Christian Schütte schreibt an dieser Stelle über Ökonomie und Politik
Jetzt scheppert also schon das Echo aus den frühen 20er Jahren durch Europa. "Deutschland wird bezahlen", habe der neue griechische Finanzminister gesagt, meldete Anfang der Woche eine französische Zeitung.
Eine Neuauflage des berühmten "L´Allemagne paiera", mit dem Frankreichs Regierung Clemenceau 1919 gegenüber dem Kriegsverlierer Deutschland auftrumpfte? Er habe das so gar nicht gesagt, dementierte Yanis Varoufakis umgehend via Twitter.
"Schulden sind Schulden", hat IWF-Chefin Christine Lagarde neulich erklärt als es um die Frage eines weiteren Haircuts für Griechenland ging. Auch das klingt wie ein Echo aus den 20ern, als der damalige US-Präsident Calvin Coolidge den krisengeplagten und in Amerika hoch verschuldeten Briten jeden Schuldenerlass kurz und trocken verweigerte: "They hired the money, didn´t they - Die haben sich das Geld doch selbst geliehen, oder etwa nicht?"
"True. But hardly exhaustive", soll der damalige britische Finanzminister Churchill geantwortet haben. "Stimmt. Aber das ist wohl kaum die vollständige Geschichte." Immerhin hatten sich die Briten das Geld für den Krieg geliehen, den sie unter hohen Opfern auch im Interesse der Amerikaner führten.
Politisches Gift
Mit solchen blutigen Vorgeschichten haben die heutigen Konflikte zum Glück (fast) nichts zu tun. Varoufakis fordert keinen Versailles-Vertrag und Christine Lagarde ist kein Shylock. Beide vertreten zentrale Interessen ihrer Institutionen, nicht mehr und nicht weniger. Verglichen mit den 20er Jahren ist auch die wirtschaftliche Lage noch immer ausgesprochen komfortabel.
Das politische Gift, mit dem hier hantiert wird, ist aber trotzdem extrem gefährlich. Denn wenn demnächst verletzte Gefühle und überhöhte Moral an die Stelle des nüchternen Rechnens treten, dann wird es schwierig, die letztlich notwendigen Kompromisse zu schließen. Die harte Interessenpolitik kann sich dann zum unkontrollierbaren Euro-Krawall und -Knall auswachsen.
Das eigentliche Defizit der Griechen sei ein "Defizit an Würde", beklagt Yanis Varoufakis . Das mag ja die Stimmung seiner Landsleute richtig ausdrücken - aber es hilft keinem, wenn daraus ein Argument für Verhandlungen über Europas Geldtöpfe wird.
Zeit für moderate Töne
Soll es künftig wirklich danach gehen, wer sich in der Euro-Familie am gemeinsten betrogen und ausgenutzt, unterdrückt und missachtet fühlt? So etwas ist allenfalls als Kurzfilmkomödie amüsant und konstruktiv.
Die internationalen Finanzprobleme der 20er Jahre wurden am Ende dann doch durch Schuldenerlass und die Abschreibung verlorener Kredite gelöst. Den bankrotten Deutschen wurden 1932 die Reparationen erlassen. Die politische Vergiftung ließ sich da aber schon kaum noch kurieren.
In Europa wird es höchste Zeit, auf allen Seiten wieder rhetorisch abzurüsten.