Anzeige

IWF-Tagung Ein Hoffnungswert

Die Frühjahrstagung des IWF findet derzeit in Washington statt.
Die Frühjahrstagung des IWF findet derzeit in Washington statt.
© International Monetary Fund / CC BY-NC-ND 2.0 / Flickr
Das Wirtschaftswachstum schwächt sich deutlich ab. Doch selbst die niedrigsten Zahlen zehren noch von viel Optimismus

Die Europäer haben in diesen Tagen in Washington ein Problem. Wegen der Zeitverschiebung machen sie ihre Pressegespräche am Rande der Frühjahrstagung des Internationalen Währungsfonds früh morgens. So schaffen es alle Nachrichten zur Weltwirtschaft und Konjunktur noch rechtzeitig nach Hause in die Abendnachrichten. Doch so früh morgens ist ein wichtiger, wahrscheinlich der wichtigste Faktor der Weltwirtschaft, noch nicht aktiv: „Ich habe noch nicht meine letzten Twitternachrichten gelesen“, entschuldigt sich ein hochrangiger Europäer an diesem frühen Freitagmorgen in Washington, so könne er nicht wirklich sagen, ob sich der Handelsstreit zwischen den USA und Europa gerade eher entspanne oder vielleicht doch wieder zuspitze.

Die kleine Anekdote beschreibt ganz gut, in welchem angespannten Schwebezustand sich die Weltwirtschaft gerade befindet: Alles ist möglich, von einer schönen Überraschung bis zu einem jähen Absturz. Und fast alles hängt am US-Präsidenten Donald Trump. Finden seine Emissäre in den kommenden Wochen eine Einigung mit China, könnte das der Weltwirtschaft einen echten Push geben und viel Verunsicherungen bei Unternehmen auflösen. Das wären gute Nachrichten auch für Europa und speziell die Exportnation Deutschland. Wendet sich Trump nach einem solchen Erfolg dann jedoch wieder der Auseinandersetzung mit der EU zu, wie er erst am Donnerstag erneut andeutete, dann könnte es gerade in Deutschland in diesem Jahr noch sehr viel schlechter laufen als derzeit gedacht.

So erklären sich die trüben Zahlen zur Konjunktur, die in dieser Woche die Runde machten. Erst reduzierten die führenden Wirtschaftsinstitute ihre Wachstumsprognose für Deutschland auf nur noch 0,8 Prozent in diesem Jahr, am Donnerstag sickerte vorab die Erwartung der Bundesregierung für 2019 durch: 0,5 Prozent Zuwachs, noch mal deutlich weniger als die ohnehin schon pessimistischen Institute. Die Worte, die Bundesbank-Präsident Jens Weidmann dazu in Washington findet, könnten schlimmer kaum klingen. Die „Weltwirtschaft belastet“, „globale Industrie kraftlos“, „negative Angebotsschocks“, alle Prognosen „nochmals nach unten korrigiert“, „eine weitere Eskalation nicht ausgeschlossen“. Mancher Teilnehmer der Mega-Konferenz zieht bereits Parallelen zur großen Finanz- und Wirtschaftskrise 2008.

Doch wer tiefer in die Zahlen einsteigt, entdeckt Erstaunliches: Praktisch alle Experten, die deutschen Institute ebenso wie der IWF, gehen davon aus, dass die Weltwirtschaft und Deutschland das Schlimmste schon hinter sich haben. Der Einbruch der Autoproduktion im zweiten Halbjahr 2018, das Niedrigwasser im Rhein (selbst das wurde in Washington registriert) und die Verunsicherung im Welthandel hätten deutsche Unternehmen im Herbst viel härter getroffen als zunächst gedacht. Allein dies belastet alle Jahresprognosen für 2019, die Ökonomen sprechen vom einem statistischen Überhang. So reflektieren Wachstumszahlen von 0,5 bis 0,8 Prozent eher die Vergangenheit als die Gegenwart.

Die reale Wirtschaft aber könnte schon längst weiter sein und die Schwäche überwunden haben. Und tatsächlich enthalten alle Prognosen, die so verheerend klingen, die Hoffnung, dass das Wachstum spätestens im zweiten Quartal 2019 wieder kräftig zurückkehrt – ja, eigentlich schon längt zurück sein müsste. Zum Jahresende 2019, auch das steht in allen Konjunkturberichten, werde die deutsche Wirtschaft wieder mit einer Rate von etwa 1,4 Prozent wachsen – was ein ordentlicher Wert wäre. Dafür sprechen sehr gute Zahlen vom Arbeitsmarkt (es entstehen immer noch mehr Jobs), steigende Ausgaben des Bundes und der Länder sowie die Aussicht, dass die Notenbanken die Zinsen weiter niedrig halten.

Prognosen unter Vorbehalt

Allerdings stehen diese Prognosen dennoch unter einem großen, völlig unkalkulierbaren Vorbehalt: Die Lage im Welthandel entspannt sich wieder, US-Präsident Trump verzichtet auf weitere Strafzölle und einigt sich mit China auf neue Handelsregeln – und nebenbei findet sich auch für den EU-Austritt der Briten eine Lösung, mit der alle Seiten gut leben können. Sollte es jedoch anders kommen, werde sich die wirtschaftliche Lage „dramatisch verschlechtern“, heißt es auch im World Economic Outlook des IWF.

Zumindest die Daten bis in den März hinein signalisieren nicht, dass die Unternehmen bereits wieder ihre Produktion nennenswert ausweiten. Kommen dann auch noch Strafzölle etwa auf europäische Autos, dann würde dies – nur in Deutschland – Warenexporte in die USA im Wert von etwa 27 Mrd. Euro treffen. Selbst das wäre noch verkraftbar, sagen die Ökonomen des IWF, allerdings würden sich die Zölle dann wahrscheinlich schnell in andere Bereiche der Wirtschaft fressen: Investitionen in neue Maschinen und Fabriken, Störungen der globalen Lieferketten, sie würden viele Arbeitnehmer in Deutschland tief verunsichern und damit den privaten Konsum deutlich schwächen – um nur die naheliegendsten Folgen zu nennen.

Auch die 0,5 Prozent Wachstum, die jetzt so düster klingen, wären dann nicht mehr zu halten.

Mehr zum Thema

Neueste Artikel