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Zahlungsausfall Droht Evergrande endgültig die Pleite?

Offenbar hat die hochverschuldete Evergrande Group die Frist einer Kuponzahlung verpasst. Im Drama um den Konzern zeichnet sich der letzte Akt ab
Offenbar hat die hochverschuldete Evergrande Group die Frist einer Kuponzahlung verpasst. Im Drama um den Konzern zeichnet sich der letzte Akt ab
© NurPhoto / IMAGO
Die Krise um die Evergrande Group spitzt sich weiter zu: Die Ratingagentur Fitch setzte den angeschlagenen Konzern auf die Stufe „eingeschränkter Kreditausfall“. Chinas Regierung erwägt indes keine Rettung. Schlittert der Konzern jetzt in die Insolvenz?

Eines zeichnet sich gerade sicher ab: Der hochverschuldete Immobilienkonzern Evergrande schwankt bedenklich in Richtung Zahlungsunfähigkeit. Zuletzt machte die Ratingagentur Fitch mit ihrer Neubewertung des Konzerns offiziell, was viele Marktbeobachtern seit Monaten befürchten: Fitch stufte den Konzern, der auf einem Schuldenberg von 300 Mrd. Dollar sitzt, auf die Stufe „eingeschränkter Kreditausfall“ herab. Damit rechnet mit Standards & Poors bereits die zweite Ratingagentur mit einem Zahlungsausfall bei Evergrande. Beide beziehen sich dabei auf die verpasste Kuponzahlung der Evergrande-Tochter Scenerey Journey, deren Verlängerungsfrist am 6. Dezember ausgelaufen war.

Schon am vergangenen Freitag hatte Evergrande davor gewarnt, dass der Konzern nicht garantieren könne, seinen finanziellen Verpflichtungen weiterhin nachzukommen. Am Dienstag berichteten schließlich zwei Dollar-Anleihe-Gläubiger gegenüber Bloomberg, dass sie nach Ablauf der 30-tägigen Nachfrist noch immer auf die 82,5-Mio.-Dollar-schwere Zinszahlung der Evergrande-Tochter Scenerey Journey warteten.

Auch die bisherigen Zinszahlungen erfüllte Evergrande meist erst im Rahmen einer Fristverlängerung – und das oft auch nur knapp vor Auslauf der Deadline. Eine fällige Zahlung in Höhe von 83,5 Mio. Dollar beglich der Konzern Ende Oktober erst einen Tag vor Ablauf der Verlängerung . Eine weitere Kuponzahlung in Höhe von 47,5 Mio. Dollar kurz darauf zahlte er nur wenige Stunden vor Fristablauf.

Ende Dezember warten dem chinesischen Wirtschaftsmagazin „Caixin“ zufolge bereits die nächsten Kuponzahlungen für Dollar-Anleihen in Höhe von 253 Mio. US-Dollar, im Januar folgt eine weitere Zahlung von 415 Mio. Dollar.

Peking hält sich zurück

Indes sieht es nicht danach aus, dass die Regierung in Peking dem Konzern mit Rettungsmaßnahmen zur Hilfe eilen würde. Am Donnerstag teilte Chinas Zentralbankchef Yi Gang mit, dass die Risiken von Evergrande ein „Marktvorgang“ seien, mit denen entsprechend nach den Grundsätzen des Marktes umgegangen werde. Unternehmen und Anteilseigner müssten in Übereinstimmung mit den Rechtsanforderungen und Marktvorschriften angemessen mit „ihren eigenen Schulden“ umgehen und die Interessen der Gläubiger schützen, sagte Yi Gang weiter.

Bereits wenige Tage zuvor hatte die chinesische Zentralbank auf ihrer Webseite erklärt, Evergrande habe die bestehenden Probleme hauptsächlich durch „eigenes Missmanagement“ und seine „halsbrecherische Expansion“ verursacht. Es stimme zwar, dass der Immobilienmarkt in China zeitweise eingebrochen sei. Doch der Verkauf von Wohnungen, der Kauf von Grundstücken und die Finanzierung hätten sich in China bereits wieder normalisiert.

Die Zentralbank hatte ebenfalls angekündigt mit der Provinzregierung von Guangdong, den zuständigen Behörden sowie den lokalen Regierungen bei der Risikobewältigung zusammenarbeiten, „um eine stabile und gesunde Entwicklung des Immobiliensektors zu fördern und die gesetzlichen Rechte und Interessen der Hauskäufer zu schützen“.

Die Provinzregierung in Guangdong hatte am vergangenen Freitag bereits bestätigt, sie werde auf Anfrage von Evergrande ein Team schicken, das dabei helfen solle, das Risikomanagement zu verbessern und den normalen Geschäftsbetrieb aufrechtzuerhalten.

Gläubiger will Insolvenzantrag stellen

Marktbeobachter sehen in der Zurückhaltung der Behörden einen Versuch, den Markt zu beruhigen und die Sorge vor Auswirkungen auf den ganzen Immobiliensektor und die Finanzmärkte einzudämmen. Zwar reagierten die Börsen in Hongkong und Shanghai nicht umfassend auf die Herabstufung Evergrandes durch Fitch – die Evergrande-Aktie war bereits davor auf ein Rekordtief von 1,72 Hongkong-Dollar (umgerechnet etwa 0,2 Euro abgesackt –, allerdings gilt der Schritt weitläufig als letztes Vorzeichen einer möglichen Insolvenz.

Während sich die Evergrande Group bisher weitestgehend in Schweigen hüllt, hat der Anleihegläubiger Financial Market Partners Capital Consulting AG (FMPC) bereits zusammen mit der zuvor weitgehend unbekannten DMSA Deutsche MarktScreening Agentur bereits seit November einen Insolvenzantrag vorbereitet. Er sei mittlerweile fertig und soll in dem kommenden Tagen beim zuständigen Gericht in George Town auf den Kaimaninseln, wo die Evergrande-Holding registriert ist, eingereicht werden, heißt es in einer Pressemitteilung. Auch einen Insolvenzverwalter habe man dort bereits gefunden, berichtet das Manager Magazin.

„Evergrande ist zwar zahlungsunfähig, aber offiziell noch nicht insolvent“, erklärt Dr. Marco Metzler, Verwaltungsratsvorsitzender der FMPC und Senior Analyst der DMSA. „Da dieser Antrag bisher aber nicht erfolgt ist, befürchten wir – die DMSA und FMPC Consulting – dass Vermögenswerte aus der Insolvenzmasse herausgelöst werden könnten.“

DMSA und FMPC kauften erst Anfang November 200 Evergrande-Anleihen für 50.000 US-Dollar, wie das Manager Magazin berichtete . Ihnen ginge nach Aussage von Metzler dabei um das Prinzip und um Transparenz. Von anderen Gläubiger, für die bei einer Pleite wesentlich höhere Summen auf dem Spiel stehen, ist ein solcher Schritt bislang nicht bekannt.

Weitere Unternehmen mit Zahlungsschwierigkeiten

Laut chinesischem Recht ist Evergrande nicht dazu verpflichtet, selbst einen Insolvenzantrag zu stellen. „Allerdings können Gläubiger einen sogenannten Fremdantrag stellen“, erklärte Elske Fehl-Weileder, Fachanwältin für Insolvenzrecht der Kanzlei Schultze & Braun, Anfang Oktober im Interview mit Capital. Sei das Insolvenzverfahren eröffnet, gebe es drei Möglichkeiten für die weitere Entwicklung, vom Verkauf des Konzerns und einzelner Teile über ein Vergleichsverfahren mit ungesicherten Gläubigern bis hin zu einem Sanierungsverfahren. Letzteres komme einem Schutzschirmverfahren mit Insolvenzplan gleich, erklärte Fehl-Weileder. „Das dürfte Evergrande auch anstreben.“ So könne der Konzern nämlich „weiterhin am Ruder bleiben.“

Neben Evergrande vermelden unlängst auch weitere chinesische Immobilienkonzerne Zahlungsschwierigkeiten. So stufte Fitch am Donnerstag auch den Konkurrenten Kaisa auf das Niveau „eingeschränkter Kreditausfall“ herab. Der Grund: Das Unternehmen hat eine Anleihe in Höhe von 400 Mio. US-Dollar nicht bis zum Stichtag am vergangenen Dienstag zurückgezahlt. Wegen Sorgen um die Zahlungsfähigkeit Kaisas war der Handel der Aktie an der Hongkonger Börse bereits am Mittwoch ausgesetzt worden.

Anfang der Woche teilte auch das Immobilienentwickler Sunshine 100 China Holdings mit, man habe eine Rückzahlungsfrist von rund 170 Mio. Dollar plus Zinsen verstreichen lassen müssen. Gespräche mit Gläubigern über eine Umschuldung oder andere Lösungsansätze liefen bereits, hieß es weiter. Zwar handelt es sich bei Sunshine 100 China nicht um einen bedeutenden Branchenvertreter. Für Marktbeobachter stehen die jüngsten Entwicklungen aber für den Umbruch, in dem sich der chinesische Immobiliensektor derzeit befinde.

Geriete die Branche, die zusammen mit abhängigen Dienstleistern und Zulieferern knapp 30 Prozent des chinesischen BIPs ausmache, in Schieflage, könnten die wirtschaftlichen Folgen in ganz China und über die Landesgrenzen hinaus spürbar sein, fürchten Marktbeobachter.

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