Da war zum Beispiel der Fahrradhändler in Freising bei München, der in seinem Keller mehr als 15.000 alte Reifen lagerte. 20 Jahre lang hatte er gehofft, dass es einmal ein Recyclingsystem geben werde. Ende vergangenen Jahres war es dann so weit: Der Fahrradreifenspezialist Schwalbe ließ das ganze Material aus dem Keller abholen – um es für die Produktion neuer Reifen zu nutzen.
Schon in den 90er-Jahren hatte es bei Schwalbe einen ersten Anlauf für die Wiederverwertung nicht mehr gebrauchter Reifen gegeben. Damals seien daraus Gummimatten entstanden, die dann etwa bei Fahrradhändlern zum Einsatz kamen, erzählt Markenchef Philipp Jahn, dessen Großvater Ralf Bohle Schwalbes Klassiker Marathon vor fast 40 Jahren auf den Markt brachte. Allerdings setzte sich der Kreislaufansatz in dieser Zeit noch nicht durch.
Das soll sich nun ändern. Mitte Juni hat das Familienunternehmen Ralf Bohle GmbH aus der Nähe von Siegen in NRW, das hinter Europas führender Radreifenmarke steht, eine Weltneuheit vorgestellt: einen Reifen aus Recyclingmaterial. Mit dem Green Marathon sei es gelungen, den ersten Kreislaufreifen überhaupt zu entwickeln, sagt Jahn.
Dafür hatte Schwalbe im vergangenen Jahr als erster Hersteller ein Recyclingsystem gestartet. Dabei werden alte Reifen in speziellen Sammelboxen bei Fahrradhändlern entgegengenommen, mehr als 1.700 nehmen deutschlandweit teil. Den Händlern empfiehlt das Unternehmen, seinen Kunden 1 oder 2 Euro zu zahlen, wenn sie ihre alten Reifen abgeben – statt sie in den Müll zu werfen. Nach Jahns Angaben wurden auf diese Weise bis heute bereits 300.000 Reifen wiederverwertet – unter ihnen die 15.000 aus dem Keller des Freisinger Radhändlers.
Kein Preisunterschied
Für die Wiederaufbereitung des Materials kooperiert Schwalbe mit der Firma Pyrum. Bei dem Recyclingspezialisten im Saarland entsteht in einem Pyrolyseverfahren zur Spaltung der Stoffe bei großer Hitze Recyclingruß, der in der Produktion des neuen Reifens anstelle von Industrieruß genutzt wird. Durch den Einsatz nachhaltigerer Materialien fielen bei dem grünen Marathon-Reifen 34 Prozent weniger CO₂ an als bei seinem Vorgängermodell, sagt Jahn. Produziert wird der Kreislaufreifen von einem Partner aus Südkorea, mit dem Schwalbe seit Jahrzehnten kooperiert.
Zugleich arbeiten die Experten bei Schwalbe und seinen Partnern daran, das Verfahren weiter zu verbessern. „Wir sind zuversichtlich, dass wir noch höhere Einsparungen erreichen können“, sagt Markenchef Jahn. Für den Anfang will das Unternehmen mehr als 25 Prozent aller Marathon-Reifen in der Recyclingversion verkaufen. Künftig könne der Anteil des grünen Marathons aber noch steigen, sagt Jahn – zumal das Kreislaufmodell im Handel auf dem gleichen Preisniveau liegen soll wie die bisherigen Reifen. Um welche Dimensionen es dabei geht, zeigt eine Zahl: Im Jahr 2021 verkaufte Schwalbe rund 25 Millionen Reifen.