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Fluggesellschaft Kursverlust trotz Rekordgewinn: Warum Anleger der Lufthansa misstrauen

Lufthansa-Flugzeug im Landeanflug, Eurowings-Flugzeug am Boden in Frankfurt am Main
Nicht nur die Lufthansa selbst, auch die Töchter Eurowings und Eurowings Discover näherten sich wieder Vorkrisenniveau an
© picture alliance / Jochen Tack | Jochen Tack
Die Lufthansa fährt einen Rekordgewinn ein, aber die Aktie setzt ihren Abwärtstrend fort. Woher rührt die Skepsis der Anleger aktuell? Und was erwarten Luftfahrtexperten für die nächsten Monate?

Turbulente Zeiten und Milliardenverluste liegen hinter der Lufthansa, Deutschlands größter Airline. Doch Vorstandschef Carsten Spohr hatte schon nach dem ersten Quartal dieses Jahres prophezeit, der Sommer 2023 werde einer der umsatzstärksten der Unternehmensgeschichte. Nun hat der Konzern für das zweite Quartal einen Rekordgewinn vorgelegt: ein bereinigtes Betriebsergebnis von 1,1 Mrd. Euro und einen Gewinn von 881 Mio. Euro, mehr als dreimal so viel wie im Vorjahresquartal.

Bei Anlegern hat das jedoch zunächst keinen Optimismus ausgelöst, der Aktienkurs verlor am Donnerstagmorgen nach Veröffentlichung der Zahlen sechs Prozent und setzte damit seinen seit März andauernden Abwärtstrend fort. Was stört die Anleger am Zahlenwerk der Lufthansa?

Die zwei Stars des Lufthansa-Konzerns

Heinrich Großbongardt, ehemaliger Boeing-Sprecher und Berater bei Expairtise Communications, führt den Kursrückgang vor allem auf die Volatilität der Luftfahrtbranche und krisengeschüttelte Anleger zurück. „Die Lufthansa hat einen wirklich tollen Run hingelegt, aber es gibt vielleicht Befürchtungen, dass die besten Zeiten vorbei sind“, sagt er im Gespräch mit Capital. „Kapitalanleger fragen sich gerade: Was ist, wenn die Nachfrage infolge der mäßigen deutschen Konjunkturaussichten wieder bröckelt? Die Lufthansa ist knapp an der Pleite vorbeigeschrammt und das sitzt vielen noch in den Knochen.“ 

Tatsächlich hat die große Nachfrage nach Flugtickets, vor allem im Premiumbereich, einen großen Anteil an den positiven Zahlen – genau wie die Tatsache, dass die Ticketpreise vergleichsweise hoch sind. Die Durchschnittserlöse, ein Gradmesser für die Ticketpreise, stiegen um 13 Prozent und im Vergleich zum Vorkrisenjahr 2019 sogar um 25 Prozent. Die Ergebnisse der Frachttochter Lufthansa Cargo, die dank hoher Frachtraten während der Pandemie Hauptstütze des Konzerns war, normalisierten sich nach Rekordgewinnen wieder. Die Wartungstochter Lufthansa Technik steigerte ihren Betriebsgewinn hingegen um 39 Prozent auf 156 Mio. Euro. Der Gesamtumsatz der Lufthansa lag im Jahresvergleich insgesamt 17 Prozent höher, bei knapp 9,4 Mrd. Euro.

„Es gibt bei der Lufthansa zwei Stars, die richtig gutes Geld verdienen“, sagt Luftfahrt-Experte Großbongardt zu den Ergebnissen. „Das sind die Swiss und die Technik. Die anderen sind in einem Bereich, der okay ist, aber nicht wirklich toll.“ Dabei flogen die Passagier-Fluggesellschaften – Lufthansa, Swiss, Austrian, Brussels und Eurowings – erstmals nach der Coronakrise wieder einen Großteil des Gewinns ein. Gut 33 Millionen Fluggäste konnten sie an Bord der Maschinen begrüßen – was 84 Prozent des Vorkrisenniveaus entspricht, eine Auslastung wie zu normalen Zeiten.

Vor einem Jahr, kurz nach dem Abklingen der Omikron-Welle, hatten sie noch mit insgesamt 86 Mio. Euro in den roten Zahlen gesteckt. Jetzt verfehlt der operative Gewinn nur knapp die Milliardenschwelle. „Man kann sagen, dass die Verluste bei der Eurowings relativ billig sind, um den deutschen Markt gegen Ryanair und Co zu verteidigen“, sagt Großbongardt. „Aber man muss auch damit rechnen, dass die Zahlen wieder ins tiefere Rot rutschen, wenn die Nachfrage konjunkturbedingt nachlässt.“

Die Kosten bleiben hoch, auch weil die Lufthansa investiert

Die Sorge um die Nachfrage dürfte ein Grund für die Zurückhaltung der Anleger sein, der andere die hohen Kosten. Mit einem Anstieg von sieben Prozent fielen die Kosten für beispielsweise Wartungen und Ersatzteile im zweiten Quartal höher aus als erwartet. Gleichzeitig lag der freie Barmittelzufluss mit 589 Mio. Euro nur halb so hoch wie ihn Analysten im Schnitt erwartet hatten. 

Einer der großen Kostenpunkte ist bei der Lufthansa traditionell das Personal. Nachdem während der Coronakrise zahlreiche Stellen gestrichen wurden, hat die Airline in diesem Jahr wieder tausende Mitarbeitende eingestellt. Dazu kommt die absehbare Einigung im Tarifstreit mit den Piloten: Wenn die Pilotenvereinigung Cockpit das Angebot annimmt, käme es bei Flukapitänen zu einem Gehaltsanstieg von 25 Prozent, bei Copiloten sogar bis zu 50 Prozent. „Was wir hier sehen, ist ein Wettbewerb um hochqualifizierte Fachkräfte“,  sagt Großbongardt zum Angebot der Lufthansa. „In den USA steigen die Gehälter noch viel drastischer.“

Dass die Pilotenausbildung während der Pandemie unterbrochen war, stellt sich aus Sicht vieler Experten zunehmend als Fehler heraus. Auch im Cockpit herrscht jetzt Fachkräftemangel. Laut Lufthansa sollen bald aber wieder mehr Piloten einsatzbereit sein und die ausgedehnten Standzeiten der Flugzeuge bei stabilem Betrieb wieder kürzer werden. Dadurch soll die Kosteneffizienz im kommenden Jahr steigen.

Ein weiterer großer Kostenpunkt sind aktuell die Investitionen in die Flottenmodernisierung, in neue Flugzeuge und das neue Kabinenprodukt der Lufthansa – daran führe allerdings kein Weg vorbei, sagt Großbongardt: „Für die Umrüstung nimmt die Lufthansa richtig Geld in die Hand. Aber sie muss diesen Weg einschlagen, weil sie ihren Status als Premiummarke behalten will und auch behalten muss. Gegenüber anderen Airlines hat die Lufthansa gerade bei der First und Business Class deutlichen Nachholbedarf.“

„Beim Aktienkurs ist viel Luft nach oben“

Auf die nächsten Monate blickt der Experte aber optimistisch. Die vorgelegten Ergebnisse seien fundiert, gerade weil ein Großteil der Tickets für die nächsten Monate schon verkauft sei. „Die Zahlen der Lufthansa bieten ein solides Fundament und ich denke, dass beim Aktienkurs viel Luft nach oben ist“, sagt er. „Da werden wir in den nächsten Monaten deutliche Kurssteigerungen sehen.“

Derzeit liegen die Buchungen für August bis Dezember nach Angaben der Lufthansa bei mehr als 90 Prozent des Buchungsniveaus aus dem Vor-Corona-Jahr 2019. „Wir sehen keinerlei Abriss, gerade auch in den Premiumklassen“, sagte Konzern-Chef Spohr am Donnerstag mit Blick auf die Nachfrage. Die Öffnung Chinas nach der Coronapandemie und eine Erholung der Geschäftsreisen kämen als positive Trends zur Reiselust der Privatkunden hinzu, auch wenn die Kosten erst einmal hoch bleiben.

mit dpa und Reuters

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