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Munich-Re-Vorstand Torsten Jeworrek „Wir entscheiden in dieser Pandemie wie im Mittelalter”

Szenarien wie eine Pandemie gehören zu seinem Geschäft: Torsten Jeworrek ist Vorstand des Rückversicherers Munich Re und kümmert sich unter anderem um den Einsatz von Daten. Er regt für die nächste Pandemie eine zentrale Datenbank in Europa an

Die Corona-Pandemie kam im Frühling 2020 für die meisten Europäer unerwartet. Doch für den Vorstandsmitglied der Rückversicherung Munich Re, Torsten Jeworrek, war sie „grundsätzlich nichts Überraschendes“. „Wir sind ein Unternehmen, das vom Risiko lebt“, sagt Jeworrek im Podcast „Die Stunde Null“. „Wir haben ein strukturiertes Risikomanagement, das versucht auch sehr unwahrscheinliche Szenarien zu antizipieren.“

Ein solches Risikomanagement allerdings erwartet der Manager auch von der Politik, die auch über Pandemie-Szenarien informiert war. Allerdings seien eine vernünftige Vorbereitung und ein „Risikomanagement der Institutionen, der Bundesregierung, der Landesregierung nicht vorhanden“ gewesen, kritisiert Jeworrek. Unter Unsicherheit müsse man „gute, vernünftige Entscheidungen treffen, selbst wenn man auch mal teilweise daneben liegt. Geschwindigkeit ist wichtiger als Genauigkeit.“

Jeworrek bemängelt, dass die Bundesregierung und die Länder als Mittel „nur Lockdown-Entscheidungen“ kennen. Vor allem die Digitalisierung hätte aus seiner Sicht noch bessere Lösungen geboten. „Wir nutzen Entscheidungsmechanismen wie im späten Mittelalter“, sagt er.

Daten hätten im Kampf gegen die Pandemie aus Jeworreks Sicht besser und breitflächiger genutzt werden können. Er plädiert für eine „zentrale, verpflichtende Datenbank, die in anonymisierter Form mit Datenschutzrechten alle Daten von Patienten speichert und damit zentral auswertbar macht“. Weniger Datenschutz, so sieht es Jeworrek, hätte in diesem Fall „Menschenleben retten“ können.

Der exakte Verlauf einer Pandemie und die damit verbundenen politischen Entscheidungen bleiben auch für eine Rückversicherung schwer vorhersehbar. Corona-bedingt brach der Gewinn des Münchners Unternehmens von 2,7 Milliarden Euro 2019 auf 1,2 Mrd. Euro im vergangenen Jahr ein. Die durch die Pandemie entstandenen Schäden belaufen sich auf 3,4 Mrd. Euro, vor allem durch die Absage oder Verschiebung von Großveranstaltungen – wie der Olympischen Spiele in Tokio. Eine gewisse Unvorhersehbarkeit sei aber normal, versichert Jeworrek: Die verschiedenen Szenarien können nie ganz richtig liegen. „Summa summarum ist auch diese Pandemie kein sogenanntes ‚Worst Case Event‘, weder für uns als Unternehmen noch für die Gesellschaft“, sagt er.

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