Fußballvereine, davon ist der neue Hertha-Investor 777 Partners überzeugt, seien dabei, in eine neue Ära der „Hyperkommerzialisierung“ einzutreten. Die in Miami ansässige Investmentfirma hat sich zuletzt zu einem der übernahmefreudigsten Unternehmen im globalen Fußball entwickelt. Noch vor fünf Jahren war 777 in der Sportwelt komplett unbekannt – heute besitzt die Firma Anteile im Wert von Hunderten Millionen Dollar an Vereinen aus Italien bis Brasilien. Wie es aus mehreren Quellen zu hören ist, strebt der Investor als nächstes eine Beteiligung am englischen Klub FC Everton an – es wäre das erste Investment in der Premier League für 777.
Allerdings haben sich die meisten Vereine im 777-Portfolio bislang eher als finanzielle Underperformer herausgestellt – mit entsprechenden Fragezeichen für die potenziellen Renditen für den Fonds. Kritiker des Modells würden jedoch die Logik hinter seinen Wetten nicht verstehen, gibt sich Josh Wander im Interview überzeugt. Wander gründete 777 Partners im Jahr 2015 zusammen mit Steven Pasko. „Wir sind der festen Überzeugung, dass eine neue Welle der Kommerzialisierung des Fußballs bevorsteht“, so Wander. 777 habe attraktive Preise gezahlt, um in Vereine zu investieren, die bislang „einen schrecklichen Job bei der Vermarktung ihres Produkts“ gemacht hätten.
Zu einem möglichen Interesse von 777 an Everton will Wander nichts sagen. Die englische Premier League habe aber „im Vergleich zu anderen Ligen sehr gute Arbeit bei der Kommerzialisierung ihres Produkts“ geleistet. Das Ziel von 777 sei es, über das Portfolio hinweg „bis zur nächsten Saison profitabel zu sein“. 777 hält neben Hertha BSC unter anderem Anteile am CFC Genua aus Italien, dem brasilianischen Klub CR Vasco da Gama sowie an Standard Lüttich aus Belgien.
Trend zum Multi-Klub-Besitzer
Der FC Everton wird bislang über eine Gesellschaft auf der Isle of Man vom iranisch-britischen Geschäftsmann Farhad Moshiri kontrolliert. Der Klub befindet sich nach mehreren Verlustjahren, einem Beinahe-Abstieg in der letzten Saison und gestiegenen Kosten für ein neues Stadion in einer schwierigen finanziellen Lage. Der Verein beendete kürzlich monatelange exklusive Verhandlungen mit MSP Sports Capital, wie mehrere Quellen berichten.
Wander und 777 sind Teil eines Trends: dem Aufstieg der Multi-Klub-Besitzer. Er verändert das Gesicht des Fußballs – und ruft beim europäischen Fußballverband Uefa durchaus Bedenken hervor. Seit 777 Partners 2018 erstmals 15 Prozent der Anteile am FC Sevilla übernommen hatte, wurden immer wieder Fragen zu den Absichten der Investoren gestellt. „Ich finde es absurd, dass die Leute sagen, wir seien nicht seriös, wenn wir in den letzten 18 Monaten Anteile an sieben Vereinen gekauft haben“, sagt Wander. „Gibt es irgendjemanden auf der Welt, der den Kauf von Fußballvereinen in der Geschichte ernster genommen hat als Josh Wander?“
Laut Wander verwaltet 777 Vermögen von 9 bis 10 Mrd. Dollar, „einschließlich einer Versicherungsbilanz von fast 4 Mrd. Dollar“. Alle Mittel habe 777 aus dem eigenen Geschäft generiert, abgesehen von 250 Mio. Dollar, die das Unternehmen in Form von Vorzugsaktien aufgenommen habe. Aktuell versucht der Investor mithilfe von Tifosy Capital „ein paar hundert Millionen“ an Eigen- und Fremdkapital für seine Fußball-Holdinggesellschaft zu beschaffen. Wander sagt, er habe auch Gespräche mit dem 650 Mrd. Dollar schweren saudischen Staatsfonds geführt, allerdings „kam nichts dabei heraus“.
Cross-Selling als Geschäftsmodell der Zukunft?
Wander und Pasko haben 777 massiv umgebaut: weg von frühen Investitionen in „esoterische“ Finanzanlagen wie Lotteriegewinne und strukturierte Vergleiche, bei denen sich Beklagte in Rechtsstreitigkeiten bereit erklären, Schadensersatz über mehrere Jahre hinweg anstatt mit einer Pauschalsumme zu zahlen. Die Beteiligungen des Unternehmens erstrecken sich inzwischen auf sieben Branchen, darunter Luftfahrt, Prozessfinanzierung und Privatkredite, die laut Wander alle das gemeinsame Merkmal vorhersehbarer, langfristiger Cashflows aufweisen würden.
Im Sportbereich, so Wander, umfasse die Strategie von 777 den Wechsel von Spielern zwischen den Vereinen, den Kauf angrenzender Geschäftsbereiche wie Tickets und Merchandising sowie das Crossselling von Produkten anderer Unternehmen. „Die Vision für diese Fußballgruppe ist, dass wir eines Tages nicht mehr Hotdogs und Bier an unsere Kunden verkaufen, sondern Versicherungen oder Finanzdienstleistungen oder was auch immer", so Wander. Die intensive Bindung der Fans an ihre Vereine bedeute, „dass sie monetarisiert werden wollen“.
Der Einstieg des Investors bei hochkarätigen Fußballvereinen habe eine „lüsterne“ Medienberichterstattung mit sich gebracht, sagt Wander. Unter anderem kam eine Verhaftung Wanders wegen Kokainhandels im Jahr 2003 ans Licht, die zu einer Bewährungsstrafe geführt hatte. „Es war eine dumme College-Sache“, sagt Wander dazu. „Der ganze Erfolg, den ich bisher hatte, kam zustande, obwohl jedes Mal, wenn ich versucht habe, etwas zu tun, mir jemand diese Sache an den Kopf geworfen hat. Und als ich anfing, in Sport zu investieren, war das die perfekte Gelegenheit für diese Leute, die einen hassen, um zu versuchen, einen mit eigentlich bedeutungslosen Dingen zu zerstören.“
© 2023 The Financial Times Ltd.