck. Eigenproduktionen von Netflix und Amazon konkurrieren längst bei den Oscars mit den großen Hollywoodstudios, obwohl diese Filme nur pro forma in einigen Lichtspielhäusern gezeigt werden. Die Schließung der Kinos hat dann zwangsläufig zum Dammbruch geführt. Der Start von Blockbustern wie Daniel Craigs Abschied als James Bond oder der neunte Teil der „Fast & Furious“-Reihe wurden zwar verschoben. Andere Filme hingegen wurden einfach als Stream veröffentlicht.
Die Preise waren anfangs hoch. Auf Amazon wurden beispielsweise rund 20 Euro verlangt. Nach einigen Wochen hat aber der Preisrutsch eingesetzt. „The Hunt“ mit Hilary Swank (Filmstart: 14. Mai) kostete Mitte Juni bei Prime Video nur noch 15 Euro. Die Literaturverfilmung „Emma“ war drei Monate nach der Veröffentlichung für die Hälfte zu leihen.
Streaming und Kinostart gleichzeitig?
Kinobetreiber müssen nun befürchten, dass die Corona-Ausnahmeregel wenigstens teilweise zur neuen Realität wird. Denn das Streaminggeschäft mit Neustarts hat sich für die Studios als lukrativ erwiesen. Universal meldete beim Online-Start für den Familienfilm „Trolls World Tour“ ähnliche „Einspielergebnisse“ wie für den Vorgänger. Das habe die Erwartungen übertroffen, sagte NBCUniversal-CEO Jeff Shell dem „Wall Street Journal“. Er kündigte dem Bericht zufolge an, dass Produktionen künftig zeitgleich im Kino und per Stream veröffentlicht werden sollen.
Die Kinokette AMC Theatres drohte daraufhin mit dem Boykott von Universal-Filmen. Aber ein solcher Schritt hat im Gegensatz zu früher offenbar an Schrecken verloren. Studios und Verleiher haben nun bewährte Alternativen. Universal bemühte sich zwar in einer Stellungnahme, die Wellen zu glätten. Das Studio hielt jedoch laut „Hollywood Reporter“ daran fest, neue Filme auch als Video-on-Demand zu veröffentlichen, „wenn dieser Verleihweg Sinn ergibt“.