Die auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos versammelten Konzernlenker sind überaus guter Stimmung: Das Wirtschaftswachstum werde auch im kommenden Jahr robust bleiben, gestützt durch eine unternehmensfreundliche Politik auf der ganzen Welt, einen möglichen Anstieg der Investitionen und einer Tendenz zu hohen Zinsen in wichtigen Volkswirtschaften wie China und Indien.
Die Unternehmensbosse sehen relativ wenige Risiken für das seltene Schauspiel eines synchronen Wachstums der großen Volkswirtschaften der Welt. Viele loben die Regierung von US-Präsident Donald Trump für ihren neuen wirtschaftsfreundlichen Kurs.
„Es herrscht extremer Optimismus“, sagte Martin Sorrell, Chef des Werbekonzerns WPP. Es sei bemerkenswert, welche psychologische Veränderung Trump - was auch immer man von ihm halte – bewirkt habe. Die bereits sehr positive Stimmung auf den Führungsetagen habe sich weiter gebessert.
Die Konzernchefs beim CEO Council Lunch des Wall Street Journals in Davos sagten, dass die US-Steuerreform der Stimmung einen großen Schub gegeben habe. Wenn US-Unternehmen auf die Reform reagieren, indem sie im Ausland versteckte Gewinne repatriieren und dann zu Hause investieren, könnte der Aufschwung noch einige Zeit andauern, hieß es.
Roger Crandall, Chairman und CEO des Versicherers Massachusetts Mutual Life Insurance, kurz MassMutual, wies auf die Veränderungen bei der Regulierung unter Trump hin und bezeichnete sie als riesiges Plus für die US-Wirtschaft. „Die Veränderung des regulatorischen Umfelds in den USA ist die größte, die wir seit 30 Jahren gesehen haben“, sagte er. „Man kann es gar nicht hoch genug einschätzen, wenn man sich jemanden trifft und der fragt als erstes, was er tun könne, damit unser Unternehmen schneller wächst.“
Hohe Erwartungen an Macron
In Europa bestehen nach wie vor Bedenken wegen des britischen EU-Austritts. Die Einigung über einige Bedingungen für die Trennung von der EU, die den Weg für Gespräche über künftige Handelsbeziehungen zwischen Großbritannien und der EU geebnet hat, dämpft die unmittelbaren Sorgen über Turbulenzen für die britische Wirtschaft jedoch.
Unterdessen weckt der französische Präsident Emmanuel Macron Hoffnungen, dass seine Regierung die Hindernisse für die Wirtschaft in Frankreich beseitigen wird. Anfang der Woche traf er sich mit hochkarätigen Unternehmensführern in Versailles, bevor sie nach Davos weiterreisten. Es scheine, dass Macron „einige der grundlegenden Probleme in Frankreich angeht“, sagte Roger Carr, Chef des Rüstungskonzerns BAE Systems. „Das ist ein Gamechanger, der enormen Einfluss auf Europa haben wird.“
Das gestiegene Vertrauen in die Nachhaltigkeit des chinesischen Wachstums sowie die Politik des indischen Premierminister Narendra Modi deuten daraufhin, dass der Aufschwung für eine gewisse Zeit ausgewogen bleibt. „Nach meinem Eindruck wird China nicht in die Luft fliegen“, sagte Carr. „Das chinesische Wachstum verfügt über größere Stabilität, was den Rest der Weltwirtschaft beeinflussen wird.“
Eine dunkle Wolke am Horizont könnte die Inflation sein, meinen die Führungskräfte. „Wir sehen, dass der Inflationsdruck weitgehend ignoriert wird“, sagte Axel Weber, Präsident des Schweizer Bankenriesen UBS und früherer Chef der Bundesbank. „Es deutet sich an, dass sich die Produktionslücken schließen, mit schärferen Arbeitsbedingungen und Lohndruck ... Die Inflation könnte in diesem Jahr als Überraschung zurückkommen.“
Skepsis gegenüber Euphorie an den Märkten
Auch einige politische und geopolitische Sorgen zeichnen sich ab. Einige Top-Manager erwähnten die Halbzeit-Kongresswahlen in den USA im November. Ein Sieg der Demokraten könnte eine Pattsituation in Washington schaffen und die wirtschaftsfreundliche Politik Trumps bremsen.
Auch andere geopolitische Bedenken bleiben bestehen. Die atomare Bedrohung auf der koreanischen Halbinsel und die Turbulenzen im Nahen Osten bereiten weiterhin Sorgen und könnten die optimistische Stimmung dämpfen, so die Konzernchefs. „Die Golf-Region ist ein Pulverfass“, sagte Carr.
Und einige sind der Auffassung, dass der derzeitige Überschwang an den Märkten - viele notieren auf Rekordhochs – übertrieben ist. Massive Liquidität treibt die Renditen so weit nach unten, dass „niemand die Risikoeinschätzung erhält, die er verdient“, sagte Weber. „Das kann so nicht weitergehen. Irgendwann wird es aufhören.“
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