Gut möglich, dass Google die Zukunft des Internets gehört. Was 1998 mit einer smarten Suchmaschine begann, ist längst in alle Bereiche des digitalen Alltags vorgedrungen. Früher lautete die Gretchenfrage: Mac oder PC? Mit dem Siegeszug des mobilen Internets ist für viele Menschen Google beziehungsweise die Mutterfirma Alphabet an die Stelle von Microsoft getreten.
Noch hat Bill Gates' Firma im „Forbes“-Ranking der größten börsennotierten Firmen ganz knapp die Nase vorn. Microsoft liegt aktuell auf Platz 16, einen Rang vor Alphabet. Aber während Microsoft vor allem im Geschäftsbereich punktet, prägt Google das gesamte digitale Leben seiner Kunden.
Damit ist der Konzern seinem Hauptkonkurrenten Apple sehr ähnlich. Letzterer knüpft seine Dienste allerdings an die hauseigenen Geräte, während Google mit dem Betriebssystem Android die Handys und Tablets anderer Hersteller aufwertet. Und hier muss angesichts von stockenden iPhone-Verkäufen gesagt werden: Womöglich fährt Android mit der Dienstleister-Strategie besser. Denn der Smartphone-Markt ist gesättigt und Apple-Konkurrenten bieten mittlerweile erstklassige Qualität zu niedrigeren Preisen.
Kritik an Datensicherheit
Hinzu kommt der simple Fakt, dass Google erstklassige Produkte bietet. Auch der Service kann sich sehen lassen. Da bekommt eine Kundin mit sechs-Euro-Business-Abo schon einmal stundenlange Telefonberatung aus den USA.
Googles Vormachtstellung und Datensammelwut sorgen aber anhaltend für Kritik und Milliardenstrafen von Wettbewerbshütern. Auch die neue Strategie rund um den Einsatz von Künstlicher Intelligenz sorgt bei einigen für Misstrauen. Dabei hatten Larry Page und Sergey Brin anfangs geschworen: „Don't be evil“.
Aber wie wurde aus dem Aufeinandertreffen der beiden Gründer vor 24 Jahren schließlich ein Großkonzern mit globaler Reichweite? Diese zehn Schritte zeigen den Werdegangs der Suchmaschine zu einem der führenden Unternehmen im Zeitalter der Digitalisierung.
Das sind die sieben Entwicklungsstationen von Google
Im Sommer 1995 führte der 22-jährige Larry Page eine Gruppe potenzieller Kommilitonen über den Campus der Stanford University. Unter ihnen war der ein Jahr jüngere Sergey Brin. „Einigen Erzählungen zufolge konnten sie sich während ihres ersten Treffens auf schier gar nichts einigen“, heißt es dazu bei Google. Doch schon wenige Monate später taten sich die Studenten für Pages Dissertationsprojekt zusammen. Page hatte ursprünglich rund zehn Ideen für seine Abschlussarbeit gehabt. Sein Betreuer Terry Winograd pickte die Linkstruktur des Internets heraus. „Das scheint eine echt gute Idee zu sein“, meinte Winograd, wie sich Page später im „Fortune“-Magazin erinnert. Das sei der beste Rat gewesen, den er je bekommen habe.
Google begann als Forschungsprojekt „BackRub“. Suchmaschinen zu jener Zeit bewerteten die Treffgenauigkeit einer Internetseite stumpf danach, wie oft der gewünschte Begriff auf ihnen zu finden war. Page und Brin aber verfolgten den Ansatz „Qualität statt Quantität“. Sie wollten das Internet für sich arbeiten lassen. Denn war es nicht naheliegend, dass relevante Seiten zu einem Thema bereits von anderen Webpages entdeckt und verlinkt worden waren? Das Duo entwickelte in seinen Wohnheimen also eine Suchmaschine, die mithilfe von Links die Wichtigkeit einzelner Webseiten im World Wide Web ermittelte. Im August 1996 nahm Google unter der URL „google.stanford.edu“ die Arbeit auf. Der erste Server bestand aus Legosteinen. Zufall oder nicht: Die Farben finden sich heute im Firmenlogo.
BackRub wurde rasch in Google umbenannt. Der Name ist ein Wortspiel mit „Googol“. Der mathematische Begriff bezeichnet eine Zahl mit einer Eins und hundert Nullen. Diese gigantische Ziffer sollte die Fülle an Informationen symbolisieren, die die Suchmaschine filtern konnte. Am 15. September 1997 registrierten Brin und Page die Domain „Google.com“. Die neue Suchmaschine fand dank der besseren Treffer schnell Fans. Der deutsche Informatiker Andreas von Bechtolsheim (Bild), einer der Gründer von Sun Microsystems, investierte im August 1998 100.000 Dollar in das Start-up.
Google zog nach der Firmengründung am 4. September 1998 vom Studentenwohnheim ins erste Büro um. Erster Firmensitz war – wie könnte es anders sein – eine Garage. Sie gehörte Susan Wojcicki, Google-Mitarbeiterin Nummer 16 und heute CEO von YouTube. 1998 wurde auch schon der Doodle geboren, die kurzzeitige Veränderung des Google-Logos. Die erste Ausgabe bestand aus einem Strichmännchen und klärte Nutzer auf, dass das Team zum Burning-Man-Festival gefahren war.
Beinahe wäre Google den Weg so vieler guter, aber schnell versandeter Ideen im Silicon Valley gegangen. Anfang 1999 wollten Page und Brin ihre Firma an den damaligen Konkurrenten Excite verkaufen. Excite gehörte in der zweiten Hälfte der 90er Jahre zu den meistbesuchten Internetseiten der Welt. CEO George Bell lehnte die Offerte aber ab – selbst, als das Duo den Kaufpreis von einer Million Dollar auf 750.000 Dollar senkte.
Page und Brin stellten schnell klar: Google verfolgt eine Mission. Oberste Maxime war „Don't be evil“ (Sei nicht böse). Die Gründer formulierten zehn Grundsätze, an denen sie sich auch selber messen lassen wollten. Die ersten Punkte lauteten: „Der Nutzer steht an erster Stelle, alles Weitere folgt von selbst“, „Es ist am besten, eine Sache so richtig gut zu machen“, „Schnell ist besser als langsam“, „Demokratie im Internet funktioniert“. 2001 kam Eric Schmidt als CEO an Bord. Die Garage wurde zu klein und das Team zog schließlich 2003 in den heutigen Firmensitz Googleplex im kalifornischen Mountain View um. Mit dabei war natürlich Yoshka, der erste Hund im Google-Büro. Vierbeiner sind bis heute bei Google willkommen.
Am 19. August 2004 wagte Google den Börsengang. Die Aktie wurde für 85 Dollar gehandelt und der Konzern nahm 1,67 Milliarden Dollar ein. Das entspricht heute etwa 2,26 Milliarden Dollar. Aktuell liegt der Marktwert von Google bei rund 863,2 Milliarden Dollar. 2006 nahm das Oxford English Dictionary das Verb „google“ auf. Im selben Jahr verkündete Google die Übernahme der Videoplattform YouTube. Davor waren die Dienste Google Images (2001), Google News (2002), Gmail (2004) und Google Maps (2005) gestartet. 2008 brachte Google seinen Chrome-Browser sowie Google Play heraus, 2012 folgte die Cloud-Speicherplatte Drive.
Google verdankt seine Vormachtstellung auch klugen Zukäufen. 2005 übernahm der Konzern das Unternehmen Android. Gründer Andy Rubin, einst Softwareentwickler bei Apple, blieb bis 2014 in leitender Funktion bei Google. Am 23. September 2008 wurde die erste Version von Android veröffentlicht. Die freie Software, die auf Linux basiert, entwickelte sich schnell zum Marktführer. Rund neun von zehn Smartphones werden mittlerweile mit Android ausgeliefert. 2017 verkündete Google einen neuen Rekord: Android war auf mehr als zwei Milliarden Geräten weltweit installiert. Das waren längst nicht nur Handys und Tablets. Google-Dienste finden sich in Smartwatches, Fernsehern und Autos. Dabei spielt Künstliche Intelligenz eine immer zentralere Rolle.
Google wächst und wächst. Für 2022 meldete Alphabet einen Umsatz von 283 Mrd. US-Dollar (2021: 258 Mrd. Dollar). Der Nettogewinn betrug laut der Bilanz 60 Mrd. Dollar, was unter dem Vorjahreswert von 76 Mrd. Dollar lag. Die Suche ist weiterhin Googles Haupteinnahmequelle. Brin und Page setzten früh auf unaufdringliche Werbung auf der Google-Seite. Google Ads (früher: Adwords) ging schon 2000 an den Start.
Der Google-Kunde ist längst gläsern. Kaum ein Bereich des Privatlebens bleibt dem Konzern dank E-Mail-Inhalten, Standortdaten und Internetsuchen verborgen. Nicht nur die „Datenkrake“ sorgt für Kritik. Die Wettbewerbshüter der EU-Kommission überzogen Google wegen des Vorwurfs, seine marktbeherrschende Stellung zum Nachteil der Konkurrenz auszunutzen, in den vergangenen Jahren immer wieder mit Milliardenstrafen – die der Konzern allerdings mühelos verdaute.
Mit dem Siegeszug von ChatGPT Ende 2022 muss sich Google zum ersten Mal seit Jahrzehnten ernsthafter Konkurrenz erwehren. Gut möglich, dass die Karten im Suchmaschinengeschäft noch einmal neu gemischt werden – und Microsofts Bing ist dank der Partnerschaft mit ChatGPT besser aufgestellt als je zuvor. Denn bei Google wird intern durchaus daran gezweifelt, ob der Konzern in der Lage sein wird, auf die neue Konkurrenz zu reagieren: Ex-Mitarbeiter berichten von einem gelähmten Giganten, unfähig zu echter Disruption.