In der Corona-Krise ist das Interesse an Lieferdrohnen gewachsen. Pilotprojekte in den USA haben gezeigt, dass die Flugroboter geeignet sind, um Laborproben schnell und kontaktlos zu transportieren. Seit November 2020 heben auch in Berlin Lieferdrohnen ab. Labor Berlin, das größte Krankenhauslabor Europas, von Charité und Vivantes plant das erste innerstädtische Drohnen-Netzwerk in Europa, bei dem die Fluggeräte ohne direkten Sichtkontakt gesteuert werden.
Wann könnten Lieferdrohnen in Berlin Corona-Impfstoff ausliefern? Wie viel Last trägt das Fluggerät und wie schnell ist es? Und was geschieht, wenn eine Drohne abstürzt? Wir stellen das Pilotprojekt in der deutschen Hauptstadt vor.
In Berlin kommt der Corona-Impfstoff per Drohne
Am 17. November 2020 hob die erste Lieferdrohne von Labor Berlin und Matternet ab. Der kalifornische Drohnenhersteller und das nach eigenen Angaben größte Krankenhauslabor Europas haben sich für das Pilotprojekt zusammengetan. Das Ziel: Das erste innerstädtische BVLOS-Netzwerk (Beyond Visual Line of Sight – außerhalb der Sicht des Piloten) zur Lieferung medizinischer Materialien in der Europäischen Union. Der Ort des Jungfernflugs war symbolträchtig. Er fand auf dem Gelände des Corona-Behandlungszentrums in der Jafféstraße statt, der Covid-19-Notfallklinik auf dem Berliner Messegelände.
„Durch den Einsatz von Drohnen soll die Transportzeit für besonders zeitkritische Proben zwischen einzelnen Klinikstandorten und dem Zentrallabor von Labor Berlin, dem ersten Gemeinschaftsunternehmen von Charité und Vivantes, deutlich verkürzt werden“, teilte das deutsche Unternehmen mit. Es transportierte nach eigenen Angaben Ende 2020 über 15.000 Proben pro Tag. Sie wurden meist per Kurier ausgeliefert und waren dementsprechend Staus und sonstigen Verkehrsstörungen unterworfen. Lieferungen per Drohne sollen schneller und auch zuverlässiger werden. „Die Corona-Pandemie macht einmal mehr deutlich, dass Zeit Leben retten kann“, sagte Klaus Tenning von Labor Berlin.
Bei den Testflügen in Berlin kommt die Matternet M2 Drohne zum Einsatz. Sie erreicht den Angaben zufolge eine Geschwindigkeit von 70 Stundenkilometer. Konkret bedeutet das: Die Lieferdrohne kann die elf Kilometer Flugstrecke vom Charité-Campus Benjamin Franklin zum Zentrallabor in rund 15 Minuten zurücklegen – inklusive Be- und Entladung, wie es hieß.
Das geringe Gewicht ist beim Transport medizinischer Proben ein großer Vorteil. Während Lieferdrohnen bei regulären Paketlieferungen noch schnell an ihre Grenzen stoßen können, haben sie sich in diesem Bereich schon bewährt. An den Lieferdrohnen von Matternet wird ein Transportkoffer befestigt. Er hat ein Fassungsvermögen von vier Litern und darf maximal zwei Kilo schwer sein.
Die Lieferdrohnen folgen laut Labor Berlin einer vorgegebenen Flugbahn. Für den Betrieb sind mindestens je ein Pilot und ein Flugleiter notwendig. „Sobald der Pilot das Ziel auswählt und einen Startbefehl erteilt hat, folgt die Drohne automatisch dem programmierten Kurs und landet am entsprechenden Ziel“, erklären die Betreiber. „Der Pilot kann jedoch jederzeit den Flug unterbrechen und der Drohne befehlen, die Position zu halten oder zum Startpunkt zurückzukehren.“ Der Flugleiter überwacht den Angaben zufolge den Einsatz der Lieferdrohne von einem zentralen Ort aus. Er hat zudem das Wetter und den gesamten Flugverkehr im Blick.
„Um die sichere Einbindung der Drohnen in den Berliner Luftraum zu ermöglichen, wird mit der Deutschen Flugsicherung zusammengearbeitet“, teilte Labor Berlin zu den Testflügen mit. Die laufen den Angaben zufolge noch mit Sichtkontakt zur Drohne ab und werden von der Gemeinsamen Oberen Luftfahrtbehörde Berlin-Brandenburg (LuBB) genehmigt. Für die geplanten Flüge ohne direkten Sichtkontakt müsse noch ein Rechtsrahmen für städtische BVLOS-Fluge festgelegt werden. Erst dann kann könne das Projekt 2021 nach erfolgreichem Abschluss der ersten Phase in den Routinebetrieb übergehen. „Die Flüge außerhalb der Sichtverbindung nach der Testphase werden sich auf die neuen Europäischen Drohnengesetze stützen (Regulation (EU) 2019/945 und 2019/947). Die Erwartung ist, dass auch hier die LuBB die Genehmigungen erteilen wird, wobei dies noch nicht klar definiert ist“, teilte Labor Berlin mit.
Beim Einsatz vollautomatisch fliegender Lieferdrohnen gibt es massive Sicherheitsbedenken. Labor Berlin verweist hier auf die Erfolgsbilanz des Kooperationspartners: „Die Matternet M2 kann mehr als 10.000 kommerzielle medizinische und vollständig abgeschlossene Lieferungen in der Schweiz und den Vereinigten Staaten vorweisen.“ Zudem würden die Routen so gewählt, „dass die Drohne so wenig wie möglich über Menschen und wichtige Infrastrukturen fliegen muss“. Gerät ein Fluggerät aber doch außer Kontrolle, soll ein Fallschirm ausgelöst werden. Die Drohne gleitet dann sanft zu Boden, Passanten werden durch eine Sirene gewarnt, wie Labor Berlin informierte.