„Manchmal hat man in den letzten Wochen den Eindruck, dass die Vernunft zu leise ist in Deutschland“, platzt es irgendwann aus Hubertus Heil heraus. Der Arbeitsminister hat ganz offensichtlich keine Lust mehr auf die Debatten rund um Flucht und Migration – vor allem nicht, wenn es um seinen Bereich geht, den Arbeitsmarkt. Wohl auch deshalb will er jetzt einmal Fakten schaffen. Mit Andrea Nahles und Daniel Terzenbach von der Bundesagentur für Arbeit (BA) sitzt er deshalb am Mittwochmittag vor der Bundespressekonferenz.
Hubertus Heil sieht sich gerne als pragmatischen Macher, auch hier will er Tatkraft zeigen. Um die fast unlösbaren Aufgaben rund um Abschiebung, Grenzkontrollen und die Verhinderung irregulärer Migration kümmern sich andere, er will die Leute zum Arbeiten bringen. Eine vielleicht nicht unlösbare Aufgabe, aber doch eine nicht ganz einfache.
19 Prozent der Ukrainerinnen und Ukrainer, die seit dem Krieg nach Deutschland flüchteten und erwerbfähig sind, haben inzwischen Beschäftigung gefunden. Das sind nicht genug. Denn inzwischen haben laut Heil zusätzlich etwa 100.000 einen Integrationskurs abgeschlossen und Deutschkenntnisse auf A2-Niveau. Sie können also mindestens auf deutsch einkaufen gehen oder sich mit den Nachbarn unterhalten. Weitere 100.000 sind gerade dabei. Aus anderen Herkunftsländern kommen noch mal 200.000 dazu, die einen Kurs abgeschlossen haben oder werden in den nächsten Monaten so weit sein. Heil findet: 400.000 – das ist doch was. Nun wird es Zeit für einen Turbo.
Vor die Sprache ist bisher ein Problem
Denn bisher, das stellt er fest, waren vor allem die Sprachkenntnisse ein Hindernis bei der Einstellung von Geflüchteten. Die sind jetzt da, nun soll es losgehen. Klar sei, "dass der Weg von der Flüchtlingsunterkunft an den Arbeitsplatz kein Selbstläufer ist", sagt er. Doch wie der Weg gegangen werden soll, das bleibt auch nach den Erläuterungen in der Bundespressekonferenz im Ungefähren.
Es soll jetzt einen Sonderbeauftragten der Bundesregierung für die Arbeitsmarktintegration von Geflüchteten geben. Diese Funktion übernimmt Daniel Terzenbach, der im Vorstand der BA für die Zusammenarbeit mit den Regionen zuständig ist. Doch wie das so ist mit Sonderbeauftragten: Meistens braucht man sie vor allem dann, wenn noch man noch nicht so genau weiß, was gemacht werden soll. In diesem Fall liegt das vor allem daran, dass sich Heil und BA-Chefin (und Heils Vorgängerin als Arbeitsministerin) Andrea Nahles viel wünschen können, am Ende hängt der Erfolg vor allem an anderen.
Terzenbachs Aufgaben sind in der neuen Funktion deshalb: Die Unternehmen davon zu überzeugen, Geflüchtete einzustellen – auch ohne perfektes Deutsch. Viele klagen ja über den Fachkräftemangel, aber wenn es nach Heil geht, sind sie zum Teil noch zu zögerlich bei der Einstellung der Geflüchteten. Die selbst sollen aber auch angesprochen werden, damit sie sich einen Job suchen. Terzenbach will sie mit Kampagnen in Sozialen Medien und Vereinen vor Ort erreichen und zu den Beratungen ins Jobcenter locken. Mit Ländern und Kommunen soll er über die Strukturen für Kinderbetreuung und Sprachkurse sprechen.
Mehr „Kundenkontaktdichte“
Was dabei im Konkreten rauskommt: noch unklar. Nur eine, nicht ganz unerhebliche Änderung, ist schon beschlossen: Die Jobcenter sollen diese erwerbsfähigen Geflüchteten mit abgeschlossenen Integrationskursen alle sechs Wochen zum Beratungsgespräch treffen. So sollen Hindernisse wie fehlende Qualifikationen oder Anerkennungen schneller aus dem Weg geräumt werden. „Kundenkontaktdichte“, nennt das Nahles.
Wie erfolgsversprechend dieser Turbo am Ende ist, dazu möchte sich bei der Bundespressekonferenz nicht mal sie festlegen. Es gebe ja viele unsichere Bedingungen: Wie werden die Unternehmen kooperieren, wie viel Geld bekommen die Jobcenter noch aus dem Haushalt, lassen sich die Berufsanerkennungsverfahren wirklich beschleunigen? Und deswegen bleibt am Ende der Bundespressekonferenz das Gefühl, dass dieser Turbo vor allem verkündet wurde, um ein bisschen Vernunft zurück in die Debatte zu bringen.
Der Text erschien zuerst bei stern.de