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Exklusiv Eigenverwaltung toppt Insolvenzverwalter

Air Berlin: Die Fluggesellschaft beantragte ein Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung beantragt
Air Berlin: Die Fluggesellschaft beantragte ein Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung beantragt
© Getty Images
Eine Studie belegt: Insolvenzen in Eigenverwaltung führen zu einem erfolgreicherem Ergebnis als Regelinsolvenzen. Unternehmer, Gläubiger und Mitarbeiter kommen besser weg. Trotzdem machen sie nur einen verschwindend kleinen Teil der Verfahren aus

Insolvenzen in Selbstverwaltung bringen eine höhere Quote für ungesicherte Gläubiger, sie sichern mehr Arbeitsplätze und häufiger den Erhalt der Unternehmen. Zudem dauern die Verfahren deutlich kürzer als bei Regelinsolvenzen. Das sind die wichtigsten Ergebnisse einer Studie, die Capital exklusiv vorliegt. Sie sind eine herbe Klatsche für die Befürworter der Regelinsolvenzverfahren, bei denen ein vom Gericht bestellter Insolvenzverwalter die Geschäfte komplett übernimmt.

Durchgeführt wurde die Studie zu Beginn des Jahres durch das Deutsche Institut für angewandtes Insolvenzrecht (DIAI) in Kooperation mit dem Bundesverband ESUG und dem Lehrstuhl für Wirtschaftsrecht der Westfälischen Hochschule in Recklinghausen. Dabei wurden zunächst die statistischen Daten analysiert, wie erfolgreich die Eigenverwaltungsverfahren im Vergleich zu Regelinsolvenzverfahren in den Jahren 2012 bis 2016 verlaufen sind. Anschließend wurden Unternehmer über die Zusammenarbeit mit den Akteuren des Insolvenzverfahrens wie Beratern, Sachwaltern, Insolvenzverwaltern, Gläubigerausschüssen und Richtern befragt. Von 2012 bis 2016 haben in Deutschland 122.996 Unternehmen Insolvenzantrag gestellt, lediglich 1548 wählten dabei ein Verfahren in Eigenverwaltung.

Stärkung des Wirtschaftsstandortes

Allerdings steigt die Bedeutung der Eigenverwaltung bei zunehmender Unternehmensgröße. Bezogen auf die Anzahl der Mitarbeiter sind 14,37 Prozent aller Beschäftigten in insolventen Unternehmen von Eigenverwaltungsverfahren betroffen gewesen. Dieser Trend hat sich auch im Jahr 2017 fortgesetzt. Das belegt die aktuelle Juve-Statistik. Demnach wurden nur 20 der 50 größten Insolvenzen im Jahr 2017 als Regelverfahren geführt. Die restlichen 30 Unternehmen haben sich für Eigenverwaltungen entschieden. Wie bespielsweise auch Air-Berlin. „Die Eigenverwaltung nimmt mit steigenden Umsatz und steigender Mitarbeiterzahl immer weiter an Attraktivität zu. Damit hat das Insolvenzverfahren wesentlich zur Stärkung des Wirtschaftsstandortes Deutschland beigetragen“, fasst Hans Haarmeyer, Leitender Direktor des DIAI, die Ergebnisse zusammen.

Hintergrund der Studie ist das im März 2012 vom Bundestag initiierte Gesetz zur Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (ESUG). Das Gesetz stärkt den Einfluss der Gläubiger auf die Auswahl des Insolvenzverwalters, erleichtert die Nutzung der Eigenverwaltung und befreit das Insolvenzplanverfahren von Hemmnissen und Verzögerungen.

Aber ist das Gesetz auch erfolgreich? Liefert die Insolvenz in Eigenverwaltung bessere Ergebnisse als das Regelverfahren, in dem ein Insolvenzverwalter die Geschäfte komplett übernimmt. Die Studie kommt zu einem eindeutige Ergebnis: Ja.

Unternehmenserhalt

66 Prozent der befragten Unternehmer gaben an, dass ihnen auch nach Abschluss des Verfahrens ihr Unternehmen noch vollständig (60 Prozent) oder zumindest teilweise (6 Prozent) gehört. In der Regelinsolvenz ist der Erhalt für den bisherigen Unternehmer die absolute Ausnahme. „Damit steigt die Motivation für den Unternehmer, frühzeitig einen Insolvenzantrag zu stellen: Denn nur, wenn er nicht von vornherein damit rechnen muss, dass er sein Unternehmen verliert, macht der frühzeitige Insolvenzantrag für ihn Sinn“, sagt Robert Buchalik, Vorstand beim Bundesverband ESUG.

Deckungsquote

Die Deckungsquote aller Unternehmensinsolvenzen im Untersuchungszeitraum lag im Durchschnitt bei 4,1 Prozent. Bei den untersuchten Insolvenzen in Eigenverwaltung erhielten die ungesicherten Gläubiger eine rund zwei- bis dreimal höhere Insolvenzquote. In 52,38 Prozent der Fälle konnten ihnen zwischen fünf und zehn Prozent angeboten werden. In 15,87 Prozent der Verfahren erhielten die Gläubiger sogar eine Quote zwischen zehn und 22 Prozent. Für ungesicherte Kleingläubiger ließ sich in neun Verfahren darüber hinaus eine Quote von 52 Prozent erzielen. Im Falle der Nichtannahme des Plans und damit der Liquidation wäre in diesen Fällen keine Liquidationsquote zu erwarten gewesen.

Arbeitsplätze

Bei den Verfahren in Eigenverwaltung konnten deutlich mehr Arbeitsplätze gesichert werden als bei Regelinsolvenzen. Im Durchschnitt blieben 78 Prozent der Arbeitsplätze erhalten. In knapp 70 Prozent der befragten Unternehmen endete das Eigenverwaltungsverfahren in einem Insolvenzplan, in 15 Prozent in einer übertragenden Sanierung und in nur weiteren 15 Prozent in einer Liquidation. Die Erfolgsquote ist damit sehr hoch, wenn das Verfahren einmal eröffnet ist.

Verfahrensdauer

Darüber hinaus ist die Zeitspanne bis zur Auszahlung einer Quote an die Gläubiger und damit bis zur Aufhebung des Insolvenzverfahrens in einem Eigenverwaltungsverfahren mit durchschnittlich zwölf Monaten (75 Prozent) deutlich kürzer als in einem Regelverfahren, das sich über mehrere Jahre hinziehen kann.

Zufriedenheit

Zufrieden (13,4 Prozent) oder sogar sehr zufrieden (67 Prozent) waren die Unternehmer mit ihren Beratern, die als Sachwalter eine Insolvenz in Eigenverwaltung begleiten. Die Berater rekrutierten sich vor allem aus drei Berufsgruppen: Unternehmensberater (32,4 Prozent), Anwälte (31,7 Prozent) und Steuerberater (17,7 Prozent).

„Der deutsche Gesetzgeber hat ein erfolgreiches Instrument geschaffen, um Unternehmen unter Insolvenzschutz zu sanieren. Über ein vergleichbares Sanierungsinstrument verfügt jedenfalls in Europa kein anderes Land,“ resümiert Achim Albrecht, Professor an der Westfälischen Hochschule.

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