Der Markt für Wärmepumpen scheint am Boden zu liegen. Viele deutsche Hersteller haben Mitarbeitende in Kurzarbeit geschickt, bald soll es sogar erste Entlassungen geben. Der hessische Heizungsbauer Viessmann hatte bereits vor gut einem Jahr sein Wärmepumpengeschäft in die USA verkauft und damit 12 Mrd. Dollar eingenommen. Doch Bosch, das global erfolgreiche Vorzeigeunternehmen aus der Nähe von Stuttgart, macht es genau umgekehrt und tätigt jetzt in diesem Bereich den größten Zukauf seiner Unternehmensgeschichte. Für 7,4 Mrd. Euro will Bosch das Geschäft für Heizungs-, Lüftungs- und Klimatechnik des US-Unternehmens Johnson Controls und des japanischen Herstellers Hitachi kaufen.
Ein ungewöhnlicher Zeitpunkt, um Milliarden ins Kühlen und Heizen zu stecken oder genau der richtige? Immerhin soll die Wärmepumpe die Technologie der Zukunft in diesem Segment sein. Im Gespräch mit Capital erklärt Jan Brockmannn, Chef der Bosch Home Comfort Gruppe, die Logik hinter dem Zukauf.
40 Prozent Wachstum drin
„Es stimmt, dass es hier eine temporäre Schwächephase gibt“, sagt Brockmann mit Blick auf die aktuelle Marktsituation in Europa im Gespräch mit Capital. „Das ist aber kein Grund, unsere Strategie zu verlassen. Unsere Akquisition steht im globalen Kontext, nicht nur im europäischen.“ Bosch, das weltweit vor allem als Automobilzulieferer und Gerätehersteller einen Namen hat, will durch den Zukauf eine strategische Lücke schließen.
Die Home Comfort Group bietet bereits Kühl- und Heizlösungen in Form von Wärmepumpen, Heizungen, Klima- und Luftgeräten an, auch von der bekannten Marke Buderus. Jetzt will sich die Sparte aber vor allem international stärker aufstellen. Der Konzern geht davon aus, dass der Gesamtmarkt für Klimatisierungstechnik, sowohl Kühlen als auch Heizen, bis 2030 um 40 Prozent wachsen wird.
„Das ist die Logik hinter dem Zukauf“, sagt Brockmann Capital. Entscheidend für die Strategie sei auch, dass sie sowohl einen Klimaanlagen- als auch einen Wärmepumpenhersteller kaufen, denn die meisten Anlagen können sowohl heizen als auch kühlen. „In Nordamerika und Asien wird eher das Kühlen wichtig sein, in der gemäßigten Klimazone in Zentral- und Nordeuropa das Heizen. Aber auch hier in Europa wird das Kühlen in Zukunft natürlich wichtiger“, so Brockmann.
In den USA erwartet Bosch bis zum Ende des Jahrzehnts ein Wachstum von mehr als 50 Prozent, in Europa von rund 30 Prozent. Nur etwas weniger als zehn Prozent des zu erwartenden Umsatzes durch den Zukauf sollen auf Europa entfallen, die restlichen 90 Prozent auf Asien und Nordamerika. Dort will sich das Technologieunternehmen stärker aufstellen. „Wir sehen im Markt für Klimatechnik seit Jahren eine Globalisierung der Technologie, es gibt große Skaleneffekte“, sagt Brockmann, der seit 2020 bei Bosch ist. „Aus meiner Sicht ist die Konsolidierung noch nicht abgeschlossen.“
Mit Viessmann hatte ein anderer deutscher Hersteller vor gut einem Jahr seine Wärmepumpensparte für 12 Mrd. Euro an den US-Konkurrenten Carrier Global verkauft. Dazu möchte sich Brockmann nicht äußern, die Beweggründe der einzelnen Player würden sich unterscheiden. Bosch kostet der Zukauf aus den USA nun umgerechnet 7,4 Mrd. Euro. Den Großteil macht das Heizungs-, Lüftungs- und Klimatechnikgeschäft für Gebäude von Johnson Controls aus, den Rest eine Gemeinschaftsfirma von Johnson und dem japanischen Unternehmen Hitachi. In einem Jahr soll der Deal abgeschlossen sein.
„An der Wärmepumpe führt kein Weg vorbei“
Robert Werner vom Hamburg Institut hält den Zukauf von Bosch für absolut sinnvoll. Er beschäftigt sich mit der Strategie- und Geschäftsentwicklung für Unternehmen der Energiewirtschaft. Die Wärmepumpe sei die Heiztechnologie der Zukunft und der Aufbau dieses Geschäfts aus eigenen Mitteln deutlich langwieriger. „Wir wissen alle, dass Europa sich schon aufgrund geopolitischer Unsicherheiten vom Erdgas lösen muss. Länder wie Norwegen, mit denen wir friedliche Partnerschaften haben, werden uns nicht ewig versorgen können. Dazu wissen wir nicht wie die US-Wahlen ausgehen werden“, sagt Werner. „An der Wärmepumpe führt deshalb kein Weg vorbei. Natürlich will sich Bosch den riesigen weltweiten Markt dafür nicht entgehen lassen, aber ich sehe den Zukauf auch als Bekenntnis zu seiner Rolle als wichtiges deutsches Unternehmen.“
Sicherheitspolitische Aspekte haben bei Boschs Überlegungen laut Brockmann keine Rolle gespielt, das zu erwartende weltweite Wachstum hingegen schon. Durch den Zukauf wird Bosch automatisch zu einem der führenden Player im Klimatechnikmarkt und kann aus Werners Sicht durchaus eine globale Spitzenposition einnehmen. „Das Zeug dazu haben sie, auch durch ihren sehr guten Ruf in der Automobilindustrie“, sagt Werner. „Für den Standort Deutschland wäre es jedenfalls wünschenswert.“
Die zugekaufte Sparte wird in die Bosch Home Comfort Group integriert, früher Bosch Thermotechnik. Im Geschäftsjahr 2023 erzielte die Sparte einen Umsatz von 5 Mrd. Euro, dieser soll sich nun beinahe verdoppeln auf 9 Mrd. Euro und um namhafte Marken wie York und Hitachi ergänzt werden. „Das Geschäft ist sehr komplementär, sowohl was den Marktzugang angeht als auch die Technologie und Produkte“, sagt Brockmann. Statt 14.600 Mitarbeitenden wird er künftig fast doppelt so viele Beschäftigte unter sich haben. Die wesentlichen Produktionskapazitäten des zugekauften Geschäfts befinden sich in Asien und Nordamerika.
Hier will Bosch auch weiterhin produzieren. In der Vergangenheit hatte Bosch es auch mit Photovoltaikanlagen versucht, das Geschäft aber vor gut zehn Jahren wieder abgestoßen. Der Preisverfall war zu groß und Bosch nicht wettbewerbsfähig. Die Gefahr bestehe bei Wärmepumpen aber nicht, sagt Brockmann. „Eine Photovoltaikanlage ist ein standardisiertes Produkt, das man leicht transportieren kann. Da hatten andere deutliche Kostenvorteile“, sagt Brockmann. „Wärmepumpen sind hingegen komplex, müssen an die Energieinfrastruktur des jeweiligen Landes und an das Gebäude angepasst werden. Deswegen wollen wir lokal für die jeweilige Region produzieren.“