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Management Nein zum Quickie

Wir sind Quick Winner. Aber wer nachhaltige Ziele erreichen möchte, muss solche "Quickies" meiden wie die Pest. Von Hermann Scherer
Hermann Scherer
Hermann Scherer

Hermann Scherer ist Autor, Business-Experte und Vortragsredner. Sein neuestes Buch: „Fokus! – Provokative Ideen für Menschen, die was erreichen wollen!“ Mehr dazu auf: www.fokus-bestseller.com

Was Sie im Bett tun, ist mir eigentlich egal. Ich interessiere mich nur peripher für das Sexualleben anderer Menschen. Auch was über Prominente in der Bunte oder Gala steht, gehört nicht zu meinen Steckenpferden. Ich meine mit Quickies eher jene Tätigkeiten, Verhaltensweisen und Beziehungen, die uns von den Dingen abhalten, die wirklich essenziell sind. Lieber den Spatz in der Hand als die Taube auf dem Dach – so handeln wir meistens und übersehen dabei, was uns durch mangelnde Fokussierung verlorengeht.

Ich kann Ihnen die Plattitüde vom Informations-Overkill in einer sich rasant digitalisierenden Welt an dieser Stelle nicht ersparen. Ja, es ist wahr. Der digitale Wahnsinn und die mobilen Endgeräte lassen uns zu erwachsenen ADHSlern mutieren, die von einem Impuls zum nächsten hecheln. Jeder neue Reiz unterbricht unseren Flow, und reflexartig reagieren wir auf die Signaltöne des Handys und des Lebens.

Fahrlässiger Umgang mit Lebenszeit

"Fokus! Provokative Ideen für Menschen, die was erreichen wollen" ist im Campus Verlag erschienen
"Fokus! Provokative Ideen für Menschen, die was erreichen wollen" ist im Campus Verlag erschienen

Ein Alltagsbeispiel: Sicher haben Sie etliche unerwünschte Newsletter, Facebook-Benachrichtigungen und mehr davon in Ihren zahlreichen Posteingängen. Lesen Sie das alles? Kein Mensch kann das, also werden sie gelöscht. Einen Newsletter zu löschen, ist ein Quick Win, ein klassischer Quickie. Einen Newsletter zu löschen, den man ohnehin nicht liest, ist Selbstbetrug übelster Sorte. Zwar mit einem einfachen Tastendruck gelöscht. Aber er kommt wieder! Und dann zwingt er Sie wieder zum Löschen. Und wieder, möglicherweise 52-mal im Jahr werden Sie durch eine idiotische Tätigkeit in Ihrem Arbeitsfluss unterbrochen und Ihre wertvollen Gedanken werden verunreinigt.

Manche von Ihnen werden so einen Newsletter ihr Leben lang nicht los. Wollen Sie von Ihrer endlichen Lebenszeit wirklich viele, viele blöde Stunden für tausende Löschvorgänge verwenden? Und dennoch löschen 99 Prozent der Menschen einfach nur den aktuellen Newsletter, ohne sich auszutragen. Millionen Menschen, Millionen Stunden vergeudete Zeit. Was für ein Irrsinn! Es geht mir im Grunde gar nicht um die Newsletter, es geht mir um den unachtsamen Umgang mit unserem Leben und vor allem unserer Lebenszeit.

So sind wir. Dieses ständige Kleindenken vernebelt den Blick auf die wirklich erstrebenswerten Visionen – die Long Wins. Aber nur die bringen nachhaltige Gewinne. Ein typischer Quick Win: Der Abgasskandal bei VW – die Rechnung geht in die Milliarden. Steve Jobs dagegen hat vorgemacht wie es richtig geht: Sieben lange Jahre vergingen von der ersten Idee bis zum Verkauf des ersten iPhones. Das Gerät war schließlich so innovativ und perfekt umgesetzt wie kein anderes Mobiltelefon zuvor. Ja, es hat Smartphones erst zu dem gemacht, was sie heute sind und dabei die Welt verändert. Das nenne ich Fokus auf den Long Win.

fatale Neigung zur Kurzfristdenke

Ein echter Long Win – eine Heldentat der Geduld – war auch die Erfindung der Viehhaltung, um nicht mehr jagen gehen zu müssen. Stellen Sie sich vor: Jeden Tag steht das Lamm im Vorgarten und könnte geschlachtet und gegrillt werden, aber die Menschen füttern es täglich weiter und enthalten sich der Gier. Was für ein epischer Sieg der Vernunft, was für ein Longie!

Scheinbar hat uns die Evolution diese fatale Neigung zur Kurzfristdenke eingebaut. Wir hasten schnell zum vermeintlichen Erfolg. Die Rechnung wird später bezahlt.

Das gilt auch in Politik und Wirtschaft. Die Legislaturperioden sind genau so lang, dass die schlimmen Folgen der Regierungsentscheidungen oder -unterlassungen erst vier oder fünf Jahre später über die Nachfolger hereinbrechen. Das erfordert einiges Geschick, weshalb nach etlichen innerparteilichen Wahlschlachten nur die besten Quick Winner in hohe politische Ämter gewählt werden können. In der Wirtschaft ist es nicht anders: Börsennotierte Unternehmen müssen quartalsweise berichten – was in der langlebigen Wirtschaft etwa so ist, als gäbe es in der Schule jede Woche Zeugnisse. Sie sind dazu verdammt, permanent gute Nachrichten zu produzieren, sonst stürzt der Aktienkurs ab. Unternehmen, die lieber nachhaltig, substantiell und gesund wirtschaften wollen, meiden darum das grelle Schaufensterlicht des Börsentrubels tunlichst. Die typisch deutschen mittelständischen Familienunternehmen jedenfalls können Sie nicht so leicht herauf- oder herunterjubeln. Die brauchen auch keine frisierten Abgaswerte, um kurzfristige Erfolgsmeldungen auf schwierigen Märkten zu vermelden.

Quick Wins halten uns klein

Wer nachhaltige Ziele erreichen möchte, muss auf Quickies verzichten, sie sogar meiden wie die Pest. Voller Fokus aufs Wesentliche. Gott sei Dank wird der Verzicht in unserer Welt ja wieder salonfähiger. Es gibt Bewegungen von Slow-Food-Anhängern, anderen Konsumverweigerern oder einen Trend zur Shared Economy.

Wer auf Quick Wins setzt, glaubt, den Erfolg zu verfolgen, aber in Wahrheit rennt er weg vor Qualität, Substanz und Stabilität. Quick Wins halten uns klein. Sie lassen uns klein denken. Wir denken uns klein. Und wir verlieren den Blick für die Ferne.

Es bleibt dabei: Egal ob wir zu Long Win oder zu Quick Win neigen, wir haben immer die Wahl. Nur: Wenn wir sinnvoll kalkulieren wollen, dann dürfen wir die langfristigen Kosten bei unserer Kalkulation nicht außer Acht lassen. Damit meine ich die Kosten, die eintreten, weil wir Dinge machen oder eben so machen und die Kosten, die eintreten würden, wenn wir es nicht machen oder eben nicht so machen würden, die Opportunitätskosten. Opportunitätskosten sind keine echten Kosten im Sinne der Kostenrechnung, sondern ein ökonomisches Konzept zur Quantifizierung entgangener Alternativen.

Fest steht: Ihre Welt ist die Summe Ihrer Entscheidungen und Ihrer Fokussierungen zwischen Quick und Long. Und wenn Sie darüber nachdenken, wofür Sie angetreten sind und auf Ihre eigenen Entscheidungen zurückblicken, dann werden Sie im Rückblick nicht bereuen, auf den ein oder anderen Quick Win verzichtet zu haben. Ganz sicher nicht!

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