Tyler Cowen gilt als einer der einflussreichsten Ökonomen der USA. Unter marginalrevolution.com bloggt er über Märkte und Finanzen – oder auch vegane Stripclubs.
Das erste Mal bin ich vietnamesischem Essen in den späten 80ern begegnet. Damals lebte ich in Südkalifornien, in der Nähe der vietnamesischen Gemeinde von Westminster, Orange County. Das Essen fand ich fad. Ein bisschen trocken. Mein Erweckungserlebnis hatte ich erst, als eines Tages der Besitzer eines Restaurants einfach an meinen Tisch trat, etwas Vietnamesisches murmelte und anfing, Soßen und Gewürze über meinem Essen zu verteilen. Das Restaurant wurde sofort zwei Klassen besser – und eine Liebe begann.
Hier eine ästhetische und ökonomische Wahrheit: Eifrige Feinschmecker und famose Zutaten finden oft nicht zusammen, weil Letztere häufig schnell verderben und viel zu teuer transportiert werden müssten. Vietnamesisches Essen aber taugt fast überall und immer etwas. Das kann man zum Beispiel von Meeresfrüchtegerichten aus Südchina kaum behaupten, für die muss man schon in der Gegend sein.
Vietnamesische Soßen und Gewürze lassen sich recht leicht herstellen, sie reisen ohne Murren und lagern geduldig. Das liegt auch an der ökonomischen Rückständigkeit des Landes selbst: Man konnte sich nie darauf verlassen, dass etwas gekühlt werden konnte, darum wurden die Zutaten so entwickelt, dass sie kaum verderben.
Eine andere Wahrheit über vietnamesisches Essen: Wenn die Gerichte im Restaurant nicht nach Soßen, Gewürzen und Zusätzen verlangen, war die Bestellung ein Fehler. (Außer in vietnamesischen Sandwichläden, da ist das Essen stets ordentlich vorgewürzt.) Man kriegt dann ein fades asiatisches Essen, das wie chinesisch mit vietnamesischer Prägung schmeckt – und zwar in So-lala-Qualität.
Und dabei entgeht einem auch noch das Beste: Nuoc Mam Pha zum Beispiel, eine Mischung aus Limettensaft, Fischsoße, Zucker und Wasser, manchmal ergänzt um Pfeffer, gehackte Karotten oder Knoblauch. Nichts kommt in der vietnamesischen Küche einer Allzwecksoße so nah. Ich mag das Zeug auf Bruchreis, ich dippe Frühlingsrollen hinein, gieße es auf Fadennudeln oder auf vietnamesische Pfannkuchen mit Shrimps und Sojasprossen. Auch Nuoc Leo ist großartig: eine Soße für viele Rindfleischgerichte; aus Tomatenmark, Erdnussbutter, Zucker, Sesam, Knoblauch, Pflanzenöl, ein bisschen Schweinefleisch und -leber.
Leider ist vietnamesisches Essen nie besonders populär geworden. In den USA haben wir einige Suppenläden und Foodtrucks mit vietnamesischen Sandwiches, aber nicht viel mehr. Dabei ist das Essen selten zu exotisch, nie zu teuer und relativ gesund – auch weil es wegen seiner speziellen Zusätze nicht so abhängig von Öl und Fritteusen ist. Aber dass man so viel mit Soßen und Gewürzen hantieren muss, ist wohl eine Hemmschwelle. Thailändisches oder indisches Essen ist deutlich leichter zu verstehen.
Dabei muss man sich nicht einmal die genauen Instruktionen für die Würze merken. Der kluge Esser weiß, dass in der globalen Marktwirtschaft alles dezentralisiert ist. Auch das Wissen. Sogar das Wissen, wie etwas gegessen werden muss. Man muss bloß den Mut haben, sich potenziellen Helfern an den Hals zu werfen: einfach den Kellner oder andere Gäste fragen, auch bei Sprachbarrieren. In vietnamesischen Restaurants reicht es manchmal, die Deckel der Soßen und Gewürze zu öffnen und verwirrt auszusehen, damit Hilfe naht.
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Illustration: Jindrich Novotny