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Pro + Contra Hayek und Keynes streiten über Pkw-Maut

Jahrzehntelang stritten Keynes und Hayek über den Konflikt zwischen Staat und Markt. Capital führt den Streit fort. Diesmal: Sollte der Staat eine Pkw-Maut erheben?

Sehr geehrter Herr Keynes,

es gibt einen deutschen Politiker, der selbst mich hin und wieder zum Lachen bringt. Dieser Herr, Seehofer sein Name, hat sich in den Kopf gesetzt, auf deutschen Autobahnen eine Gebühr zu erheben, und zwar nur für Ausländer. Ein Fall von Ungleichbehandlung, wie er typisch ist für staatliche Eingriffe. Es zeigt die ganze Jämmerlichkeit eines Staates, dessen Steuereinnahmen für den Straßenbau nicht reichen und der nach Geld für seine nutzlosen Kreisverkehre und überspannten ­Brücken sucht. Warum lässt man nicht private Unternehmen diese Aufgabe übernehmen? Die würden niemals auf die groteske Idee kommen, Automobilfahrer nach ihrer Herkunft zu sortieren.

Ihr F. A. Hayek

Werter Hayek,

Sie sind mir immer für ein Amüsement gut. Eine wirklich drollige Idee, den Privaten die öffentliche Infrastruktur zu überlassen. Wenn man dem Markt das Straßenverkehrsnetz übergäbe, käme es derweil zu einer Ungleichbehandlung ganz anderer Art: Es gäbe dann nur noch einige wenige Autobahnen zwischen den Hauptballungszentren, dort wo die Rendite am größten ist. Der Provinz blieben nur noch Kieswege.

Ihr getreuer John Maynard

PS: In meiner britischen Heimat hatten andere Schlaumeier eine ähnliche Idee. Im Land der Erfindung der Eisenbahn gibt es in der Folge heute kein vernünftiges Schienennetz mehr.

Sehr geehrter Herr Keynes,

es spricht für die Verblendung der Staatsgläubigen – zu denen ich auch Sie zählen muss –, dass sie meinen, ausgerechnet eine Behörde könne ermessen, wohin eine Straße gebaut werden muss. Wenn die Provinz ihre Kieswege loswerden will, dann werden sich schon Investoren finden. Und wenn nicht, dann braucht man dort offenbar keine Straße! Stattdessen haben wir wieder den großen Volksbeglücker, der alle mit Gebühren dafür in Haft nimmt, dass auch der letzte Bauernhof dreispurig erreichbar ist. Geben Sie es doch zu, Herr Keynes: In Wahrheit geht es Ihnen doch nur um Beschäftigungsprogramme im Straßenbau. Die sind doch ein herrlicher Multiplikator, oder?

Ihr F. A. Hayek

Lieber Meister Hayek,

ich muss Ihnen zustimmen. Straßenbauprogramme sind tatsächlich geeignet, um die Nachfrage in vielen Branchen anzuschieben. Deswegen sind sie eben auch gut aufgehoben in der Hand des Staates, zumal für Krisenzeiten. Nachdem so viele meine Schriften gelesen haben, konnten dadurch in den vergangenen Jahrzehnten Rezessionen abgemildert werden. Vielleicht lesen Sie auch noch einmal bei mir nach? Ich lasse Ihnen gern ein Exemplar zukommen. Ich habe einmal gesagt: „Es ist nicht schlimm, manchmal falsch zu liegen, speziell wenn man es schnell herausfindet.“ Da kommen Sie auch noch hin, Hayek!

Ihr John Maynard

Sehr geehrter Herr Keynes,

es beunruhigt mich, mit welcher Begeisterung Sie den Erfolg Ihrer Schriften konstatieren. Der Staat belässt es nämlich nicht bei den Straßen. Er sagt uns, mit welcher Art Autos wir auf ihnen zu fahren haben („schadstoffarm“), und er wird uns per Mautgebühr Hinweise geben, wann wir dies zu tun haben. Nein, solche Straßen will ich wirklich nicht. Sie sind ein „Weg zur Knechtschaft“ (Hayek, 1944).

Ihr F. A. Hayek

Hier finden Sie die anderen Folgen des fiktiven Briefwechsels: Welche Partei sorgt bei der Bundestagswahl für Gerechtigkeit? Kann der Staat den Klimwandel stoppen? und Sollen Straßennamen verkauft werden?

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