Länder-Vergleiche bewegen sich oft im Spannungsfeld von Komplexität und starker Vereinfachung. Das gilt auch für den „Better Life Index“ der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD). Die Autoren haben elf Kategorien untersucht, darunter Gesundheit, Einkommen und Work-Life-Balance. In den einzelnen Sparten wurde es aber recht eindimensional. Das zeigt auch die Kategorie „Bürgerliches Engagement“. Hier beschränkten sich die OECD auf zwei Kriterien, um den Grad der zivilen Teilhabe am politischen Prozess zu bestimmen.
- Höchste Wahlbeteiligung: Die durchschnittliche Wahlbeteiligung in den OECD-Staaten lag den Angaben zufolge bei 68 Prozent. Ältere Menschen und Menschen mit höherem Bildungsgrad machten demnach häufiger von ihrem Wahlrecht Gebrauch. Die OECD stellte mit Blick auf Männer und Frauen keine grundlegenden Unterschiede fest, verwies allerdings auf Deutschland. Hierzulande wählen demnach Schätzungen zufolge sieben Prozentpunkte mehr Männer als Frauen, während sich in Russland dieses Verhältnis umkehrte.
- Einbeziehung von Interessengruppen bei Gesetzen und Vorschriften: Hier wurden Faktoren wie Bürgerbeteiligung Offenheit, Transparenz und Mechanismen für Feedback bewertet.
Die OECD hat Daten für ihre 37 Mitgliedstaaten sowie drei zentrale Partnerländer (Brasilien, Russland und Südafrika) erhoben. Diese Länder schnitten am besten ab:
In diesen Ländern engagieren sich Bürger am stärksten politisch
Mexiko blieb mit einer Wählerbeteiligung von 63 Prozent deutlich unter dem OECD-Durchschnitt von 68 Prozent. Hier landete das zentralamerikanische Land auf Platz 29 unter den 40 analysierten Staaten im unteren Mittelfeld. Dafür erhielt Mexiko die beste Bewertung, wenn es um die Einbeziehung von Interessengruppen bei Gesetzen und Vorschriften geht. Im Bild ein Wahlzettel für die Präsidentenwahl 2018.
Genau umgekehrt sah das Bild beim politischen Engagement in Luxemburg aus. Das Großherzogtum punktete mit der höchsten Wahlbeteiligung aller Länder: 91 Prozent. Bei der Einbeziehung von Bürgern in Gesetzesvorhaben reichte es hingegen für den Ministaat nur für einen Indexwert von 1,7 und Rang 29.
Der Wahlsieg von Joe Biden kam mit der größten Wahlbeteiligung in der Geschichte der USA zustande. Die „Washington Post“ bezifferte sie Mitte Dezember 2020 auf 66,2 Prozent. Mit diesem Rekordwert lagen die Vereinigten Staaten aber immer noch unter dem OECD-Durchschnitt. Die Organisation hat in dem „Better Life Index“ für die USA noch mit dem Wert von 65 Prozent gerechnet. Der bedeutete Platz 25 von 40 untersuchten Staaten. Bei der Bürgerbeteiligung glänzten die USA aber auf Platz zwei hinter Nachbar Mexiko und kamen so im OECD-Ranking auf Platz acht.
Bei der letzten Parlamentswahl hat rund ein Drittel der Wahlberechtigten im Vereinigten Königreich darauf verzichtet, erneut über den Brexit abzustimmen und damit womöglich zum Erdrutschsieg für Premierminister Boris Johnson beigetragen. Die Wiege der parlamentarischen Demokratie kommt im OECD-Ranking bei der Wahlbeteiligung nur knapp über den Durchschnittswert. Platz drei bei der Bürgerbeteiligung aber verhalfen dem Vereinigten Königreich am Ende zu Platz sechs im Ranking zum politischen Engagement der Bürger.
Erdbeben, Corona-Virus, Terroranschlag auf Moscheen in Christchurch: Immer wieder zeigt sich, wie solidarisch in Neuseeland Bürger und Politik auf Krisen reagieren. Neuseeland ist das erste Land dieser Top 10, in dem die beiden Kategorien nicht weit auseinanderliegen. Bei der Wahlbeteiligung reichten 80 Prozent für Platz neun, bei der Bürgerbeteiligung war es Platz 14. Das Bild zeigt Premierministerin Ardern mit einem Stimmzettel im Wahllokal.
Das politische Engagement der Belgier ist laut den OECD-Autoren nahezu vorbildhaft. Eine Wahlbeteiligung von 89 Prozent überboten von den untersuchten Staaten nur Luxemburg und Australien. Die Einbeziehung von Interessengruppen bei Gesetzen und Vorschriften war demnach hingegen ausbaufähig (Platz 18).
In nur einem der untersuchten Staaten beteiligten sich die Bürger nach Ansicht der OECD-Experten aktiver an der Gestaltung der Politik als in Südkorea. Sie punktete vor allem mit der Bürgerbeteiligung, wo sie Platz sechs erreichte. Die Wahlbeteiligung von 77 Prozent bedeutet im internationalen Vergleich Platz 13.
Das stärkste politische Engagement in der OECD findet sich dem Index zufolge in Australien. Bei der Wahlbeteiligung musste sich der Kontinent mit 91 Prozent nur knapp Luxemburg geschlagen geben. Die Bürgerbeteiligung bei Gesetzesvorhaben langte für Platz acht. Deutschland landete beim politischen Engagement nur im Mittelfeld: Platz 22. Die Wahlbeteiligung (76 Prozent) fiel zwar deutlich überdurchschnittlich aus. Dafür ordneten die Analysten Deutschland bei der Bürgerbeteiligung nur auf Rang 33 ein.