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Impfstoffe Curevac arbeitet am Comeback

Curevac-Zentrale in Tübingen
Curevac-Zentrale in Tübingen
© ULMER Pressebildagentur / IMAGO
Im vergangenen Jahr galt die Tübinger Pharmafirma Curevac als Hoffnungsträger für einen Impfstoff gegen Covid-19. Dann zog die Konkurrenz vorbei. Kann Curevac noch einmal zurückkommen?

„Germany is not for sale.“ Das sind die Worte von Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU). Gesagt hatte er sie im März vergangenen Jahres, als der damalige US-Präsident Donald Trump Anstalten gemacht haben soll, sich die Exklusivrechte am Covid-19-Impfstoff des Tübinger Herstellers Curevac zu sichern. Der Vorstoß sorgte damals in Deutschland für großen Ärger. Altmaier war nicht der einzige Politiker, bei dem er Irritationen auslöste. „Deutsche Forscher spielen eine große Rolle in der Medikamenten- und Impfstoffentwicklung und wir können es nicht zulassen, dass andere exklusiven Zugriff darauf kriegen“, sagt etwa Außenminister Heiko Maas (SPD).

Auch der Hersteller selbst und dessen Haupteigner, der deutsche Milliardär Dietmar Hopp, erteilten Trump eine Abfuhr. Hopp sagte damals: „Wenn es uns hoffentlich bald gelingt, einen wirksamen Impfstoff gegen das Corona-Virus zu entwickeln, soll dieser Menschen nicht nur regional, sondern solidarisch auf der ganzen Welt erreichen, schützen und helfen können.“

In dieser Zeit, Deutschland steckte gerade im ersten Lockdown, war das Tübinger Unternehmen die erste große Hoffnung in dieser Pandemie. Es sah so aus, als sei Curevac als einer der ersten Anbieter auf der Zielgeraden, einen Impfstoff gegen das neuartige Coronavirus zu entwickeln. Man hoffte auf einen wichtigen Baustein für eine impfstoffbasierte Exitstrategie aus der Pandemie. Wegen der strategischen Bedeutung der Firma stieg sogar der deutsche Staat als Großaktionär bei Curevac ein. Die EU kaufte 405 Millionen Impfdosen, Curevac ging in den USA an die Börse und legte einen Blitzstart hin. Es sah alles ziemlich gut aus.

Es wurde stiller um Curevac

Doch es kam anders. Überall auf der Welt entwickelten Forscher unter Hochdruck Vakzine gegen das Coronavirus. Curevac fiel zurück, es wurde still um das Unternehmen. Biontech aus Mainz schaffte es unterdessen, mit dem US-Pharmariesen Pfizer einen starken Partner an sich zu binden. Moderna war ebenfalls schneller, profitierte dabei von dem Staatsinstitut NIH und der Operation „Warp Speed“, die die Trump-Administration ins Leben gerufen hatte, um möglichst schnell möglichst viel Impfstoff zu entwickeln.

Curevac-Gründer Ingmar Hoerr
Curevac-Gründer Ingmar Hoerr (Foto: IMAGO / ULMER Pressebildagentur)
© MAGO / ULMER Pressebildagentur

Dazu kam, dass Curevac-Mitgründer Ingmar Hoerr wegen Hirnblutungen in einer entscheidenden Phase ausfiel. Der promovierte Biologe war seit 2018 Aufsichtsratchef des Unternehmens und war im März 2020 als CEO in die Firma zurückgekehrt. In einem Interview in der Wirtschaftswoche sagte er, dass er „im Hinblick auf die Pandemie wieder ans Ruder, wieder mehr vor Ort sein“ wollte. Hoerr gilt als eine der treibenden Kräfte hinter der Entwicklung der mRNA-Technologie, die dem Impfstoff des Herstellers zugrunde liegt. Er forscht seit mehr als 20 Jahren auf dem Gebiet.

Das Unternehmen selbst verweist auf den gründlichen Entwicklungsprozess als Grund für das vergleichsweise langsame Vorankommen. „Wir haben uns zu Anfang etwas mehr Zeit und Mühe investiert, um den besten Kandidaten auszuwählen“, sagt Curevac-Sprecher Thorsten Schüller im Gespräch mit Capital. Man sei mit sieben Kandidaten gestartet, von denen drei in die engere Auswahl kamen, bevor man sich auf einen einigte. „Am Ende haben wir einen Impfstoffkandidaten ausgewählt, der bei einer sehr niedrigen Dosis eine Immunisierung bewirken soll“, sagt Schüller.

Störende Mutanten

Es war also auch der eigene Perfektionismus, der Curevac langsamer machte als die anderen. Schüller verweist auch auf die finanzielle Ausstattung zu Beginn der Pandemie: „Sicher spielt eine Rolle, dass wir am Anfang nicht die finanziellen Möglichkeiten hatten wie zum Beispiel Moderna, die bereits im Frühjahr 2020 eine Menge Geld von der US-Regierung bekommen haben.“ Das amerikanische Unternehmen bekam schon im April 483 Mio. Dollar von der Regierungsbehörde BARDA.

Zuletzt verzögerte aber auch das Aufkommen verschiedener Mutanten des Corona-Virus den Prozess. In den klinischen Studien der Phase III, in denen sich das Vakzin gerade befindet, müsse man daher „sehr genau untersuchen, um welchen Corona-Typus es sich handele“, so Schüller. Der Unternehmensvertreter gibt zudem zu bedenken, dass die Entwicklung eines Impfstoffes im Normalfall etwa zehn Jahre dauere – „wenn man jetzt eineinviertel oder anderthalb brauchen, dann ist das immer noch sehr schnell“. Was man im Augenblick sehe, sei eine enorme Beschleunigung in der Entwicklung neuer Impfstoffe, auch bei der Konkurrenz.

In die klinischen Studien der Phase III schaffte es Curevac erst im Dezember, auch dank der Hilfe des Pharmakonzerns Bayer. Wenig später schlossen beide Unternehmen eine offizielle Allianz – ähnlich wie Biontech und Pfizer. Ziel dieses Kooperations- und Servicevertrages sei es mehrere hundert Millionen Impfdosen weltweit zu verkaufen. „Der Bedarf an Impfstoffen gegen Covid-19 ist enorm“, sagte Bayer-Vorstandsmitglied Stefan Oelrich .

Als es das Unternehmen in die Testphase schaffte, waren Moderna und Biontech bereits auf dem Markt, die Impfstoffe der beiden Konkurrenten lieferten nahezu perfekte Ergebnisse. In Europa sorgte das Ausbleiben von Curevac hingegen für Probleme beim Rollout der Impfkampagne. Die EU hatte darauf gesetzt, dass die Tübinger schnell liefern würden. Dabei hatte Großaktionär Dietmar Hopp bereits im September 2020 eingeräumt, dass das Unternehmen nicht als erstes mit einem Impfstoff auf den Markt kommen würde – das Rennen um den besten Impfstoff sei aber noch längst nicht entschieden.

Geht es jetzt bergauf für Curevac?

Doch der Markt in den USA ist durch Biontech/Pfizer und Moderna inzwischen fast gedeckt, und auch die EU hätte das Ziel, bis zum Sommer fast die gesamte Bevölkerung zu impfen, eigentlich auch ohne Curevac erreicht – wäre es da nicht zu unvorhergesehenen Ereignissen gekommen , die das Interesse an dem Stoff aus Tübingen wieder größer werden ließen.

Gerade verhandelt Curevac nach eigener Aussage mit vielen Ländern über Impfstofflieferungen. Dem Handelsblatt sagte CEO Franz-Werner Haas , dass der potenzielle Ausfall des Impfstoffes von Johnson & Johnson das Interesse an Curevac international wieder steigen ließe. Auch in Deutschland geriet das Unternehmen dadurch wieder in den Fokus der Aufmerksamkeit. In der vergangenen Woche forderte SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach eine Notfallzulassung für den Impfstoff von Curevac; jedenfalls dann, wenn die Datenlage es zulasse . Lauterbach plädierte auch dafür, die oft langwierigen Zulassungsprozesse der EMA zu umgehen und einen nationalen Alleingang zu wagen .

Doch auch ohne Notfallzulassung könnte es jetzt schnell gehen. Im Mai oder im Juni werden die Daten erwartet, die zeigen werden, ob Curevac sicher und wirksam ist. Dann soll die formelle Zulassung beantragt werden. Curevac peilt an, in diesem Jahr 300 Millionen Dosen zu produzieren, 2022 sollen es sogar rund eine Milliarde sein. Das Unternehmen hat schon jetzt Impfstoff produziert, „auf Risiko“, wie Unternehmenssprecher Schüller sagt. Diese könnten nach Zulassung sofort ausgeliefert werden.

Curevac denkt in anderen Dimensionen

Die großen Mengen, die Curevac anpeilt, werden die Tübinger nicht alle selbst herstellen, sondern an verschiedenen Standorten mit weiteren Partnern. Man denke bereits weit über die Zulassung hinaus, betont Schüller. Auch wenn die akute Phase der Pandemie vorüber sein sollte, werde das Virus in seinen verschiedenen Varianten weiter da sein. „Man kann nicht ausschließen, dass es zu Mutationen kommt, die einen neuen Impfstoffansatz nötig machen.“ Es werde zudem weitere Pandemien geben, möglichst ausgelöst durch Viren, die wir bisher gar nicht kennen.

Darauf bereite sich Curevac gerade vor. Und dafür sei die mRNA-Technologie, die das Unternehmen gewählt habe, die richtige. Denn sie lasse sich relativ leicht und innerhalb weniger Wochen auf andere Viren umprogrammieren. Schüller nimmt die Automobilindustrie als Vergleich – „wie eine Plattform, auf der Sie unterschiedliche Modelle aufbauen können“. So könnte aus dem einstigen Spitzenreiter, der an Boden verlor, ein Retter in der Not werden. Und: Das Rennen um den besten Impfstoff wird ohnehin auf der Langstrecke gewonnen.

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