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Misstrauensvotum Frankreichs Regierung gestürzt: Wer folgt auf Barnier?

Ministerpräsident Michel Barnier in der französischen Nationalversammlung
Ministerpräsident Michel Barnier muss gehen
© ABACAPRESS / IMAGO
Das Misstrauensvotum gegen die Regierung von Frankreichs Ministerpräsident Barnier war erfolgreich. Jetzt ist Präsident Macron wieder am Zug: Er muss schnell einen Nachfolger präsentieren. Die Lage ist kritisch – und die Finanzmärkte sind nervös

In Frankreich ist die Regierung von Ministerpräsident Michel Barnier über ein Misstrauensvotum gestürzt. Abgeordnete der rechtsnationalen Partei Rassemblement National (RN) um die Abgeordnete Marine Le Pen stellten sich am Mittwochabend wie angekündigt im Parlament hinter einen entsprechenden Antrag der Linken. Insgesamt stimmten 574 Parlamentarier für den Schritt und 331 dagegen. Auslöser war ein Streit über Einsparungen im Haushalt in Zeiten knapper Kassen. Barnier führte eine Minderheitsregierung, die sich auf das von Präsident Emmanuel Macron gegründete Parteienbündnis Ensemble und die Republikaner stützte.

Das Kabinett kann übergangsweise im Amt bleiben, um die Tagesgeschäfte zu erledigen. Gleichwohl dürfte die Entwicklung die schwächelnde Nummer zwei der Volkswirtschaften in der Eurozone noch tiefer in politische Turbulenzen stürzen.

Trump kommt nach Paris

Laut Insidern will Präsident Macron sehr schnell einen neuen Ministerpräsidenten ernennen – möglicherweise sogar noch vor der Wiedereröffnung der Pariser Kathedrale Notre Dame am Wochenende, zu der zahlreiche hochrangige Gäste wie der designierte US-Präsident Donald Trump erwartet werden.

Zugleich würde durch eine schnelle Nachbesetzung ein Vakuum im Zentrum der Europäischen Union vermieden – zu einer Zeit, in der Deutschland ebenfalls geschwächt und im Wahlkampfmodus ist und nur Wochen bevor Trump mit einer auch für Partnerländer unklaren Agenda wieder ins Weiße Haus einzieht.

Wer Barnier nachfolgen könnte, ist noch offen. Ideal wäre ein Kandidat, der über Parteigrenzen hinweg Zuspruch bekommt. Dies sollte der ehemalige EU-Kommissar Barnier als Brückenbauer allerdings auch schon sein. Alternativ könnte Macron auch eine Expertenregierung einsetzen, die ohne politisches Programm ins Amt käme. Dennoch würde die neue Person vor denselben Herausforderungen stehen wie Barnier bei dem Vorhaben, Gesetze und den Haushalt für 2025 in einem Parlament zu verabschieden, in dem man keine Mehrheit hat. Das könnte das nächste Misstrauensvotum nach sich ziehen. Ein neues Parlament kann nicht vor Juli 2025 gewählt werden.

Barniers Haushaltsentwurf hatte darauf abgezielt, das Haushaltsdefizit von voraussichtlich sechs Prozent in diesem auf fünf Prozent im kommenden Jahr zu drücken. Dazu sollten Steuererhöhungen und Ausgabenkürzungen im Volumen von fast 60 Mrd. Euro sorgen. Rechte und Linke monierten vor allem geplante Kürzungen.

Der französische Aktienindex CAC 40 ist im Gegensatz zu den großen Indizes vieler anderer Länder in den vergangenen Monaten um etwa 10 Prozent abgesackt. Experten warnen, die Auswirkungen der Krise werde Firmen, Verbrauchern und Steuerzahlern schaden. Es handele sich um eine schleichende Krise, die zu einer anhaltenden Verschlechterung der Kreditwürdigkeit des Staates führen werde, sagte etwa Christian Kopf von Union Investment.

Ende März Urteil im Prozess gegen Le Pen

Macron hat die Malaise selbst mit ausgelöst, als er nach schlechten Ergebnissen bei der Europawahl Parlamentswahlen für Juni in der Hoffnung ausrief, sein eigenes Lager zu stärken. Tatsächlich kam es aber zu einem Patt. Seine Amtszeit als Präsident läuft bis Mitte 2027 und er kann nicht vom Parlament abgesetzt werden. Der RN und die harte Linke haben angesichts der Krise im Land aber bereits wiederholt seinen Rücktritt gefordert. Dies hat er zuletzt am Dienstag abgelehnt.

Gute Chancen auf Macrons Nachfolge rechnet sich die prominente RN-Abgeordnete Marine Le Pen aus, die 2017 und 2022 jeweils in der zweiten Runde der Präsidentschaftswahlen Macron unterlag. Allerdings ist für Ende März 2025 ein Urteil im Prozess gegen Le Pen und ihre Partei wegen Veruntreuung von EU-Geldern angekündigt, das weitreichende Folgen haben könnte: Die Staatsanwälte haben gefordert, dass Le Pen für fünf Jahre keine öffentlichen Ämter bekleiden darf. Der Ausgang ist offen.

Elizabeth Pineau und Michel Rose/rtr/kb

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