Exklusiv "Wir brauchen für jeden Flüchtling einen Lotsen"

Ex-Lageso-Chef Muschter fordert eine individuelle Integrationsvereinbarung für jeden Flüchtling.

Der ehemalige McKinsey-Berater und frühere Chef des Berliner Landesamts für Gesundheit und Soziales (Lageso), Sebastian Muschter, warnt vor einem Scheitern der Integrationspolitik, wenn die Maßnahmen nicht gezielter und besser kontrolliert werden. „Wir brauchen einheitliche Standards für Integration und Fortschritte, die messbar sind. Sonst verlieren wir fünf Jahre, verblasen 8 Mrd. Euro und haben am Ende nur die integriert, die sich sowieso integriert hätten“, sagte Muschter im Capital-Interview (Ausgabe 2/2017; EVT 19. Januar 2017).

Jeder Flüchtling brauche „einen Lotsen, der ihm sagt, was wie geht und was realistisch ist. Wenn jemand etwa Fliesenleger werden möchte, braucht er nicht das Plusquamperfekt im Deutschen. Aber er benötigt relativ schnell berufsspezifisches Vokabular.“ Da auch in den nächsten Jahren wahrscheinlich 200.000 bis 300.000 Flüchtlinge jährlich hinzukommen, sei es für ein Lotsen-System noch nicht zu spät, erklärte Muschter, der von Anfang bis Ende 2016 Chef des Lageso war – Deutschlands schwierigster Behörde. Das Berliner Landesamt war 2015 unter der Last des Flüchtlingsstroms zusammengebrochen.

Ein Steve Jobs reicht schon

Figure Capital-Cover 02/2017
Die neue Capital erscheint am 19. Januar

Zur Frage, ob die Flüchtlinge auch eine Chance für die deutsche Wirtschaft sind, sagte Muschter, er sei kurzfristig pessimistisch, mittel- und langfristig optimistisch. Für die zweite Generation sei es tatsächlich „die berühmte ‚Jahrhundertchance’“. Die Flüchtlingskinder müssten einfach reinrutschen ins deutsche Bildungssystem. „Wenn in 25 Jahren eins dieser Flüchtlingskinder ein Steve Jobs ist – er war der Sohn eines syrischen Einwanderers in Amerika – und ein Apple gründet, reicht das schon, um für die gesamte Flüchtlingsthematik zu bezahlen“, sagte der Ex-Lageso-Chef.

Als Lehre aus seiner Zeit im Lageso zieht Muschter insgesamt den Schluss, dass die öffentliche Verwaltung dringend mehr Manager mit Wirtschaftserfahrung brauche. „Wir brauchen dort mehr Management-Erfahrung. Ein Behördenchef stellt sich die Frage gar nicht, wie lange er brauchen würde, um mit der doppelten Zahl Kunden zurechtzukommen. Gute Manager aber lernen so etwas.“

Mehr Geld für Behördenchefs

Auch gebe es in der Verwaltung zu wenig Innovation. „Wenn Sie etwas Neues ausprobieren und es geht schief, steht es ja gleich im Rechnungshofbericht“, sagte Muschter. Für große Innovationen müsse man auch große Risiken eingehen, „da gehen mal ein paar schief“. Aber in der Politik sei das tabu.

Um mehr Manager für die Verwaltung zu gewinnen, müssten auch die Gehälter deutlich steigen. „Wir werden auch mehr bezahlen müssen“, sagte Muschter. Die Gehaltsdebatte sei scheinheilig. So verdienten etwa viele Chefs staatlicher oder fast staatlicher Unternehmen mehr als Angela Merkel. „Angela Merkel trägt die Last der gesamten westlichen Welt und verdient halb so viel wie der Chef der Sparkasse Neuss. Das ist absurd.“

Das ganze Interview lesen Sie in der Februar-Ausgabe von Capital. Hier geht es zum Abo-Shop, wo Sie die Print-Ausgabe bestellen können. Unsere Digital-Ausgabe gibt es bei iTunes, GooglePlay und Amazon

Neueste Artikel