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History Der Balsam-AG-Betrug

Der ehemalige Balsam-Finanzchef Klaus Schlienkamp (r.) macht eine abwehrende Geste zu den Journalisten, als er Ende März 2000 bei einer Pressekonferenz in Manila erscheint. Kurze Zeit später wurde Schlienkamp nach Deutschland abgeschoben.
Der ehemalige Balsam-Finanzchef Klaus Schlienkamp (r.) macht eine abwehrende Geste zu den Journalisten, als er Ende März 2000 bei einer Pressekonferenz in Manila erscheint. Kurze Zeit später wurde Schlienkamp nach Deutschland abgeschoben.
© dpa
Der Sportbodenhersteller Balsam AG galt eigentlich als Vorzeigeunternehmen. Doch der vermeintliche Erfolg des Unternehmens beruhte auf einem ausgeklügelten Betrugssystem

Kurz vor seiner Verhaftung im Juni 1994 will der Finanzvorstand der Balsam AG, Klaus Schlienkamp, wenigstens einen Teil des Vermögens retten: Er überweist seiner Exfrau 740.000 Mark. Er selbst sei bettelarm, behauptet er später vor Gericht, obwohl sein Jahreseinkommen zuletzt bei 7 Mio. Mark lag.

Unschuldig sei er außerdem, beteuerte der Manager. Er habe nämlich die letzten sechs Jahre täglich ab 11 Uhr in seinem Büro zwei Liter Wein sowie Schnaps getrunken. Nur deshalb habe sich der Angeklagte „hinreißen lassen, die Fälschungen und Manipulationen vorzunehmen“, argumentieren seine Anwälte. Doch es zeigt sich: Für den ausgeklügelten Betrug, den Schlienkamp mit dem Vorstand der Balsam AG, Friedel Balsam, erdacht hatte, brauchte es einen klaren Kopf – und viel kriminelle Planung.

Dabei hatte die Balsam AG lange als vorbildliches Unternehmen gegolten: Die Firma in Steinhagen bei Gütersloh produzierte Beläge und Kunstrasen für Stadien und Turnhallen. Mit Dumpingpreisen entwickelte sich die Balsam AG in den Achtzigern zum Weltmarktführer.

Betrugssystem auf wackeligen Füßen

Friedel Balsam glänzte als Unternehmer, Sportmäzen und Besitzer eines privaten Reiterguts am Teutoburger Wald. Er stattete Weltmeisterschaften und Olympische Spiele aus. Bloß: Geld verdiente sein Unternehmen nicht. So erfanden die Manager Balsam und Schlienkamp eine sprudelnde Einnahmequelle: Sie ließen sich über einen Finanzanbieter künftige Auslandsprojekte von Banken vorfinanzieren. Die Finanzvolumen waren übertrieben, oft sogar erfunden. Mit den Millionen spekulierten die Manager in Devisengeschäften. Deren Erträge sollten wiederum die Verluste der Balsam AG ausgleichen – ein Betrugssystem auf wackeligen Füßen.

Eine anonyme Anzeige eines Mitarbeiters bringt schließlich alles ans Licht. 1994 muss die Balsam AG Insolvenz anmelden. Die Staatsanwaltschaft ermittelt. Er habe „die Kosten aus den Augen verloren“, sagte Friedel Balsam vor Gericht. Das ­Urteil: acht Jahre Haft. Klaus Schlienkamp hat während des Prozesses eine weitere Idee: In einem Brief kündigt er seinen Freitod an und verschwindet. Aber Fahnder finden ihn quicklebendig auf den Philippinen und bringen ihn 2000 in deutsche Haft – auch seine neue ­philippinische Ehe kann ihn davor nicht retten.

Akteure

Friedel Balsam und Klaus Schlienkamp lenkten die Balsam AG gemeinsam in den Abgrund. Balsam war zunächst Angestellter einer Baustoffgroßhandlung und machte sich 1965 selbstständig. Mit seiner Balsam AG wurde er zum führenden Hersteller von Belägen und Kunstrasen für Sportarenen. Obwohl die Firma seit den 80er-Jahren konkursreif war, hielt Balsam mit Finanzvorstand Schlienkamp ein betrügerisches System in Gang, das der Firma immer neues Kapital zuführte. 1994 kam die Pleite. Balsam erhielt eine Freiheitsstrafe von acht Jahren, Schlienkamp wurde zu zehn Jahren verurteilt.

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