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Timo Pache Drei historische Sätze aus Karlsruhe

Für Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck ist die Intervention des Bundesverfassungsgerichts beim Gebäudeenergiegesetz eine schwere politische Niederlage
Für Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck ist die Intervention des Bundesverfassungsgerichts beim Gebäudeenergiegesetz eine schwere politische Niederlage
© IMAGO/Political Moments
Seit der Finanzkrise werden Gesetze immer häufiger im Eiltempo durch den Bundestag gepeitscht – oft ohne Not, wie jetzt beim Gebäudeenergiegesetz. Dass das Bundesverfassungsgericht jetzt interveniert hat, sollten alle Beteiligten als Chance begreifen

Manchmal tut es richtig gut, wenn höchste Richter Prinzipien festhalten, die eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein sollten.  

„Den Abgeordneten steht nicht nur das Recht zu, im Deutschen Bundestag abzustimmen, sondern auch das Recht zu beraten. Dies setzt eine hinreichende Information über den Beratungsgegenstand voraus. Die Abgeordneten müssen dabei Informationen nicht nur erlangen, sondern diese auch verarbeiten können.“ Drei Sätze für die Ewigkeit.  

Sie stehen so im Eil-Beschluss des Bundesverfassungsgerichts von Mittwochabend, mit dem die Karlsruher Richter die eigentlich für diesen Freitag geplante Abstimmung zum Gebäudeenergiegesetz im Bundestag stoppten. Eine ohnehin schwer angeschlagene Koalition traf diese Nachricht wie ein Stromschlag.  

Bei Habeck bewegt der Wunsch die Gedanken

Die Erschütterung, die die Richter damit auslösten, war allen Beteiligten am Tag danach anzumerken. Der federführende Minister, Robert Habeck, blieb den ganzen Tag in Deckung, erst am Nachmittag meldete er sich mit einer ziemlich dünnen Pressemitteilung aus seinem Wirtschaftsministerium: Er respektiere das Urteil, ließ er mitteilen, mit dem Verfahren gehe es jetzt nach der Sommerpause weiter. Ganz unverändert, wie er betonte, schließlich sei „das Gesetz in der aktuellen Form zwischen den Fraktionen geeint“. Es klang dabei, wie schon häufiger bei Habeck, vor allem der Wunsch durch, der seine Gedanken bewegt. Aber was sollte er auch sonst sagen?  

Vielleicht, so ist ihm und seinen Leuten zu wünschen, wird er eines Tages dem Gericht noch einmal dankbar sein. Weil die Zwangspause durch die Richter nicht nur eine Klatsche für Habeck und die ganze Ampel-Koalition ist, wie es gestern (richtigerweise) immer wieder hieß. Sondern weil der Stopp zumindest die Chance bietet, dass das Regierungsbündnis nochmal zur Besinnung kommt.    

Denn gravierender als die handwerklichen Mängel waren in diesem Gesetzgebungsverfahren ja von Anfang an die Methode, der Tonfall und die halsbrecherische Geschwindigkeit, mit der Habeck das Gebäudeenergiegesetz durchboxen wollte. Damit provozierte er erst den Protest, der das politische Klima jetzt so vergiftet hat und er diskreditierte ein Vorhaben, das bis Ostern dieses Jahres im Grunde unstrittig war: Wenn Deutschland bis 2045 seine CO2-Emissionen wenigstens annähernd Richtung Null drücken will – was von den Grünen bis zur Union weitgehend unstrittig ist –, dann muss auch beim Heizen was passieren. Und zwar schnell.   

Dass eine Opposition jeden Ansatz sucht, ein Regierungsvorhaben zu kritisieren, ist nicht nur ihr Recht, sondern auch ihre Pflicht. Dass auch innerhalb einer Koalition die einen Partner aus absehbaren Fehlern der anderen versuchen, Kapital zu schlagen, gehört zum Geschäft. In diesem Umfeld ein Gesetz, das praktisch alle 41 Millionen Haushalte in Deutschland in den kommenden 15 bis 20 Jahren betreffen wird, im Schnellverfahren durch das Parlament boxen zu wollen, offenbarte eine ordentliche Portion Arroganz – hinter der sich, schlimmer noch, eine technokratische Besserwisserei verbirgt, die sich um Erklärungen, um kritische Diskussion, das Abwägen und Gewinnen von Mehrheiten wenig schert. Genau das aber fordern die Verfassungsrichter mit ihrer Intervention jetzt noch einmal ein.  

Schlechter Stil untereinander

Und das ist tatsächlich eine Chance, für alle Seiten. Denn gut 18 Monate nach Amtsantritt dieser Koalition – davon zugegeben zwölf Monate unter extremster Anspannung, die auch noch nicht wirklich gewichen ist, sondern die wir nur ein bisschen verdrängt haben – sind die Umgangsformen der Koalitionspartner untereinander, mit der Opposition im Bundestag und mit dem Rest des Landes so verroht, dass eine zweimonatige Zwangspause in diesem Verfahren wirklich sinnvoll erscheint.  

Dafür sprechen auch zwei andere Ereignisse aus dieser Woche, die tief blicken lassen: der absurde Streit etwa zwischen Familienministerin Lisa Paus (Grüne) mit Finanzminister Christian Lindner (FDP), wer von beiden nun eigentlich verantwortlich sei für die völlig unvermittelte Kürzung des Elterngelds für Gutverdiener – das Veröffentlichen von Briefwechseln beider Ressorts erinnerte jedenfalls sehr an die Zustände von „Gurkentruppe“ gegen „Wildsau“ aus den Zeiten der schwarz-gelben Koalition 2010. Ebenso verstörte die Bräsigkeit, mit der SPD, FDP und Grüne den Versuch von CDU/CSU niederstimmten, einen Untersuchungsausschuss zum Cum-Ex-Skandal rund um die Hamburger Warburg-Bank und die Rolle von Olaf Scholz einzurichten. Zusammen mit dem Heizungsdebakel befördert dies einen schlimmen Eindruck: Der Zusammenhalt in der Ampel-Koalition reicht für nicht mehr viel mehr als gesetzgeberischen Murks, und das Unterdrücken von kritischer Kontrolle.     

Damit weist auch die Intervention aus Karlsruhe über das etwas absurde Duell zwischen Gastherme und Wärmepumpe hinaus. Seit dem hektischen Herbst der Finanzkrise 2008 ist es mehr und mehr zur unguten Gepflogenheit geworden, Gesetze im Eiltempo durchs Parlament zu peitschen: HRE-Rettung, Griechenland, Euro-Rettung, dann die vielen Corona-Verordnungen in der Pandemie, schließlich die Interventionen am Energiemarkt im vergangenen Jahr – vieles wurde mit verkürzten Fristen binnen weniger Tage durch Bundestag und Bundesrat gedrückt. Und in vielen Fällen war das Tempo auch durchaus gerechtfertigt, da der Schaden andernfalls umso größer gewesen wäre. Nur: Beim Heizungsgesetz ist keine Gefahr in Verzug. Ob das Gesetz im Juli oder im Oktober beschlossen wird, ist dem Klima ziemlich egal.    

Die grundlose Hektik verstärkte vielmehr den Eindruck, hier solle etwas Gesetz werden, bevor die Leute überhaupt verstanden haben, was da geplant ist. Hauptsache, man hält das Thema aus den Landtagswahlkämpfen im Herbst. Das war umso verheerender, als sich die Kritik als nicht völlig abwegig herausstellte – etwa der Einwand, dass man vielleicht erstmal eine ordentliche Wärmeplanung in den Kommunen braucht, bevor man allen Haushalten vorschreibt, wie sie künftig zu heizen haben. Oder die Frage, was denn Vermieter mit den Kosten einer neuen Heizung anstellen sollen und wie viel davon Mieter tragen können. Wohl selten wurde mit einem Gesetz so viel Richtiges beabsichtigt und so viel Schaden angerichtet wie mit dem Gebäudeenergiegesetz.  

Dem Klima sind zwei Monate egal

Nun enthält der Beschluss aus Karlsruhe allerdings nicht nur eine Verpflichtung für die Regierungskoalition. Sondern auch für die Opposition: Die zusätzliche Zeit zur Beratung bedeutet für sie auch, dass laute Empörung über das Verfahren allein nicht reicht. Auch nicht bloße Kritik, was alles nicht geht. Vielmehr müssen CDU und CSU erklären, was sie stattdessen wollen, was ihre Alternativen sind. Und wenn SPD, Grüne und FDP aus dem Debakel dieser Woche eines gelernt haben sollten, dann genau dies jetzt von der Union einzufordern. Und, wichtiger noch, es im Gesetz auch noch zu berücksichtigen.  

Die Ankündigung von Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) etwa oder Fraktionsvize Jens Spahn (CDU), das Heizungsgesetz nach einem Wahlsieg der Union 2025 wieder abzuschaffen, ist eine Katastrophe. Sie schafft zusätzliche Verunsicherung dort, wo doch eigentlich endlich Verlässlichkeit und Planungssicherheit dringend gebraucht werden. Und zwar weit über Wahltermine hinaus. Das gilt sowohl für die technischen Lösungen im Heizungskeller wie für die staatlichen Zuschüsse und Förderbedingungen.  

Das ist doch die eigentliche Forderung, die in dem Beschluss der Karlsruher Richter steckt: Nutzt die Zeit, um einen überparteilichen Kompromiss zu finden. Wenn Habeck, Scholz und Lindner so schlau sind, wie sie selbst es gerne glauben, dann versuchen sie bis September genau dies zu erreichen.  

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