Als ich den 80er-Jahren in Freiburg studierte, fuhr ich zum Essen gern raus nach Glottertal. Der Ort ist winzig und nicht leicht zu erreichen, aber die Restaurants dort waren deutlich besser und sogar oft billiger als die in der Stadt. Wie, dachte ich, kann das sein? Ein Rätsel. Erst im Laufe der Zeit wurde mir klar, wie leicht es sich mithilfe der Wirtschaftswissenschaften lösen ließ.
Nur selten wird mit dem Vokabular der Ökonomie über das gesprochen, was wir essen. Dabei ist im Jahr 2013 kaum ein Lebensbereich derart kommerzialisiert wie die Ernährung – egal ob bei McDonald’s, in einem Dönerladen oder einem Sterne-Restaurant in Baiersbronn. Was wir essen, ist nichts anderes als das Ergebnis von Angebot und Nachfrage.
Als Foodie und Ökonom will ich erklären, was hinter unserem Essen steckt. Das sind oft drängende Fragen. Wie zum Beispiel können wir die weltweite Nahrungsmittelproduktion bis 2050 verdoppeln? Genau das nämlich wäre nötig, um den Hunger aller Menschen zu stillen, die dann auf der Erde leben werden. Keine einfache Aufgabe, wenn in den armen Ländern die Infrastruktur schlecht ist, die Anbauflächen klein sind und die Umweltprobleme groß.
Andere Fragen sind nicht ganz so gravierend, machen aber genau darum Spaß: Wie können wir selbst besser essen, besser kochen oder bessere Restaurants finden? Nicht jedenfalls, indem wir den „Guide Michelin“ auswendig lernen. Stattdessen sollten wir Essen als ökonomisches Gut verstehen – und dieses Verständnis nutzen.
Also, wie findet der Ökonom ein gutes Restaurant? Eine einfache Regel hilft: da suchen, wo man nicht so einfach hinkommt. Ein Restaurant in einer deutschen Fußgängerzone zum Beispiel wird weder besonders innovativ sein noch wird es exzellentes Essen servieren. Denn der Laden muss jeden Tag Massen von Kunden bedienen, um die Miete in dieser Lage bezahlen zu können. Also werden standardisierte Produkte angeboten. Die Fußgängerzone lockt auch kaum Kunden, die sich groß um die Qualität des Essens kümmern. Eher Touristen. Die wollen keine kulinarische Erfüllung, die wollen shoppen. Zum Essen geht man also besser in diedunkle Gasse hinter dem Rathaus.
Diese Logik gilt übrigens fast überall auf der Welt. Nehmen wir Manhattan. Die Insel ist länger als breit. Wegen ihrer Form läuft mehr Verkehr über die großen „Avenues“, die von Norden nach Süden führen, als über die West-Ost-Achsen der „Streets“. Die Fifth Avenue hat also mehr Laufkundschaft und höhere Mieten als – sagen wir mal – die 37th Street. Dafür aber auch die schlechteren Restaurants.
Nicht nur in Städten, auch in Ländern kann man sich so orientieren. In Italien zum Beispiel findet man nirgends so schwer ein gutes Restaurant wie zwischen den Touristenhorden in Rom, Florenz und Venedig. Besser, man weicht gleich nach Parma oder Palermo aus.
Und Glottertal? Im Schwarzwald kommt man ohne Auto nur schlecht herum. Niemand stolpert nach dem Shoppen in Freiburg zufällig nach Glottertal. Restaurants dort müssen andere Kunden anziehen: etwa Gourmet-Touristen, die genauso gut situiert wie informiert sind. Oder Einheimische, die genau wissen, wo es schmeckt.
In Glottertal also war das Essen so gut, weil die Busverbindungen dorthin so schlecht waren.
Tyler Cowen gilt als einer der einflussreichsten Ökonomen der USA. 2011 sorgte er mit seinem Buch „The Great Stagnation“ für Aufsehen. Unter marginalrevolution.com bloggt er über Märkte und Finanzen – oder auch vegane Stripclubs.
Foto: © Tyler Cowen