Wenn es nach vielen Unternehmen geht, könnten ihre Mitarbeiter schon in den kommenden Wochen durch die eigenen Werks- und Betriebsärzte geimpft werden. Ab Juni könnte das Realität werden, denn im zweiten Quartal steht aktuellen Lieferprognosen zufolge deutlich mehr Impfstoff zur Verfügung. Laut einer Übersicht des Bundesgesundheitsministeriums könnten allein bei den Impfstoffen von Biontech und Moderna mehr als fünf Millionen pro Woche zur Verfügung stehen. Im April war es etwa die Hälfte.
Mit dem Einsatz von Betriebsärzten würden nach einer Schätzung der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) zusätzlich 6000 Vollzeitärztinnen - und -ärzte bei der Impfkampagne mitwirken. Das Impfen am Arbeitsplatz der rund 31 Millionen Beschäftigten sei oft einfacher zu organisieren.
Bis zum bundesweiten Impfstart in allen Unternehmen müssen allerdings auch noch einige wichtige Fragen geklärt werden, darunter die Abrechnung der Arbeit der Betriebsärzte und die Haftung im Fall von Nebenwirkungen.
Modellprojekte nehmen zu
In einigen Bundesländern laufen bereits Modellprojekte mit Betriebsärzten an. In Bayern teilte die bayrische Staatsregierung rund zehn Unternehmen – je ein größeres pro Region – 50.000 Impfdosen zu. Im Mai soll die Zahl der Unternehmen noch einmal wachsen, zum selben Zeitpunkt soll es allen bayrischen Unternehmen möglich sein, ihre Mitarbeiter zu impfen . Kleinere Betriebe ohne eigenen Betriebsarzt sollen sich an die Impfzentren wenden können.
Bei Liebherr im schwäbischen Ehingen ging in der letzten Aprilwoche ein weiteres Modellprojekt an den Start. Mit 200 Dosen des Impfstoffs AstraZeneca aus dem Kontingent des Landes Baden-Württemberg werden dort seitdem Mitarbeiter über 60 Jahre geimpft. Zwölf weitere Unternehmen sollen noch Mitte Mai folgen.
Auch in deutschen Konzernen laufen die Vorbereitungen für eine betriebsinterne Impfkampagne längst auf Hochtouren. Auf eine Capital-Anfrage zeigten sich Dutzende Schwergewichte der deutschen Wirtschaft bereit mitzumachen. Neben 29 der 30 Dax-Konzerne gehören dazu auch Unternehmen wie die Deutsche Bahn oder Bosch. Hier eine Auswahl:
Diese Unternehmen stehen fürs Impfen in den Startlöchern
Als erstes Unternehmen in Deutschland hat BASF schon am 14. April damit begonnen, seine Mitarbeiter auf dem Werksgelände in Ludwigshafen zu impfen. In der Nähe von Tor 11 ist dafür extra ein eigenes Impfzentrum entstanden, in dem schon am ersten Tag nach Inbetriebnahme rund 300 Mitarbeiter geimpft wurden. BASF hält sich dabei an die Impfreihenfolge der Bundesregierung. Zuerst sind deshalb Mitarbeiter mit Vorerkrankungen dran, die zur Impfgruppe 2 gehören.
Beim Autobauer Volkswagen bereiten sich die Betriebsärzte ebenfalls auf die Corona-Impfungen vor. Im VW-Werk Zwickau wurden erste Mitarbeiter schon seit Ende März geimpft. Dazu hat Volkswagen zusammen mit dem Deutschen Roten Kreuz Sachsen ein Impfmobil als Modellprojekt ins Leben gerufen. Neben Mitarbeitern mit bestimmten chronischen Erkrankungen wurden Bewohner des Corona-Hotspots Vogtlandkreis geimpft. Wegen der hohen Inzidenzwerte dürfen sich dort alle Personen ab 18 impfen lassen. Mit dem Impfmobil kann das Team aus sechs Werksärzten und neun Krankenpflegern auch an die Standorte Chemnitz, Dresden und Sankt Egidien fahren. Am VW-Standort in Wolfsburg ist das Impfzentrum ebenfalls schon einsatzbereit. Dazu wurde die Veranstaltungshalle „Hafen 1“ der Autostadt in den vergangenen Wochen umgerüstet. Auf den vier Impfstraßen könnten Volkswagen zufolge bis zu 15.000 Mitarbeiter pro Woche geimpft werden.
Zwar wird bei Daimler noch nicht geimpft. Seit dem 26. April können sich Mitarbeiter des Autobauers aber schon einmal online für einen Impftermin registrieren. Daimler will an allen deutschen Standorten in eigenen Impfzentren und -straßen impfen. Dazu sind 70 Werksärzte und mehr als 200 medizinische Fachangestellte im Einsatz. Einer Mitteilung des Konzerns zufolge seien „im Vollbetrieb an allen Standorten täglich mehr als 3000 Impfungen möglich.“
An 18 Standorten bereitet sich die Deutsche Telekom auf den Impfstart vor. Wie der Kölner-Stadt-Anzeiger berichtet greift der Bonner Telekommunikationskonzern dabei auf die Infrastruktur zurück, die in der Vergangenheit schon für die betrieblichen Grippeschutzimpfungen genutzt wurde. Mit den bestehenden Kapazitäten könnte der Konzern eigenen Angaben zufolge rund 80.000 Mitarbeiter impfen. Auch bei der Telekom-Tochter Magenta in Wien könnten betriebliche Impfungen jederzeit starten.
Bis zu 300 Menschen will der Konsumgüterhersteller Beiersdorf in Hamburg impfen, wenn die Betriebsärzte loslegen dürfen. Nach der Einrichtung eines eigenen Testzentrum 2020 (siehe Foto) hat der Konzern dafür ein ungenutztes Bürogebäude im Hamburger Stadtteil Eimsbüttel in eine Impfstation umgewandelt. Per Aufzug fahren Mitarbeiter direkt in den zweiten Stock und werden geimpft, anschließend geht es in einen Ruheraum im ersten Stock. Werden die Kapazitäten voll ausgenutzt, könnte Beiersdorf binnen drei Wochen alle Mitarbeiter in Hamburg geimpft haben. Danach soll das Angebot auf Angehörige und Anwohner ausgeweitet werden.
Auch Henkel hat in unmittelbarer Nähe des Werkgeländes in Düsseldorf ein eigenes Impfzentrum eingerichtet. Hier könnten sich nach eigenen Angaben bis zu 1500 Mitarbeiter pro Woche impfen lassen. Das Impfzentrum sei allerdings sehr flexibel geplant und könne die Impfkapazitäten auf die verfügbaren Dosen anpassen. Bei der Reihenfolge orientiere sich Henkel an den Vorgaben der Gesundheitsbehörden, heißt es weiter.
Rund 17 Betriebsärzte stehen bei RWE bereit, um die eigene Belegschaft zu impfen. Nach eigenen Angaben könnten so knapp 20.000 Beschäftigte in etwa zwei Wochen ihre Erstimpfung bekommen. Danach wolle man den Familienmitgliedern der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ein Impfangebot machen. An vielen Standorten seien Test- und Impfstraßen schon eingerichtet.
Mit 27 Impfstraßen an 15 Standorten steht auch die Allianz in den Startlöchern für die Corona-Impfung. Nach eigenen Angaben rechnet der Versicherer damit bundesweit etwa 2500 Dosen pro Tag zu verimpfen. Neben den Mitarbeitern der Allianz-Gesellschaften sollen auch deren Familienangehörige sowie Vertreter und externe Mitarbeiter ein Impfangebot bekommen. Die Terminvergabe läuft über ein digitales Tool, das schon bei der Grippeschutzimpfung zum Einsatz gekommen ist. Außerdem soll es eine Hotline geben. Aktuell erwartet das Unternehmen etwa 75.000 Impfwillige.
Sobald der Impfstoff da ist, will auch Vodafone in seinem Medical Center am deutschen Firmenhauptsitz in Düsseldorf mit dem Impfen loslegen. Basierend auf der vorgegebenen Impf-Reihenfolge will Vodafone zuerst die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter immunisieren, „die besonders relevant für die Infrastruktur sind“, heißt es in einer Mitteilung des Konzerns. Danach werde die Belegschaft per Zufallsprinzip eingeladen. Am Standort Düsseldorf sollen sich auch die Mitarbeiter der benachbarten Niederlassungen Ratingen, Köln und Kerpen impfen lassen können. An allen anderen Standorten sei das Impfangebot von den regionalen Gegebenheiten abhängig.
An insgesamt zehn Standorten will die Deutsche Bahn ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter impfen. Die ersten entstehen gerade in München und Nürnberg. Nach eigenen Angaben, sei ungefähr die Hälfte der Bahn-Mitarbeiter als systemrelevant eingestuft worden. Viele von ihnen gehören demnach zur Gruppe 3 in der Corona-Impfverordnung des Bundes. Während viele Unternehmen damit rechnen, erst im Juni mit betrieblichen Corona-Impfungen loslegen zu können, könnten die Bahn-Betriebsärzte in Berlin schon im Mai mit dem Impfen beginnen, wie der Tagesspiegel unter Berufung auf Ärzte und Senatskreise berichtet.