Es dauerte nicht lange, bis die ersten Boykottaufrufe in den Sozialen Netzwerken aufpoppten: „Hans im Glück“, „Backwerk“ und „Pottsalat“ – sie alle sollen rechtsextreme Umtriebe in Deutschland finanzieren, so der Tenor der Nutzer. Deshalb solle man künftig weder dort einkaufen noch essen gehen.
Auslöser war ein Bericht des Recherchezentrums Correctiv, das sich in ein rechtes Netzwerk eingeschleust hatte, und hieraus mehrere Namen nannte. Darunter auch Hans-Christian Limmer, Gründer der Bäckereikette „Backwerk“ und Gesellschafter bei Hans im Glück sowie Pottsalat. Limmer habe, so schreibt es Correctiv, eine Einladung für ein Treffen nahe Potsdam unterzeichnet, in dem es um einen mutmaßlichen „Masterplan zur Remigration“ gegangen sein soll – also um die Abschiebung von Millionen Menschen mit ausländischen Wurzeln. Das Recherchenetzwerk spricht von einem „Geheimplan gegen Deutschland“. Vor Ort seien AfD-Politiker, Neonazis und bekannte Esoteriker gewesen.
Limmer selbst blieb dem Treffen fern, und stritt jegliche inhaltliche Beteiligung ab. Auch gegenüber „Capital“ und dem „Stern“ bekräftigte er: „Ich hatte bei der Organisation und Planung keine Rolle.“ Bei der Auswahl der Referenten sei er ebenfalls nicht beteiligt gewesen. „Ich habe weder die Durchführung der Veranstaltung noch Projekte finanziell unterstützt“, schreibt Limmer.
Auf Nachfrage wird Limmer noch konkreter. „Ich hatte zunächst einige Einladungen des Veranstalters unterschrieben, ohne mich vorher ausreichend mit den dort genannten Vortragenden zu beschäftigen. Nachdem ich dies nachgeholt hatte, habe ich keine weiteren Einladungen unterschrieben und mich komplett aus der Planung und Durchführung zurückgezogen“, teilt er mit. „Ich war auch nicht bei der Veranstaltung und habe mehrfach betont, dass ich über einige dort offenbar erhobene Forderungen zutiefst bestürzt bin. Das betrifft insbesondere die Forderung nach Remigration deutscher Staatsbürger.“
Limmer will Anteile an Unternehmen abgeben
Offensichtlich reichte das Statement aber nicht aus. Am Mittwoch verkündeten „Hans im Glück“ und „Pottsalat“ das Ende der Zusammenarbeit mit Limmer. „Wir wurden von der Berichterstattung überrumpelt“, sagt „Pottsalat“-Geschäftsführer und -Mitgründer Ben Küstner. In der Sache kenne man nur das, was Correctiv in seinem Bericht recherchiert und veröffentlicht habe. „Ich kann versichern, dass Herr Limmer noch nie Einfluss auf unsere Personalpolitik genommen oder unser Unternehmen in sonstiger Weise ideologisch geprägt hat“, so der „Pottsalat“-Geschäftsführer weiter.
Laut Küstner werde sich Limmer nun nicht nur als Gesellschafter bei „Pottsalat“ zurückziehen, sondern auch seine Anteile verkaufen. Die dafür notwendigen juristischen Vorbereitungen seien bereits angelaufen. An wen die Anteile gehen, wurde bislang nicht bekannt. „Hans im Glück“ teilte mit, dass Limmer angeboten habe „seine Gesellschafterstellung umgehend aufzugeben“. Dieses Angebot hätten die Mitgesellschafter umgehend angenommen. Auch hier werde Limmer sämtliche Anteile abtreten, und zwar an die verbleibenden Mitgesellschafter, wie ein Pressesprecher des Unternehmens auf „Capital“-Anfrage erklärte. „Jegliche Form der Zusammenarbeit mit Herrn Limmer ist damit eingestellt. Als Investor war Herr Limmer überdies zu keinem Zeitpunkt an operativen Geschäftsentscheidungen beteiligt.“
Es ist nicht das erste Mal, dass Limmer Kontakte ins rechte Lager nachgesagt werden. Schon 2007 sollen sich Rechtsradikale auf einem Hof in Südtirol getroffen haben, der unter anderem Hans-Christian Limmer gehört haben soll. Außerdem soll Limmer 2005 kurzzeitig Miteigentümer der Immobilie gewesen sein, in der sich der geschichtsrevisionistische Verein „Gedächtnisstätte“ Borna befand. Bei der Eröffnungsveranstaltung sollen nicht nur Limmers Eltern vor Ort gewesen sein, sondern auch die mehrfach verurteile Holocaust-Leugnerin Ursula Haverbeck, die den Verein 1992 gründete. Das legen jedenfalls Bilder nahe, die die sächsische Linke-Landesabgeordnete Kerstin Köditz auf X, vormals Twitter, postete.
Beteiligung an Immobilie für rechtsextremistischen Verein
Laut Limmer ist das alles anders gelaufen. Er habe 2007 keine Anteile an einem Hof in Südtirol gehalten, schreibt er Capital. Ein entsprechendes Dokument der Quästur Bozen kenne er nicht. An der Immobilie in Borna habe er sich im März 2005 mit seinen Eltern zu je einem Drittel beteiligt, „da der Kaufpreis mit insgesamt 99.000 Euro sehr günstig war und erheblich unter dem Wert der Immobilie lag“. Eingestiegen sei er auch, weil der Aufwand gering schien. Sein Vater wollte sich um die Renovierung kümmern, er um den Aufbau von „Backwerk“. Unter mehreren Mietern hätte der Vater auch den als gemeinnützig anerkannten Verein „Gedächtnisstätte e.V.“ vorgesehen. Er wird mittlerweile vom sächsischen Verfassungsschutz als rechtsextrem eingestuft und beobachtet, damals allerdings noch nicht. „Auch wegen der Gemeinnützigkeit hatte ich keinen Grund an der Seriösität des Vereins zu zweifeln“, schreibt Limmer lediglich. Von Seiten der Stadt sei ihm signalisiert worden, wie glücklich man sei, einen Investor für die Immobilie gefunden zu haben.
Neun Monate später, im Dezember 2005, sei dann ein Artikel in der „Leipziger Volkszeitung“ erschienen. Darin wurde eine Verbindung zwischen dem Verein und rechtsextremen Kreisen beschrieben. Limmer, der nach eigenen Aussagen damals zum ersten Mal davon hörte, habe sich daraufhin sofort entschieden, seinen Anteil an seine Eltern zu verkaufen. Da sein Vater zu diesem Zeitpunkt schwer krank gewesen sei, habe der Notartermin erst am 30. Januar 2006 stattgefunden, so Limmer zu Capital. Seinen Anteil habe er dann wirtschaftlich rückwirkend zum 1. April 2005 verkauft.
Die Eintragung im Grundbuch erfolgte allerdings erst am 7. Juni 2006, knapp zwei Monate nach dem Tod des Vaters am 6. April 2006. „Daraus wurde in der Folge dann wahrheitswidrig konstruiert, dass ich nach dem Tod meines Vaters Miteigentümer der Immobilie gewesen sein soll“, sagt Limmer. Richtig sei, dass seine Mutter Gisela Limmer die alleinige Eigentümerin gewesen sei. Er habe ihr in dieser Zeit aber dringend zum Verkauf der Immobilie geraten – und habe sie auch bei Verkaufsgesprächen mit einem Projektentwickler unterstützt. Der Vorsitzende des Vereins habe sogar schriftlich erklärt, dass Hans-Christian Limmer nichts mit der Idee des „Gedächtnisstätte“-Vereins zu tun habe.
Ob aber seine Mutter oder sein Vater an einer Eröffnungsveranstaltung mit Ursula Haverbeck teilgenommen haben – dazu könne er 17 Jahre später nichts mehr sagen. „Frau Haverbeck kenne ich nicht. Soweit ich es aus dem Internet erkennen kann, vertritt sie unerträgliche Positionen in Bezug auf die Shoa. Wenn ausgerechnet Deutsche das singuläre Menschheitsverbrechen der Shoa leugnen, finde ich das zum Kotzen und strafwürdig“, erklärt Limmer gegenüber „Stern“ und „Capital“.
Unternehmer Hans-Christian Limmer
Als Unternehmer hat sich Limmer über die Jahre einen Namen gemacht: 2001 gründete er gemeinsam mit Dirk Schneider die Bäckereikette „Backwerk“. Sie hatte vor dem Verkauf an das schweizerische Unternehmen Valora 2017 – zu der unter anderem der Bäcker „Ditsch“ gehört – einen Umsatz von mehr als 214 Mio. Euro erzielt. Für den Verkauf sollen damals 190 Mio. Euro an die Alt-Investoren geflossen sein.
Mit dem Geld investierte Limmer unter anderem in die Burgerkette „Hans im Glück“ sowie „Pottsalat“, die sich auf gesunde Bowls spezialisiert haben. „Hans im Glück“ wurde 2010 von Thomas Hirschberger gegründet, der bereits die Kette „Sausalitos“ erfolgreich gemacht hatte. 2015 lag „Hans im Glück“ unter den Top drei der wachstumsstärksten Systemgastronomen in Deutschland. Doch obwohl das Wachstum weiterging und das Unternehmen mehr als 100 Mio. Euro Umsatz machte, kam es zu zunehmenden Konflikten mit den Franchise-Nehmern und Kritik an der Organisation.
Anfang 2020 kauften Schneider und Limmer schließlich den Großteil der Anteile an „Hans im Glück“ für rund 26 Mio. Euro mit dem Ziel, das Unternehmen zu sanieren und sogar neue Filialen zu eröffnen. Nach zwei schwierigen Corona-Jahren befindet sich die Firma inzwischen wieder auf stabilem Kurs. Und den wollte das Unternehmen wohl nicht gefährden – weshalb sich Limmer nach Unternehmensangaben von seinen Anteilen trennen will, „um weiteren Schaden von der Firma abzuwenden“.